Fembio Specials Europäische Jüdinnen Henriette Goldschmidt
Fembio Special: Europäische Jüdinnen
Henriette Goldschmidt
(geb. Benas)
geboren am 23. November 1825 in Krotoschin bei Posen
gestorben am 30. Januar 1920 in Leipzig
deutsche Sozialpädagogin
105. Todestag am 30. Januar 2025
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Zum Tode von Henriette Goldschmidt am 30. Januar 1920 verfaßte Helene Lange, die bedeutendste Vertreterin der Frauenbewegung um die Jahrhundertwende, einen Nachruf. Sie würdigte die Verstorbene in knappen Worten und verhaltenem Ton. Dabei verwies sie hauptsächlch auf die frühe Zugehörigkeit Henriette Goldschmidts zur Frauenbewegung und auf ihre Beteiligung an der Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) hin. Ihr eigentliches Lebenswerk, die Etablierung einer “Hochschule für Frauen” in Leipzig, erwähnte Lange nur kurz und fügte die Bemerkung hinzu: “Es ist hier nicht die Stelle, den Gedanken kritisch zu werten.”
Henriette Goldschmidt war eine begeisterte Anhängerin der Froebelschen Pädagogik, und so sollte nach ihren Vorstellungen die Hochschule Mütter durch Seminare und Vorlesungen auf ihre Erziehungsaufgabe vorbereiten. Zugleich sollte die Hochschule Frauen befähigen, soziale Aufgaben in der Gemeinde zu übernehmen. Aufgrund einer großzügigen Stiftung des Musikverlegers Henri Hinrichsen konnte die Hochschule 1911 in Leipzig eröffnet werden. Henriette Goldschmidt war damals zwar schon hochbetagt, aber Zeitgenossinnen schildern sie als rüstig und geistig sehr lebendig.
Helene Langes bereits erwähnte Kritik richtete sich gegen die Bezeichnung “Hochschule”. Sie hielt das für einen Etikettenschwindel, weil die Einrichtung keine wissenschaftliche war und ihr Ausbildungsangebot gegenüber dem wissenschaftlichen Studium populärwissenschaftlich beiben musste. Nach unserem heutigen Verständnis war die von Henriette Goldschmidt errichtete “Hochschule” eine an der Praxis orientierte Fachhochschule. Kurz nach ihrem Tode wurde sie von der Stadt Leipzig im Jahre 1921 folgerichtig in “Sozialpädagogisches Frauenseminar” umbenannt. Die Straße und eine Gedenktafel bei Haus Nr. 20, wo die Frauenhochschule in Leipzig stand, erinnern noch heute an die Initiatorin dieses Frauenprojekts.
Henriette Goldschmidt wurde am 23. November 1825 als sechstes Kind der wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie Benas in Krotoschin in der preußischen Provinz Posen geboren. Sowohl im Elternhaus als auch in ihrer 1853 geschlossenen Ehe mit dem Rabbiner Abraham Meier Goldschmidt fühlte man sich mit dem Geist und den Ideen der 1848er Revolution verbunden. Umso mehr litt das Ehepaar Goldschmidt unter der Unterdrückung des polnischen Volkes durch den russischen Zaren. In Warschau betreute der Rabbiner Goldschmidt die deutsch-jüdische Gemeinde. Die Wohnung der Familie Goldschmidt - Henriette erzog drei Stiefsöhne - lag dicht am Warschauer Gefängnis, über dessen Mauern die Schreie gefolterter Gefangener herüberdrangen.
Als Abraham Goldschmidt eine Rabbinerstelle in Leipzig angeboten wurde, empfand Henriette die Übersiedlung im Jahre 1858 aus der “Hölle Warschaus” in die sächsische Stadt wie einen Einzug ins “Gelobte Land”. Das Ehepaar genoss den Wechsel in die geistig aufgeschlossene Stadt. Es beteiligte sich an dem regen deutsch-jüdischen Vereinsleben und schloss sich der demokratischen Linken an. In diesem Kreis lernte Henriette Goldschmidt Louise Otto-Peters kennen und gründete 1865 gemeinsam mit ihr den traditionsreichen Allgemeinen Deutschen Frauenverein. Bis zur Jahrhundertwende behandelte der Frauenverband auf seinen Tagungen allgemeine Themen insbesondere zur Bildung und Arbeit von Frauen. Von 1901 an spezialisierte er sich in seinem offiziellen Programm auf die kommunale Tätigkeit der Frau. Dass zu den “Stadtvätern” auch “Stadtmütter” gehören sollten, war ein bereits von Henriette Goldschmidt in den frühen Anfängen des Vereins vorgetragener Gedanke.
(Text von 1999)
Verfasserin: Hiltrud Schroeder
Links
Literatur & Quellen
Dick, Jutta & Marina Sassenberg. Hg. 1993. Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert: Lexikon zu Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg. rororo Handbuch 6344.
Hildebrandt, Irma. 1998. “Vom Kindergarten zur Frauenhochschule. Die Pädagogin Henriette Goldschmidt (1825 - 1920)”, in: dies.. 1998. Provokationen zum Tee. 18 Leipziger Frauenportraits. München. Diederichs. S. 117 - 130
Lange, Helene. 1920. “Nachrufe: Henriette Goldschmidt”. In: Die Lehrerin. 36. Jg., S. 188 - 189.
Sonnenkalb, Edith. 1990. “Der Erziehungsberuf ist der Kulturberuf der Frau (Henriette Goldschmidt)”, in: Bodeit, Friderun. Hg. 1990. “Ich muß mich ganz hingeben können”. Frauen in Leipzig. Leipzig. Verlag für die Frau, S. 127 - 136.
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