Fembio Specials Frauenbeziehungen Hannah Höch
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Hannah Höch
((Anna Therese Johanne Höch [eigentlicher Name], Hanna(h) Matthies-Höch [Ehename]))
geboren am 1. November 1889 in Gotha
gestorben am 31. Mai 1978 in Berlin-Heiligensee
deutsche Malerin, Graphikerin und Collagekünstlerin der Dada-Bewegung
135. Geburtstag am 01. November 2024
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Als ältestes von fünf Kindern wuchs Hannah Höch in behüteten bürgerlichen Verhältnissen auf. Ihr Vater Friedrich Höch war Generalagent einer Versicherung, ihm half sie bei der Gartenarbeit. Ihre Mutter Rosa Höch, geb. Sachs, hatte vor ihrer Eheschließung bei adeligen Damen als Haushaltsvorsteherin und Vorleserin gearbeitet. Sie malte und förderte auch bei ihrer Tochter die Freude am Malen und Zeichnen. Bildung gehörte zum guten Ton in der Familie, dennoch musste Hannah Höch bereits mit 15 Jahren die Höhere Töchterschule verlassen: Die Eltern brauchten sie als Kindermädchen für die jüngste Schwester bis zu deren Einschulung. Erst 1912 konnte Höch nach Berlin ziehen, wo sie ihre Ausbildung an der privaten Kunstgewerbeschule in Charlottenburg begann. Dort besuchte sie die Klasse für Gestaltung von Harold Bengen. 1915 wechselte sie an die Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums und ging dort in die Klasse für Graphik und Buchkunst von Emil Orlik.
Über ihre Jugendfreundin und Studienkollegin Maria Unden hatte sie erste Kontakte zum expressionistischen Künstlerkreis „Der Sturm“.
Ihr Ziel war es, neue Tendenzen in der Kunst in den Bereich der Formgestaltung zu übertragen. Als Künstlerin sollte sie sich dann auch weiterhin für ornamentale Strukturen von Stoffen und Stickereien interessieren. Grundlage für ihre Kunstwerke waren oft Zeitungsausschnitte. Zu diesen hatte sie guten Zugang, da sie ab 1916 für drei Tage in der Woche eine Stelle als Illustratorin von Handarbeitsheften bei Ullstein hatte, zu der Zeit einer der größten Verlage Deutschlands. Diese Arbeit bot ihr ein regelmäßiges Einkommen. Sie arbeitete dort zehn Jahre, bis sie in die Niederlande zog.
1915 lernte sie den Künstler Raoul Hausmann kennen, mit dem sie, obwohl er bereits verheiratet war und sich auch nicht scheiden lassen wollte, eine siebenjährige Liebesbeziehung verband. Über ihn lernte sie die KünstlerInnen der Berliner Dada-Bewegung kennen. Auf seinen Wunsch, ihr Bedürfnis nach einer monogamen Beziehung aufzugeben und mit ihm ein gemeinsames Kind zu haben, ließ sie sich nicht ein. Es war eine sehr schwierige Beziehung, da Hausmann ständig versuchte, Höch nach seinen Bedürfnissen zu erziehen, jedoch vergeblich.
Ihren ersten künstlerischen Erfolg erzielte Höch 1917, als ihr Holzschnitt „Prophet Matthäus“ in der Zeitschrift „Das Kunstblatt“ veröffentlicht wurde. Ab 1918 entstanden ihre ersten Fotomontagen, für die sie später berühmt wurde. Die Dadaisten radikalisierten die Infragestellung traditioneller künstlerischer Materialien, indem sie neben Schriftelementen auch Fotografien in ihre Arbeiten integrierten. An den späteren Hahnenkämpfen, wer denn nun genau die Fotomontage erfunden habe, hat Höch sich nicht beteiligt. Sie hatte sich bereits während ihrer Ausbildung mit dem Verfahren der Collage beschäftigt. Das erste von ihr bekannte Klebebild ist „Weiße Wolke“ von 1916. Sie fing an, sich mit den gängigen Rollenklischees ihrer Zeit auseinanderzusetzen und die Geschlechterbilder in der Gesellschaft in ihrer Arbeit zu thematisieren. Ihre Fotomontagen stellen eine Art weiblichen Gegenentwurf zum Dada dar, immer wieder wird sich Höch mit dem Typus der „Neuen Frau“ in ihrem Werk auseinandersetzen. Sie montierte Frauenbilder zusammen, überspitzte sie und dekonstruierte damit gleichzeitig die gängigen Geschlechter-Klischees. Außerdem finden sich scharfsinnige Analysen der Alltagskultur ihrer Zeit wieder; ihre Stärke lag in der subtilen Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Entwicklungen. Häufig benutzte sie Bilder bekannter Persönlichkeiten, die leicht für alle zu erkennen waren, um auf das politische Tagesgeschehen der Weimarer Republik anzuspielen.
Ab 1918 war Hannah Höch in der Novembergruppe organisiert und nahm mit ihren Arbeiten an deren Ausstellungen teil. Bei der „Ersten Internationalen Dada-Messe“ 1920 in Berlin präsentierte sie zwei ihrer Dada-Puppen, die aus verschiedenen Textilien, Karton und Perlen gefertigt waren. Wie die Puppen eine Sonderrolle auf der Messe hatten, so hatte Höch auch eine Außenseiterinnenposition im Kreise der Berliner Dadaisten.
Zwischen 1919 und 1920 entstand ihr heute bekanntestes Werk „Schnitt mit dem Küchenmesser Dada durch die letzte weimarer Bierbauchkulturepoche Deutschlands“, das sich heute in der Berliner Nationalgalerie, befindet.
Das Ende der Beziehung mit Hausmann war für Höch eine Art Befreiungsschlag. Es warf sie zwar auf sich selber zurück, aber genau dadurch war sie in der Lage, den Kontakt zu befreundeten KünstlerInnen zu intensivieren, wie z.B. zu Kurt Schwitters, Hans Arp und Sophie Taeuber, und viel zu arbeiten. Ihre Fotomontage „Meine Haussprüche“ gilt als Abschiedsbild von ihrer ersten Liebe wie auch von der Dada-Bewegung. Über ihre Freundschaft mit Kurt Schwitters lernte sie die Mitglieder der niederländischen Avantgarde-Kunstbewegung „De Stijl“ kennen, dessen Hauptvertreter Theo van Doesburg war. Mit ihm sowie mit seiner Frau, der Pianistin Nelly van Doesburg, war Höch über lange Jahre eng befreundet.
Als Hannah Höch 1926 auf Einladung von Schwitters in die Niederlande fuhr, war dies nur als Urlaub geplant, aber sie blieb die nächsten drei Jahre dort, denn sie lernte ihre neue große Liebe, die niederländische Schriftstellerin und Übersetzerin Til Brugman kennen, mit der sie die nächsten neun Jahre ihres Lebens teilte. Während sie in den Niederlanden lebte, nahm Höch auch weiterhin an Ausstellungen in Deutschland teil, aber auch an Ausstellungen von „De Onafhankelijke“, einer niederländischen Künstlervereinigung. Ab 1929 hatte sie zudem ihre ersten Einzelausstellungen. Sie arbeitete zu dieser Zeit mit verschiedenen Techniken und experimentierte mit verschiedenen Stilrichtungen. In den Gruppenausstellungen der „Onafhankelijken“ waren vor allem Gemälde von ihr zu sehen.
Ende 1929 zogen die beiden Frauen zusammen nach Berlin in Höchs alte Atelierwohnung. Sie inspirierten sich immer wieder gegenseitig und arbeiteten zusammen; so entstanden auch zwei gemeinsame Veröffentlichungen: Von Hollands Blumenfeldern (Atlantis. Länder/Völker/Reisen, Heft 7, Juli 1933) und Scheingehacktes, mit Grotesken von Til Brugman und Zeichnungen von Hannah Höch. Für beide gehörten diese gemeinsamen Berliner Jahre zu den schaffensreichsten ihres Lebens.
Hannah Höch beteiligte sich 1931 an der Ausstellung „Frauen in Not“, die eine breite gesellschaftliche Ablehnung des Paragraphen 218 deutlich machen sollte, bei der Käthe Kollwitz eine zentrale Rolle spielte und auch die Eröffnungsrede hielt. Im gleichen Jahr beteiligte sich Höch an der Ausstellung „Fotomontage“, bei der Fotomontagen zum ersten Mal als autonome künstlerische Gattung anerkannt wurden.
Neben dem Interesse an zeitgenössischer Kunst verstärkte sich Höchs Interesse an „primitiver“ Kunst, was seinen Niederschlag in ihrer Werkgruppe „Aus einem ethnographischen Museum“ findet und bei ihr außerdem zum Hinterfragen europäischer Definitionen von Weiblichkeit führte.
Eine wichtige Einnahmequelle in dieser Zeit ist für Höch die Arbeit für einen befreundeten niederländischen Verleger, Anthony Bakels, der bis Ende der 1930er Jahre einen Berliner Zeitschriftenverlag hatte. Für ihn gestaltete sie Buchumschläge und Zeitungs-Illustrationen.Sie nahm zu dieser Zeit auch an internationalen Ausstellungen teil, so wurden ihre Werke u.a. aus Belgien und den USA angefragt.
Bereits vor der Machtübernahme Hitlers 1933 hatten zahlreiche FreundInnen von Höch und Brugman Deutschland verlassen und waren ins Ausland gegangen. Viele von ihnen nahmen sie immer wieder für Dienste im Land in Anspruch. Höch und Brugman überlegten sich auch immer wieder nach Paris zu gehen, wovon sie aber letztendlich absahen. An ihren in dieser Zeit entstandenen Bildern wird deutlich, dass Hannah Höch mit sehr unterschiedlichen Arbeiten auf die neue politische Situation reagierte; ihr Spektrum reichte dabei von Ironie bis zu melancholischer Symbolik. Die Teilnahme an Ausstellungen ging allerdings stark zurück und brach bis 1945 fast ganz ab.
1934 musste sich Höch einer schweren Schilddrüsenoperation unterziehen. Seitdem hatte sie immer wieder gesundheitliche Probleme. Auf einer Erholungsreise in den Dolomiten im nächsten Jahr lernte sie den Handelsreisenden Kurt Heinz Matthies kennen. Aus dieser Bekanntschaft wurde nach ihrer Trennung von Til Brugman 1936 eine Beziehung, 1938 heirateten die beiden. Einerseits konnten sie ihren gemeinsamen Reisehunger durch zahlreiche Reisen ausleben, bei denen Matthies seiner Arbeit nachging, während Höch Museen besuchte, andererseits aber war diese Beziehung durch Matthies schwer vorbelastet: Er wurde wegen gewohnheitsmäßigem Exhibitionismus steckbrieflich gesucht und letztendlich auch zu einem Jahr Haft und „Entmannung“, die er freiwillig angeboten hatte, verurteilt. Höch unterstützte ihn zwar intensiv, sah sie sein Verhalten doch als krankhaft an, gleichzeitig reagierte sie aber auch mit Krankheit auf diese sie extrem belastende Situation.
Nach ihrer Heirat erfolgte der nächste Schlag. Die Ausstellung „Entartete Kunst“, eine monumentale Propagandaschau der Nationalsozialisten, die seit 1937 in verschiedenen Städten in Deutschland gezeigt wurde, stellte einen Angriff auf nahezu alle bekannten Künstler der Moderne und Avantgarde der 1910er und 1920er Jahre dar, sowie auf die Museumspolitik der vergangenen Jahre. Werke von Frauen waren darin kaum vertreten, so auch nicht von Hannah Höch, wenn auch die Werke der Novembergruppe ausgestellt waren. Die Ausstellung basierte auf dem Buch von Wolfgang Willich „Säuberung des Kunsttempels. Eine kunstpolitische Kampfschrift zur Gesundung deutscher Kunst im Geiste der nordischen Art“, in der er erläutert, inwiefern die genannten Werke „kulturbolschewistisch“, „entartet“ und „krank“ seien. In diesem Buch wird bei der Novembergruppe – anders als in der Ausstellung – nicht nur ihr Name genannt, sondern auch ein Werk von Hannah Höch abgebildet.
So versuchte sie während der NS-Zeit möglichst unauffällig zu leben, ohne jedoch dabei ihre eigene Gesinnung aufzugeben. Mitglied der Reichskulturkammer musste sie dennoch werden, um überhaupt Material für ihre Arbeit beschaffen zu können. Zweierlei gab ihr in dieser Zeit Kraft: Zum einen sah sie ihre Bibliothek als geistige Lebensretterin und zum anderen gab ihr der englische Rundfunk, den sie regelmäßig hörte, die Kraft zum Durchhalten. In dieser Zeit sind zahlreiche symbolisch geladene Bilder entstanden, vor allem thematisieren diese immer wieder den Lebensweg. Aber auch zahlreiche Blumen- und Pflanzenstillleben entstanden in den Jahren zwischen 1933 und 1944, Naturdarstellungen überwiegen in ihrem malerischen Werk dieser Zeit, vermutlich weil sie damit am wenigsten Risiken einging, als politisch verdächtig zu gelten. Die letzte Gruppenausstellung, an der sie sich beteiligte, war „Deutsche Frauenkunst der Gegenwart“ 1936 in Mannheim.
1939 kaufte sich Hannah Höch ein Haus im Berliner Stadtteil Heiligensee, weit weg vom Zentrum der Stadt, das ihr als Rückzugsort bis Kriegsende diente. Wichtig war ihr dabei auch der Garten, der ihr in den nächsten Jahren Lebensenergie gab und auch für Nahrung sorgte. Nun hatte sie auch wieder den Platz, um ihr Zeitschriftenarchiv zu durchforsten und begann im Herbst 1940 wieder mit ersten Fotomontagen und Collagen. Zwei Jahre später kam es zur Trennung von Matthies, von dem sie sich 1944 scheiden ließ. In diesem Haus bewahrte sie auch zahlreiche Kunstschätze und Dokumente aus der Dada-Zeit und den 1920er Jahren auf, die dadurch die Bombardierung Berlins überstanden.
In der Zeit von 1940 bis 1945 entstand die Gruppe der Notzeitbilder, zu denen fünfzehn Aquarelle, Gouachen und Ölbilder gerechnet werden.
Nach dem zweiten Weltkrieg stürzte Hannah Höch sich gleich mit viel Energie ins Berliner Kulturleben. Sie beteiligte sich am Wiederaufbau der Bildungsarbeit und hielt Vorträge über „Frauen und Kunst“. Sie hatte das Gefühl, „nachholen“ zu müssen, was sie in den vergangenen Jahren nicht hatte arbeiten können. Hierbei stützte sie sich auf Zeichnungen, die während ihrer zahlreichen Reisen entstanden waren und setzte diese z.B. in Aquarelle um.
Sie wurde Mitglied im Kulturbund, der von Kulturpolitikern aller politischen Lager mit dem Ziel gegründet worden war, Deutschland kulturell zu erneuern, und beteiligte sich auch an dessen Ausstellungsprojekten. Ab 1946 nahm sie auch an Gruppenausstellungen der Berliner Galerie Gerd Rosen teil; durch die Ausstellung ihrer Werke im Museum of Modern Art (MoMA) in New York 1948 wurde sie auch in den USA verstärkt wahrgenommen.
Einzelretrospektiven der Werke von Hannah Höch gab es z.B. 1971 in der Berliner Akademie der Künste, 1976 im Musée d´Art Moderne de la Ville de Paris und in der Berliner Nationalgalerie. 1976 wurde Hannah Höch vom Berliner Senat mit einer Ehrenprofessur ausgezeichnet.
Hannah Höch starb am 31. Mai 1978 in Berlin. Sie bekam ein Ehrengrab auf dem Friedhof in Heiligensee.
Verfasserin: Doris Hermanns
Literatur & Quellen
Dech, Jula: Hannah Höch, in: Britta Jürgs (Hg.): Etwas Wasser in der Seife. Portraits dadaistischer Künstlerinnen und Schriftstellerinnen. Berlin 1999
Dech, Jula & Ellen Maurer (Hg): Da-da-zwischen-Reden zu Hannah Höch. Berlin 1991
Gagel, Hanna: Hannah Höch - „Meisterin der entschiedenen Mischung“, in: Hanna Gagel: So viel Energie. Künstlerinnen in der dritten Lebensphase. Berlin 2005 Höch, Hannah: Bilderbuch. Berlin 2008
Mourik, Ineke van & Myriam Everard (red.): Lust en gratie. Lesbisch cultureel tijdschrift, 19: Til Brugman Hannah Höch. Amsterdam 1988
Schweitzer, Cara: Schrankenlose Freiheit für Hannah Höch. Das Leben einer Künstlerin 1889-1978. Berlin 2011
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