Fembio Specials Künstlerinnen und Kunstförderinnen der GEDOK Grethe Jürgens
Fembio Special: Künstlerinnen und Kunstförderinnen der GEDOK
Grethe Jürgens
geboren am 15. Februar 1899 in Holzhausen bei Osnabrück
gestorben am 8. Mai 1981 in Hannover
deutsche Malerin und Grafikerin
125. Geburtstag am 15. Februar 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Grethe Jürgens, Tochter einer Lehrerfamilie, wuchs mit zwei Brüdern in Wilhelmshaven auf, wohin ihr Vater ein Jahr nach ihrer Geburt versetzt worden war. Nach dem Abitur ging sie zuerst nach Berlin, um an der Technischen Hochschule in Charlottenburg Innenarchitektur zu studieren, aber der Ausbruch der Revolution zwang sie nach einem Semester wieder zurück in die Heimatstadt.
1919 geht sie nach Hannover zum Studium an der Städtischen Handwerker- und Kunstgewerbeschule bei Prof. Burger-Mühlfeld. Hier beginnt sie in einem Kreis gleichgesinnter KünstlerInnen, für die Burger-Mühlfeld zur Vaterfigur wird, mit schnell hingeworfenen Skizzen das Studenten- und Kleinbürgermilieu festzuhalten.
Die jungen MalerInnen sind wegen der Nachkriegs-Wirtschaftsmisere noch ärmer als Studierende es ohnehin meist sind. Jürgens wohnt in einem “Hundestall”, so nennt sie selbst ihre Unterkunft, in der vor ihrem Einzug Rassehunde gezüchtet wurden. Über diese frühen Jahre berichtet sie: “Wir haben gearbeitet, wir haben gemalt. Wir waren oft zusammen ... Ich bin keine Weltfrau, bin nicht viel herumgereist. Wir saßen in Hannover und fühlten uns nicht als 'Neuerer', nur als etwas anders als die 'Expressionisten', die zu einer 'höheren Kunstrichtung' gehörten. Wir waren vulgäre Maler und malten auch keine eleganten Typen. … Wir waren einfach, hatten fast kein Geld, aber wir kamen zusammen und fuhren mit dem Fahrrad aufs Land.”
Grethe Jürgens war eng befreundet mit ihrer Studienkollegin Gerta Overbeck, und die frühen Arbeiten der beiden sind oft kaum zu unterscheiden. Doch ihre Wege trennten sich nach zehnjähriger Freundschaft, als Jürgens' Lebensgefährte, der Literat Gustav Schenk (von dem sie ein wunderbares Porträt gemalt hat), eine Verbindung mit Gerta Overbeck einging.
Aus finanziellen Gründen nahm Jürgens bis Ende der zwanziger Jahre eine Stelle als Werbezeichnerin bei den hannoverschen Hackethal Draht- und Kabelwerken an. Nicht gerade das, was eine Malerin sich erträumt! In diesen Jahren malte sie die Bilder, die sie bekannt machten: kühle, realistische Porträts ihrer Künstlerkollegen, harte Darstellungen der sozialen Umwelt und Menschen aus den “Hinterhöfen des Lebens”. Ihr bekanntestes Werk ist ein Zeitdokument, Menschen vor dem Arbeitsamt von 1929.
Während der Hitler-Diktatur konnte Grethe Jürgens keine Bilder mehr verkaufen und ernährte sich mühsam von Werbeaufträgen.
Von 1929 bis ins hohe Alter war sie eng mit der Geschichte der Künstlerinnen-Gemeinschaft der Gedok Hannover verbunden, in der sie noch in ihren letzten Jahren als geschätzte Jurorin aktiv tätig war. Ihr Spätwerk besteht aus ins Abstrakte gehenden zeichnerischen Arbeiten, in denen die Beziehung zum Figürlichen nie ganz aufgegeben wird.
Über ihr Privatleben hat Grethe Jürgens wenig mitgeteilt. Sie lebte 62 Jahre in Hannover, überwiegend in der Podbielskistr. 112 (heute 288). Gegen Ende seines Lebens nahm sie ihren Bruder Hans, einen Musiker, mit dem sie sich immer gut verstanden hatte, in ihre Wohnung und pflegte ihn bis zu seinem Tod. Ihre kleine Rente mußte nun auch noch für ihn reichen.
In den sechziger Jahren wurde die Neue Sachlichkeit wiederentdeckt. Grethe Jürgens gilt, mit Gerta Overbeck, als deren bedeutendste Vertreterin.
Verfasserin: Renate Rochner und Luise F. Pusch
Zitate
Es scheint mir eine barbarische Auffassung von Kunst zu sein, in ihr keine Verpflichtung, sondern nur ein Mittel zu größerer Bequemlichkeit und größerem Genuß zu sehen. Als geistige Schlagsahne wird die Kunst auf den Kulturpudding getan. Die Kunst ist der Mantel, mit dem man sich schmückt und wärmt, oder sie ist nur ein dekorativer Farbfleck an der Wand. In Wirklichkeit würde man ja viel mehr bereichert, wenn man sich zu einer ganz anderen Kunstbetrachtung entschließen könnte; nämlich mitzuarbeiten, statt zu genießen. (Grethe Jürgens)
Wir wurden gar nicht ernst genommen. Uns kannte keiner, die liefen ja lieber zu Schwitters und den anderen in der Kestner-Gesellschaft, wir waren ja nicht modern genug. (Grethe Jürgens über sich und ihre FreundInnen, die “Neuen Sachlichen” damals in Hannover)
In den Bildern von Grethe Jürgens hat sich wohl die Zeitstimmung jener Jahre am stärksten niedergeschlagen. (Wieland Schmied)
Grethe Jürgens genoß – im Gegensatz zu Künstlerinnen vor ihr – ein “Privileg, das inzwischen Selbstverständlichkeit ist, nämlich an der öffentlichen Kunstgewerbeschule zu studieren, das heißt gemeinsam mit Männern. Im Gegensatz dazu hatte Paula Modersohn-Becker die Berliner Malerinnen-Schule besucht, Gabriele Münter die Schule des Künstlerinnen-Vereins in München: Beispiele für die um 1900 übliche Ausbildung von Künstlerinnen. (Müller-Pieper)
Literatur & Quellen
“Der stärkste Ausdruck unserer Tage”: Neue Sachlichkeit in Hannover. 9.12.2001 - 10.3.2002. Ausstellungskatalog. Hg. Christian Fuhrmeister. Hildesheim; Zürich; New York. Olms.
Grethe Jürgens und Gerta Overbeck. 1982. Arbeiten der zwanziger Jahre. Ausstellungskatalog Bonner Kunstverein.
Meskimmon, Marsha. 1999. “We Weren't Modern Enough: Women Artists and the Limits of German Modernism. Weimar and Now: German Cultural Criticism, 25. Berkeley, CA. University of California Press.
Müller-Pieper, Renate. 1991. “Grete Jürgens (1899-1981): Unbeirrbare Künstlerin und eigenständige Frau”, in: Hiltrud Schroeder. Hg. Sophie & Co.: Bedeutende Frauen Hannovers. Hannover. Fackelträger. S. 187-199.
Scholz, Heike. 1999. Am Rande des Blickfeldes: Grethe Jürgens – eine Künstlerin der zwanziger Jahre in Hannover. Dissertation, Marburg.
Seiler, Harald. 1976. Grete Jürgens. Göttingen. Musterschmidt.
Grethe-Jürgens-Porträt des NDR von Annette Volland, mit Bildern
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