Fembio Specials Frauen aus Russland Galina Ulanova
Fembio Special: Frauen aus Russland
Galina Ulanova
(Galina Sergejewna Ulanowa; Галина Сергеевна Уланова; Galina Sergeevna Ulanova [wiss. Transkription])
geboren am 8. Januar 1910 in St. Petersburg
gestorben am 21. März 1998 in Moskau
russische Tänzerin und Tanzpädagogin
115. Geburtstag am 8. Januar 2025
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Sie wollte keine Tänzerin werden. Der Inbegriff der Primaballerina Assoluta, der lyrischen Tänzerin, die die ganze Welt begeisterte und schon zu Lebzeiten zur Legende wurde, spielte als Kind am liebsten mit Jungen Indianer oder ging mit dem Vater fischen (daher die lebenslange Liebe zur Natur). Außerdem hatte sie das Beispiel ihrer Mutter vor Augen, Solotänzerin am Marinskij-Theater in Petersburg, die nach der russischen Revolution wie viele ihrer KollegInnen nach der Arbeit unentgeltlich im Vorprogramm ungeheizter Kinos mitwirkte: trotz großer Anstrengung lächelnd tanzte, um dem Volk die Kunst näherzubringen.
Als die überlasteten Eltern (auch der Vater ist Tänzer und Ballettmeister) die neunjährige Galina in das Internat der Choreographischen Schule in Petrograd (später Leningrad) geben, verlangt sie stürmisch, wieder nach Hause gebracht zu werden. Zum Glück hatte Ulanova den ersten Unterricht bei ihrer Mutter und fand, obwohl sehr schüchtern, bald Anschluß bei ihren Mitschülerinnen. Die letzten Jahre ihrer Ausbildung studierte sie hauptsächlich bei Agrippina Vaganova, die nicht nur auf gute Technik, sondern auch auf Musikalität und ein bewußtes Körpergefühl achtete. Wenige Monate nach ihrer Abschlußprüfung im Mai 1928 tanzt Ulanova im Staatlichen Theater für Oper und Ballett, dem späteren Kirov-Theater, und wird schon bald mit Soloaufgaben betraut.
Entscheidend für ihre weitere Entwicklung ist das Leningrader Künstlerehepaar Time-Katschalow, das sie während eines Kuraufenthalts kennenlernt. Zurückgekehrt nimmt sie oft an den Zusammenkünften in dem gastfreundlichen Haus teil, bei denen kunst- und theaterbegeisterte Menschen über kulturelle Themen diskutieren. Ulanova beginnt, ihre täglichen Beobachtungen intellektuell zu verarbeiten und in die Gestaltung ihrer Rollen einfließen zu lassen und erweckt sie dadurch zum Leben. Alles, was SchauspielerInnen mit der Stimme ausdrücken, lernt Ulanova mit ihrem Körper und seiner Sprache wiederzugeben. Sie will durch ihren Tanz Musik sichtbar machen. Ihre Arbeit inspiriert viele Künstler – so hatte Prokofieff beim Komponieren von Romeo und Julia Ulanova vor Augen, die dann bei der Premiere 1940 die Julia tanzte.
Im zweiten Weltkrieg gibt sie zahlreiche Vorstellungen vor Soldaten und Verwundeten. Die Eindrücke von Krieg und Elend lassen sie die alten Rollen neu durchdenken und gestalten, z.B. der Julia “jene Züge von Mut und Entschlossenheit zu verleihen, die vorher nicht so ausgeprägt gewesen waren”. 1944 wechselt sie nach mehreren Gastvorstellungen endgültig an das Bolschoi-Theater in Moskau, dem sie nach ihrer Abschiedsvorstellung 1962 als Ballettlehrerin und Vorsitzende verbunden bleibt. Alle, die mit Ulanova zusammentrafen, sind erstaunt über ihre Einfachheit und das Fehlen von »Primaballerinnen-Allüren«.
Ulanova war zweimal verheiratet, zuerst mit dem Regisseur Y. Zavadsky, später mit dem Maler und Chefdesigner am Bolschoi-Theater Vadim Ryndin. 1960 machte der amerikanische Autor und Fotograf Albert E. Kahn bei einem längeren Aufenthalt in Moskau zauberhafte Aufnahmen von Ulanova, nicht nur als Tänzerin und Lehrerin, sondern auch privat mit FreundInnen, ihrem Mann und vor allem mit ihrem weißen Pudel Bolschoi.
(Text von 2009)
Verfasserin: Adriane von Hoop
Zitate
Sie war die letzte der großen Ballerinen, die einst die Tanzwelt und die Herzen beherrschten. Ihr und ihrer Kunst lagen die Menschen, gierig geradezu, zu den göttlich genannten Füßen. Wohin Galina Ulanowa kam, glich ihr Auftreten geradezu einem Staatsbesuch der Kunst. Er machte Herzen höher schlagen, nicht zittern. Das war ein beseligender Unterschied mitten im Kalten Krieg, den die Ulanowa wie kaum eine zweite zu erwärmen verstand.
(Klaus Geitel, Nachruf auf Ulanova, Berliner Morgenpost 23. März 1998)
Literatur & Quellen
Clarke, Mary. 1957. Six Great Dancers. London. Hamish Hamilton.
Hering, Doris. 1993. “Galina Ulanova” in: International Dictionary of Ballet, Band 2. Detroit u. London.St. James Press.
Kahn, Albert E. 1962. Days with Ulanova. New York. Simon and Schuster.
Lvov-Anokhin, Boris A. 1998. “Galina Ulanova”, in: International Encyclopedia of Dance, Band 6. New York und Oxford. Oxford University Press.
Nemenschousky, Léon. 1960. A Day with Galina Ulanova. London. Cassell & Company Ltd.
Roslavleva, Natalia. 1966. Era of the Russian Ballet. London. Victor Gollancz Ltd.
Ulanowa, Galina. 1956. Die Schule einer Ballettänzerin. Moskau. Verlag für fremdsprachige Literatur.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.