Fembio Specials Künstlerinnen - Eine Ausstellung von Almut Nitzsche Helene Schjerfbeck
Fembio Special: Künstlerinnen - Eine Ausstellung von Almut Nitzsche
Helene Schjerfbeck
(Helena Sofia Schjerfbeck [eigentlicher Name])
geboren am 10. Juli 1862 in Helsinki
gestorben am 28. Januar 1946 in Saltsjöbaden, Stockholm
finnische Malerin
75. Todestag am 28. Januar 2021
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Ihr Lieblingsmotiv sind Menschen, meist Frauen und Kinder, von denen sie blasse, zarte und leicht kränkelnde oder melancholisch wirkende Wesen bevorzugt. Ihre zahlreichen Selbstbildnisse gelten mit Recht als »einzigartig in der Malerei des 20. Jahrhunderts« (Sello). Das Porträt von 1894/95 zeigt eine junge Frau, die uns ernst und gefasst über die Schulter hinweg anblickt. Die Enttäuschungen der vorangegangenen Jahre spiegeln sich in ihren Zügen wider. Rund 40 Jahre später sieht uns die Malerin selbstbewusst und wach entgegen. Sie hat sich in ihrem Leben und in ihrer Malerei behauptet. In einem ihrer letzten Porträts malt sie sich schonungslos als schon vom Tode gezeichnet mit nach innen gekehrtem Blick.
Schjerfbecks Familie stammte aus Schweden, zu Hause wurde immer noch Schwedisch gesprochen. Die Eltern sind nicht glücklich und werden von Schicksalsschlägen heimgesucht: Der Vater muss Konkurs anmelden, die finanzielle Situation ist schwierig, drei der Kinder sterben. Im Alter von vier Jahren stürzt Helene eine Treppe herunter und bricht sich die Hüfte. Durch diese schwere Verletzung wird sie zeit ihres Lebens von Schmerzen und einer Gehbehinderung geplagt.
Das künstlerische Talent Schjerfbecks tritt früh zutage. Ihr wird die Aufnahme in die Zeichenschule der Finnischen Kunstgesellschaft ermöglicht, in der sie ihre lebenslange Freundin Helena Westermarck kennenlernt. Nach ersten Erfolgen in Helsinki kann sie dank eines staatlichen Reisestipendiums 1880 ihre Studien in Paris fortsetzen.
Das nächste Jahrzehnt verläuft sehr turbulent. Schjerfbeck unternimmt viele Reisen, lebt abwechselnd in Paris und Helsinki. Die Sommermonate verbringt sie mehrmals in der Bretagne. Dort verliebt sie sich in einen englischen Künstlerkollegen und verlobt sich mit ihm. Als er sich wegen ihrer labilen Gesundheit und der in ihrer Familie aufgetretenen Tuberkulose von ihr trennt, vernichtet sie alle seine Briefe. Dadurch bleibt nach Aussage von Leena Ahtola-Moorhouse, einer der besten Kennerinnen Schjerfbecks, die Identität des Mannes bis heute im Dunkeln.
Zusammen mit Westermarck entwickelt Schjerfbeck Anfang der 1880er Jahre in Finnland den Naturalismus entscheidend mit und lässt sich auch durch verletzende Kritik nicht entmutigen. Obwohl Frauen in Finnland seit 1846 an Kunstschulen aufgenommen wurden, blieb ihnen eine ernsthafte Anerkennung versagt. Schjerfbecks bekanntestes Gemälde aus dieser Zeit ist sicherlich Die Genesende, entstanden in St. Ives /Cornwall anlässlich eines Besuchs bei Marianne Preindlsberger, ihrer österreichischen Freundin aus Pariser Studientagen. Ein kleines Mädchen, fest eingepackt in eine Decke, sitzt in einem großen Korbsessel und betrachtet versunken einen kleinen Zweig mit sprießenden Blättchen – ein Hoffnungsschimmer auf dem Weg zur Besserung. Es ist ein sehr persönliches Bild und lässt sich sowohl mit der Kindheit der Malerin als auch mit dem gerade erlittenen Liebeskummer verbinden.
Seit 1890 lebt und arbeitet Schjerfbeck in Helsinki. Es ist eine schwierige Zeit für sie, denn in jenen Jahren herrscht in Finnland eine nationalromantische Stimmung, und Maler wie Gallen-Kallela werden gefeiert. Sie muss den Lebensunterhalt für sich und ihre Mutter durch Unterrichten an der Zeichenschule verdienen. Aufgrund dieser Belastung wird sie häufig krank, bis sie 1902 mit ihrer Mutter in einen kleinen, friedlichen Industrieort zieht – weitab von der Kunstszene samt ihren Querelen.
In der selbstgewählten Einsamkeit findet Schjerfbeck zu einer neuen Malweise. Schon in ihren frühen Bildern reichten sparsame Mittel und die Konzentration auf das Wesentliche aus, um atmosphärische Dichte zu erzeugen. Nun beginnt sie die Welt zu malen, wie sie sie in ihrem Innern sieht und empfindet. Dabei reduziert sie ihre aus flächigen Elementen aufgebauten Motive auf das Nötigste und erreicht so eine enorme Intensität. Erst der Kontakt mit dem Kunsthändler Gösta Stenman, der sich für zeitgenössische Künstlerinnen einsetzt, entspannt ihre finanzielle Situation. Stenman ist es auch, der in Helsinki 1917 die erste Einzelausstellung von Schjerfbecks Werken veranstaltet. In seiner Stockholmer Galerie erlebt sie, fast am Ende ihres Lebens, einen triumphalen Erfolg. Schjerfbeck stirbt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg 84jährig in einem Altersheim in der Nähe von Stockholm.
Heute gilt sie mit ihrem umfangreichen, fast 1000 Gemälde zählenden Oeuvre als eine der herausragenden Persönlichkeiten der modernen finnischen Kunst, in ihrer Heimat wird sie als Nationalheldin verehrt. Vor vier Jahren hat eine große Retrospektive in der Hamburger Kunsthalle ihr Werk auch außerhalb Skandinaviens bekannt gemacht.
Verfasserin: Adriane von Hoop
Zitate
Man gewinnt den Eindruck, dass die männlichen Kritiker eine starke Präsenz der Künstlerinnen in der finnischen Kunst und besonders deren Eigenständigkeit bei der Wahl ihrer Herangehensweise und Ideale regelrecht fürchteten.
(Leena Ahtola-Moorhouse)
Stellen Sie sich vor, das Leben der Frida Kahlo wäre verbunden mit dem Auge von Edvard Munch und Sie werden anfangen, das Ausmaß dieses Werkes zu erfassen…
(The Independent über Helene Schjerfbeck, London im Oktober 2003)
Links
Artcyclopedia: Helene Schjerfbeck Works Online. Categorized & Annotated. Linksammlung.
Online verfügbar unter http://www.artcyclopedia.com/artists/schjerfbeck_helene.html, zuletzt geprüft am 23.01.2021.
DNB, Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Helene Schjerfbeck. Veröffentlichungen.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/119335875, zuletzt geprüft am 23.01.2021.
Figuration Féminine: Helene Schjerfbeck (1862-1946). Sehr empfehlenswerter Blog (zeigt ausschließlich von Frauen gemalte weibliche Personen, mit biografischen Informationen).
Online verfügbar unter http://figurationfeminine.blogspot.com/2008/06/helene-schjerfbeck-1862-1946.html, zuletzt geprüft am 23.01.2021.
Forvo-Team: Aussprache von Helene Schjerfbeck: Wie man Helene Schjerfbeck auf Finnisch ausspricht.
Online verfügbar unter http://de.forvo.com/word/helene_schjerfbeck/, zuletzt geprüft am 23.01.2021.
Hamburger Kunsthalle (2007): Helene Schjerfbeck. 2. Februar bis 6. Mai 2007. Hubertus-Wald-Forum.
Online verfügbar unter https://www.hamburger-kunsthalle.de/ausstellungen/helene-schjerfbeck, zuletzt geprüft am 23.01.2021.
Kirjav@ - Central database of the Finnish National Gallery Library: Searched with artist's name Schjerfbeck, Helene. Suche liefert mehr als 500 Einträge (Artikel, Bücher, …).
Online verfügbar unter http://kirjava.fng.fi/index.php?stype0=artist&query0=Schjerfbeck%2C+Helene&soper_adv3=AND&stype_adv3=include&query_adv3=K&resultKey=0&useCounter=3&mode=executeSearch&lang=en&order=PAAKIRJAUS&cmd=&cmdParam1=&cmdParam2=&cmdParam3=&cmdParam4=, zuletzt geprüft am 23.01.2021.
Konttinen, Riitta: Schjerfbeck, Helene (1862 – 1946). Biografie (engl.), sehr ausführlich. Translated by Roderick Fletcher. Biografiakeskus, Suomalaisen Kirjallisuuden Seura.
Online verfügbar unter http://www.kansallisbiografia.fi/english/?id=4115, zuletzt geprüft am 23.01.2021.
Sotheby's: Helene Schjerfbeck. Works by Helene Schjerfbeck at Sotheby's.
Online verfügbar unter https://www.sothebys.com/en/artists/helene-schjerfbeck, zuletzt geprüft am 23.01.2021.
Sterckx, Marjan: Marjan Sterckx reviews Helene Schjerfbeck: Het geheim van Finland. Sehr ausführlich (engl.). Nineteenth-Century Art Worldwide.
Online verfügbar unter http://www.19thc-artworldwide.org/index.php/spring08/100-helene-schjerfbeck-het-geheim-van-finland, zuletzt geprüft am 23.01.2021.
The J. Paul Getty Trust: Union List of Artist Names – Full Record Display (Getty Research). Schjerfbeck, Helene (Finnish painter, 1862-1946).
Online verfügbar unter http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&role=&nation=&subjectid=500012966, zuletzt geprüft am 23.01.2021.
Literatur & Quellen
Quellen
Malerinder fra Finland. (1983) Sieben Finnische Malerinnen – Fanny Churberg, Maria Wilk, Helene Schjerfbeck, Ellen Thesleff, Beda Stjernschantz, Ester Helenius, Sigrid Schauman. Ausstellungskatalog. Hamburg. Kunsthalle. ISBN 9789519289021. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Görgen, Annabelle und Gaßner, Hubertus (Hg.) (2007): Helene Schjerfbeck. 1862 - 1946. Autoren: Leena Ahtola-Moorhouse ; Annabelle Görgen ; Uwe M. Schneede. Deutsche Ausgabe. Übers.: Angela Plöger ; Gabriele Haefs. München. Hirmer. ISBN 3-7774-3405-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Sello, Gottfried (1988): Malerinnen aus fünf Jahrhunderten. Hamburg. Ellert & Richter. ISBN 3-89234-077-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Weiterführende Literatur
Ahtola-Moorhouse, Leena (1992): Helene Schjerfbeck. Finlands modernist rediscovered. Ausstellungskatalog. Text engl. Helsinki. Finnish National Gallery Ateneum. ISBN 951-47-6218-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Ahtola-Moorhouse, Leena (2002): And nobody knows what I'm like. Helene Schjerfbeck's self-portraits 1878 - 1945. (=Ja kukaan ei tiedä millainen olen. Helene Schjerbeckin Omakuvat 1878-1945) Helsinki. Art Publ. (Kustannusosakeyhtiö Taide) ISBN 951-608-046-4. (WorldCat-Suche)
Bergström, Lea (Hg.) (2002): Helene Schjerfbeck. Taikavuorella - muutoksen vuodet 1902 - 1925. Ausstellungskatalog. Helsinki. Söderström. ISBN 951-0-26409-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bergström, Lea und Cedercreutz-Suhonen, Sue (Hg.) (2004): Helene Schjerfbeck. Malleja, modeller, models. English text: Roderick Dixon. Unter Mitarbeit von Roderick Dixon. Helsinki. Söderström. ISBN 951-0-28388-6. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Beuys, Barbara. 2016. Helene Schjerfbeck: Die Malerin aus Finnland: Vom Wunderkind zur Meisterin der Moderne. Berlin. Insel.
Holger, Lena (1995): Helene Schjerfbeck – teckningar och akvareller. Ausstellungskatalog. Helsingfors. Söderström. ISBN 951-52-1506-4. (WorldCat-Suche)
Konttinen (1998): Rendezvous Paris. Schleswig-holsteinische und finnische Künstlerinnen um 1900. Heide. Boyens. (Kataloge der Museen in Schleswig-Holstein, 38) ISBN 3-8042-0812-6. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Pagé, Suzanne und Andral, Jean-Louis (Hg.) (1998): Lumière du monde, lumière du ciel. Akseli Gallen-Kallela, Helene Schjerfbeck, Carl Fredrik Hill, August Strindberg, Edvard Munch. Ausstellungskatalog. Musée d'Art Moderne; Exposition Paris. Musées de la Ville de Paris. ISBN 2-87900-384-9. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Sello, Gottfried (2004): Malerinnen aus vier Jahrhunderten. 5. Aufl. Hamburg. Ellert & Richter. (Edition Ellert & Richter) ISBN 3892345252. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Virta, Tove; Ingman, Anne (2010): Hon drog sina streck. Vi minns henne – Helene Schjerfbeck i Västnyland. Karis. Västnyländska Kultursamfundet. (Västnyländska kultursamfundets skrifter, 11) ISBN 9789519636481. (WorldCat-Suche)
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