Fembio Specials Berühmte Niederländerinnen Helene Kröller-Müller
Fembio Special: Berühmte Niederländerinnen
Helene Kröller-Müller
geboren am 11. Februar 1869 in Horst an der Ruhr (Essen)
gestorben am 14. Dezember 1939 in Otterloo (NL)
deutsch-niederländische Kunstsammlerin, Mäzenin und Museumsdirektorin
85. Todestag am 14. Dezember 2024
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Helene Kröller-Müller war die treibende Kraft hinter dem niederländischen Kröller-Müller-Museum für moderne Kunst. Ab 1907, inspiriert vom Hagener Folkwangmuseum (heute das Hohenhaus, Osthaus Museum Hagen), verwirklichte sie schrittweise ihr Lebensziel: das Zusammentragen eines Kunstschatzes, den sie als Unternehmerfrau dem niederländischen Staat schenken wollte. 1922 zählte die Sammlung 11500 Kunstwerke, darunter viele Großmeister: Renoir, Monet, Rodin, Seurat, Picasso, Bracque, Toorop, Mondriaan, u.v.m. Das Herz ihrer Sammlung aber ist die Kollektion von 90 Gemälden und 180 Zeichnungen Vincent van Goghs. Der Schlüssel zum Erfolg war ihr Vermögen, aber ohne ihren philosophischen Geist und ihre Liebe zur Kunst wäre sie nie so weit gekommen. ‚Ihr‘ Museum befindet sich seit 1938 im ausgedehnten Naturschutzgebiet De Hoge Veluwe, damals noch weit entfernt von Großstadt und Autobahn.
Helene Müller wurde in Horst bei Essen geboren und wuchs in Düsseldorf auf. Ihr Vater leitete die Firma W. Müller & Co., ein Schifffahrts- und Handelsunternehmen in Düsseldorf. Sie interessierte sich bereits früh für Literatur und Philosophie, wurde aber für die Aufgabe vorbereitet, einen Kaufmannshaushalt zu führen. Als sie 18 Jahre alt war, heiratete sie auf Drängen ihres Vaters den jungen Geschäftsmann Anton Kröller (1862-1941), Mitarbeiter in der Rotterdamer Nebenstelle von Müller & Co., und zog nach Rotterdam. Das Jawort der pflichtbewussten jungen Frau hatte zufolge, dass ihr Ehepartner 25% der Aktien Müller & Co erwarb und der Betrieb ihres Vaters gerettet war. Die Kröller-Müllers bekamen vier Kinder. Das Schicksal wollte, dass Anton innerhalb von zwei Jahren die Führung von Müller & Co. übernahm. Die Firma wurde in die Niederlande verlegt und entwickelte sich unter seiner Führung zu einem börsennotierten Transport- und Industriekonzern. Vor allem während des Ersten Weltkrieges erwirtschaftete er große Gewinne durch Handel mit Kohlen und Getreide. Helene verfügte über ein eigenes Vermögen, mit dem sie neben Anton für die Firma haftete. Zum größten Teil finanzierte Müller & Co. ihre Ankäufe.
Die Sammlung
1905 lernte Helene Kröller-Müller über ihre Tochter den Kunstpädagogen Henk Bremmer kennen. Sie nahm an seinem Kurs Praktische Ästhetik und Kunstbetrachtung teil. Für die nach dem tieferen Sinn des Lebens suchende Helene war es wie eine Offenbarung. Zusammen mit Bremmer fing sie an, in Amsterdam, Berlin, Frankfurt und Paris gezielt Kunst zu sammeln. Ihrem Sammeltrieb lag keine Laune, sondern eine innovative Idee zugrunde: in einer industrialisierten Welt bietet Kunst noch den Schlüssel zu einer spirituellen Erfahrungswelt, weil sie der seelischen Welt, der Lebenskraft des Künstlers Ausdruck verleiht. “Geist und Materie bilden eine Einheit”, so ihr Lebensmotto. Sie fand diese Einheit bei vielerlei Künstlern in unterschiedlichen Epochen und Kulturen: von der Renaissance über das Goldene Jahrhundert der Niederlande bis in die Moderne Zeit, und in der ostasiatischen Kunst. Am stärksten hatte sie diese Erfahrung bei van Goghs Gemälden. Ihre Sammlung sollte so zusammengestellt werden, dass eine exemplarische Übersicht der bildenden Künste von 1850 bis zirka 1923 entstand, die auch zukünftig noch der Kritik standhalten würde. Bei allem was sie sammelte, bevorzugte sie französische und niederländische Malerei: Realisten, Impressionisten, Neo-Impressionisten, Symbolisten, Kubisten und Abstrakte. Um 1922 zeigt ihre Sammlung eine wichtige Bruchlinie der Kunstgeschichte: vom Realismus bis zur abstrakten Malerei. Hatte sie von 1907 bis 1919 für 1,2 Millionen Gulden Kunstschätze gekauft, betrug der Wert ihrer Sammlung am Ende des Ersten Weltkrieges bereits das Vierfache.
Das Gebäude
Ihr erster Ausstellungsraum befand sich ab 1913 in der Geschäftsstelle von Müller & Co. in Den Haag. Kröller-Müller machte von Anfang an effektiv Werbung durch Auftritte, eine Buchpublikation, Werbeplakate, Präsentationen und Ausstellungskataloge. Sie kooperierte sowohl mit KünstlerInnen als auch mit der Volkshochschule der Stadt Den Haag (ab 1916) und mit der niederländischen Eisenbahngesellschaft. Zudem war sie auf der europäischen Bühne durch Leihgaben von van Goghs Malerei an belgische, deutsche und österreichische Museen aktiv.
Es war ihr Traum, für die Kollektion ein perfektes Museumsgebäude entwerfen und bauen zu lassen: ein Gebäude in ruhiger und geradliniger Form inmitten unberührter Natur, zum Beispiel in den Dünen in der Nähe von Den Haag. Sie kooperierte diesbezüglich und über eine lange Zeitspanne mit international angesehenen modernen Architekten wie dem Niederländer HP Berlage und dem Belgier Henry van de Velde. Anton Kröller erwarb zwar ein großes Jagd- und Reitgebiet (Landgut De Hoge Veluwe) im Osten der Niederlande, das sie vollkommen fand, aber Helene Kröller-Müllers architektonische Vorstellungen für ein Museum waren finanziell kaum darstellbar. Als es für Müller & Co in den zwanziger Jahren finanziell bergab ging, wurde Kröller-Müllers Kollektion in einer Stiftung untergebracht und 1937 dem niederländischen Staat übergeben unter der Bedingung, dass die Sammlung ein eigenes Gebäude bekäme. Das Landgut De Hoge Veluwe wurde in eine privaten Stiftung eingebracht und anschließend zu einem nationalen Naturpark umgewandelt. Dort, in diesem ausgedehnten Wald- und Heidegebiet wurde 1938 das Rijksmuseum Kröller-Müller eröffnet. Helene Kröller-Müller wurde die erste weibliche Museumsdirektorin der Niederlande.
(Text von 2020)
Verfasserin: Barbara C. de Jong
Literatur & Quellen
Publikationen von Helene Kröller-Müller:
Helene Kröller-Müller, Beschouwingen over problemen in de ontwikkeling der moderne schilderkunst. Amsterdam, 1925: U.M. Holland.
Helene Kröller-Müller, Die Entwicklung der modernen Malerei. Ein Wegweiser für Laien. Leipzig, 1927: Klinkhardt & Biermann.
Sekundärliteratur:
Wim Alings (Hrsg.), Het bewaarde landschap. Het nationale park de Hoge Veluwe 1935-1985. Nijmegen, 1985: Thieme.
Hildelies Balk, ‘De freule, de professor, de koopman en zijn vrouw. Het publiek van H.P. Bremmer’. In: Jong Holland. Tijdschrift voor kunst en vormgeving na 1850, 1993, S. 2-24.
Ariette Dekker, Paper- Biography of Anton Kröller: https://www.erim.eur.nl/fileadmin/erim_content/documents/Anton_Kroeller_-_paper… (abgerufen am 14.04.2020).
Sam van Deventer, Kröller-Müller. De geschiedenis van een cultureel levenswerk. Haarlem, 1956: Tjeenk Willink.
Rens Oving:
http://resources.huygens.knaw.nl/vrouwenlexicon/lemmata/data/Muller (abgerufen am 14.04.2020).
R.W.D. Oxenaar, ‘De verzameling van het museum’. In: Wim Alings (Hrsg.), Het bewaarde landschap. Het nationale prak de Hoge Veluwe 1935-1985. Nijmegen, 1985.
Eva Rovers, De eeuwigheid verzameld. Helene Kröller-Müller (1869-1939) Amsterdam, 2012: Bert Bakker.
Elly Stegeman, ‘Bremmer, Van Gogh en de praktische esthetica’. In: Jong Holland. Tijdschrift voor kunst en vormgeving na 1850, 1993, S.37-48.
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