Fembio Specials Philosophinnen Harriet Taylor Mill
Fembio Special: Philosophinnen
Harriet Taylor Mill
(Harriet Hardy [Geburtsname]; Harriet Taylor)
geboren am 8. Oktober 1807 in London
gestorben am 3. November 1858 in Avignon
englische Philosophin, Feministin und Sozialistin
165. Todestag am 3. November 2023
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Harriet Taylor Mill und John Stuart Mill gehören zu den radikalsten feministisch-politischen DenkerInnen des 19. Jahrhunderts. Ihre Ideen zur Frauenemanzipation und zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen sind – leider – bis heute aktuell. Am radikalsten aber war wohl, dass sie ihre Ideen in die Tat umsetzten und dabei ein philosophisches Gemeinschaftswerk schufen.
Harriet Hardy heiratete 1826, mit achtzehn Jahren, den elf Jahre älteren wohlhabenden Kaufmann John Taylor. Die beiden hatten drei Kinder: Herbert, Algernon und Helen. Die ersten Ehejahre waren glücklich, aber um 1830 trat eine Entfremdung ein. Etwa um dieselbe Zeit lernte Harriet Taylor den jungen Philosophen John Stuart Mill kennen und lieben. Die beiden pflegten bis zum Tod John Taylors 1849 eine intensive platonische Beziehung und heirateten 1851. Harriet Taylor hatte sich 1834 von ihrem Mann getrennt, er finanzierte weiter ihren Lebensunterhalt; die Tochter Helen wuchs bei ihr auf, die Söhne beim Vater. Eine Ehescheidung war damals nahezu unmöglich.
Von den vielen Gründen, die in der Forschung für Johns „Großmütigkeit“, Harriets „Abkühlung“ und den platonischen Charakter der Liebe zwischen Harriet und John Stuart Mill angegeben werden, scheint mir die These der Harriet-Taylor-Mill-Forscherin Jacobs am plausibelsten: John hatte Harriet mit Syphilis angesteckt. Seine Ärzte hatten ihm gesagt, er könne seine Frau damit nicht infizieren. Er tat nun alles, um seine „Schuld“ abzutragen und Harriets Leben zu erleichtern. Dazu gehörte auch die Duldung der nach viktorianischen Maßstäben unerhörten Beziehung zu John Stuart Mill.
Harriet jedenfalls begann, nachdem ihre Ehe für sie zu Ende war, eine ganz ungewöhnliche Karriere als radikale feministische Denkerin im Dialog mit dem ebenso radikalen und brillanten John Stuart Mill. Die beiden entwickelten ihre Ideen zur Frauenfrage (Enfranchisement of Women, 1851; The Subjection of Women, 1859), zur politischen Ökonomie (Principles of Political Economy, 1848) und zur Freiheit (On Liberty, 1869) gemeinsam in einem intellektuellen Dauerfeuer. Die Ergebnisse ihrer Denkarbeit erschienen überwiegend unter seinem Namen, weil ihnen dadurch mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit gewiss war. (George Eliot, George Sand und die Schwestern Bronte veröffentlichten ihre radikalen Werke um dieselbe Zeit unter männlichem Pseudonym).
Bis heute weigert sich allerdings die John-Stuart-Mill-Forschung, dem Philosophen zu glauben und Harriet Taylor Mills Koautorschaft anzuerkennen; es heißt, die (unerfüllte) Liebe und Harriets Verführungskunst habe ihn blind gemacht. Entgegen seinen Beteuerungen sei Harriet nicht die große Denkerin gewesen, der er die radikalsten seiner Ideen verdankte. Die Harriet-Taylor-Mill-Forschung hingegen konnte nachweisen, dass der große Philosoph auch in dieser Hinsicht ernst zu nehmen ist. Viele seiner Ideen stammen tatsächlich von ihr.
(Text von 2006)
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
Marriage is the only contract ever heard of, of which a necessary condition in the contracting parties, was that one should be entirely ignorant of the nature and terms of the contract. For owing to the voting of chastity as the greatest virtue of women, the fact that a woman knew what she undertook would be considered just reason for preventing her undertaking it.
(Helen Taylor in einem nicht veröffentlichten Essay über die Ehe 1831, Quelle)
Obgleich es nach meiner Einführung Jahre anstand, ehe meine Bekanntschaft mit Mrs. Taylor eine vertrauliche wurde, fühlte ich doch sehr bald, dass sie die bewundernswürdigste Person war, mit der ich je in Berührung gekommen war … Für ihren äußeren Kreis war sie die geistvolle Schönheit mit einem Zug von natürlicher Distinktion, der von allen gefühlt wurde, welche ihr nahe kamen, für den inneren ein Weib von tiefem, starkem Gefühl, einem eindringenden, schnell auffassenden Verstand und hervorragend beschaulichem, poetischem Wesen.
(John Stuart Mill in seiner Autobiografie 1874, Quelle)
To the beloved memory of Harriet Mill the dearly loved and deeply regretted wife of John Stuart Mill. Her great and loving heart, her noble soul, her clear, powerful, original and comprehensive intellect, made her the guide and support, the instructor in wisdom, and the example in goodness as she was the sole earthly delight of those who had the happiness to belong to her. As earnest for all public good as she was generous and devoted to all who surrounded her, her influence has been felt in many of the greatest improvements of the age and will be in those still to come. Were there even a few hearts and intellects like hers the earth would already become the hoped for heaven. She died, to the irreparable loss of those who survive her, at Avignon Nov. 3 1858.
(Inschrift auf Harriet Taylor Mills Grabstein, Quelle)
Links
Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung (2023).
Online verfügbar unter https://www.htmi.hwr-berlin.de/, zuletzt geprüft am 17.10.2023.
Claudia Mäder (2020): Harriet Taylor Mill: Die Feministin dachte Freiheit konsequent. In: Neue Zürcher Zeitung, 13.08.2020.
Online verfügbar unter https://www.nzz.ch/feuilleton/harriet-taylor-mill-die-feministin-dachte-freiheit-konsequent-ld.1571020, zuletzt geprüft am 17.10.2023.
Karlsruher Institut fuer Technologie (2023): Über die Freiheit: Harriet Taylor Mill offenbar Mitautorin.
Online verfügbar unter https://www.kit.edu/kit/pi_2022_013_ueber-die-freiheit-harriet-taylor-mill-offenbar-mitautorin.php, zuletzt geprüft am 17.10.2023.
Miller; E., Dale (2002): Harriet Taylor Mill (Stanford Encyclopedia of Philosophy). Leben und Werk, Bibliografie, Links.
Online verfügbar unter http://plato.stanford.edu/entries/harriet-mill/, zuletzt geprüft am 17.10.2023.
Wikipedia: Harriet Taylor Mill.
Online verfügbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Harriet_Taylor_Mill, zuletzt geprüft am 17.10.2023.
Literatur & Quellen
Quellen
Banks, Olive (1985): The biographical dictionary of British feminists. Band 1: 1800 – 1930. New York. New York Univ. Press. ISBN 08147107861.
(Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Duran, Jane (2006): Eight women philosophers. Theory, politics, and feminism. Urbana, Ill. Univ. of Illinois Press. ISBN 0252030222.
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Hayek, Friedrich August von; Mill, John Stuart et al. (1969): John Stuart Mill and Harriet Taylor. Their friendship and subsequent marriage. Reiss. London. Routledge & Paul.
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Jacobs, Jo Ellen (2002): The voice of Harriet Taylor Mill. Bloomington Ind. Indiana Univ. Press.
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Jacobs, Jo Ellen und Payne, Paula Harms (Hg.) (1998): The complete works of Harriet Taylor Mill. (=Works) Bloomington. Indiana UP. ISBN 0253333938.
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Mill, John Stuart; Mill, Harriet Taylor et al. (1976): Die Hörigkeit der Frau und andere Schriften zur Frauenemanzipation. Herausgegeben und mit einer Einleitung von Hannelore Schröder. Frankfurt am Main. Syndikat. ISBN 3810800090.
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Rose, Phyllis (1984): Parallele Leben. Fünf viktorianische Ehen. Reinbek. Rowohlt. 1987 (rororo neue frau, 5857) ISBN 3499158574.
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Spender, Dale (1983): Women of ideas and what men have done to them. From Aphra Behn to Adrienne Rich. London. Ark. (Ark paperbacks) ISBN 074480003X.
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Weiterführende Literatur
Bodkin, Ronald G. (1999): Women's agency in classical economic thought - Adam Smih, Harriet Taylor Mill, and J. S. Mill. Dedicated to the memory of Michèle A. Pujol. In: Feminist economics, Jg. 5, 1. . S. 45–60. Online unter http://www.informaworld.com/smpp/content~content=a713767184~db=all
Gronert, Anka (Hg.) (2001): Frauen in der Ökonomie. Die Anfänge in England. Enthält: „Harriet Taylor Mill (1807-1858)“ von Eva Schmoly. Marburg. Metropolis-Verl. ISBN 9783895183478.
(Suche in Almuts Buchhandlung | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Mill, Harriet Taylor; Mill, John Stuart (1983): Enfranchisement of women and The Subjection of Women. New introduction by Kate Soper. London. Virago. ISBN 0860684458.
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Mill, John Stuart; Mill, Harriet Taylor (1970): Essays on sex equality. Edited and with an introductory essay by Alice S. Rossi. Sentiment and intellect; the story of John Stuart Mill and Harriet Taylor Mill, by A. S. Rossi.—Early essays on marriage and divorce (1832) by J. S. Mill and H. Taylor.—Enfranchisement of women (1851) by H. T. Mill.—The subjection of women (1869) by J. S. Mill. Chicago. Univ. of Chicago Pr. ISBN 0226525465.
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Mill, John Stuart; Mill, Harriet Taylor (1984): Essays on equality, law, and education. Herausgegeben von John M. Robeson. Mit einer Einführung von Stefan Collini. Toronto, Buffalo, London. University of Toronto Press; Routledge & K. Paul. (Collected works of John Stuart Mill) ISBN 0802056296.
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Mulvey Roberts, Marie und Mizuta, Tamae (Hg.) (1993): The Disenfranchised. The fight for the suffrage. Reprint. Enthält: The enfranchisement of women [1851] von Harriet Taylor und Women's suffrage : a record of the women's suffrage movement in the British isles [1902] von Helen Blackburn. London. Routledge/Thoemmes Press. (Sources of British Feminism (insgesamt 6 Bücher in einer Box)) ISBN 0415101646.
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Pappe, H. O. (1960): John Stuart Mill and the Harriet Taylor Myth. Parkville. Melbourne Univ. Press. (The Australian National University, Social Science Monograph, 19)
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Pyle, Andrew (Hg.) (1995): The subjection of women. Contemporary responses to John Stuart Mill. Bristol. Thoemmes Press. (Key issues, 6) ISBN 185506409X.
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Waithe, Mary Ellen (1987): A history of women philosophers. Volume III: 1600-1900, Modern Women Philosophers. Dordrecht. Kluwer. ISBN 0792328086.
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Bildquellen
- http://de.wikipedia.org/wiki/Harriet_Taylor_Mill
- http://summerschool.harriet-taylor-mill.de/
- http://www.spartacus.schoolnet.co.uk/Wtaylor.htm
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