Fembio Specials Famous Lesbians Eva Le Gallienne
Fembio Special: Famous Lesbians
Eva Le Gallienne
geboren am 11. Januar 1899 in London
gestorben am 3. Juni 1991 in Weston, Connecticut
US-amerikanische Schauspielerin, Regisseurin, Theaterleiterin und -produzentin und Übersetzerin
125. Geburtstag am 11. Januar 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Eva Le Gallienne war jahrzehntelang als “europäischste Schauspielerin der USA” und als Regisseurin, Übersetzerin, Theaterproduzentin und -leiterin die treibende Kraft des US-amerikanischen Repertoire-Theaters. Diese Leistung ist umso bewundernswerter, als sie sich zeitlebens gegen zerstörende Kräfte von innen und außen stemmen mußte. Ihr Biograph Robert A. Schanke schreibt: Eva Le Gallienne wurde “‘der Nurejew der zwanziger Jahre’ genannt. Ihr beginnender Ruhm nahm um 1918 eine dramatische Wendung, als sie eine Affäre mit der exotischen und berüchtigten Alla Nazimova anfing. In den darauffolgenden 30 Jahren erlagen viele Frauen ihrem Charme. ... Ihre Sexualität ... bestimmte ihr starkes Bedürfnis nach Rückzug, die Wahl ihrer Stücke, ihre Besetzungsentscheidungen, Managementpraktiken, Darstellungsweise und beeinflußte schließlich auch die Kritik.”
Eva Le Gallienne wurde 1899 in London als Tochter der dänischen Journalistin Julie Norregaard und des englischen Schriftstellers Richard Le Gallienne in chaotische Familienverhältnisse hineingeboren, denn ihr Vater, ein Schürzenjäger und Trunkenbold, verließ die Familie regelmäßig wegen immer neuer Liebschaften, meist in einem Berg von Schulden; dauernd mußte in immer billigere Unterkönfte umgezogen werden.
Einen Großteil ihrer Kindheit verbrachte Eva mit der Mutter und einer liebevollen Kinderfrau in Paris; Theateraufführungen mit Sarah Bernhardt wurden ihr zum prägenden Erlebnis. Weil sie kein Geld hatte, sich die Autobiographie der verehrten Schauspielerin zu kaufen, schrieb sie ein geliehenes Exemplar ab, sämtliche 800 Seiten! Später lernte sie auch die Duse persönlich kennen, schauspieltechnisch wohl das genaue Gegenteil der Bernhardt - und diese beiden wurden ihre großen Vorbilder.
Nach ihrer Schauspielausbildung ging sie nach Amerika und feierte schon 1920 ihren ersten Triumph am Broadway. Aber das Showbusiness sagte ihr nicht zu; sie war Zeit ihres Lebens intellektuell und künstlerisch hochanspruchsvoll und lehnte mehr lukrative Aufträge ab als sie sich eigentlich leisten konnte. Ihre erste Filmrolle übernahm sie mit 80 Jahren! Sie hatte sich vorgenommen, in den USA eine Theaterkultur zu etablieren, wie sie sie aus Europa kannte: Die klassischen, großen Stücke sollten im Repertoire ständig abrufbar und dem Publikum zu niedrigen Preisen zugänglich sein. Die amerikanische Bühne kannte nichts dergleichen. Hier ist Theater ein Geschäft, Showbusiness eben. Vielverspechende Stücke wurden (und werden) von Theaterkompanien “produziert”, off-Broadway herausgebracht und auf ihre Publikumswirksamkeit geprüft, dann müssen sie sich am Broadway bewähren, und wenn sie dort nicht mehr ziehen, geht es auf Tournee in die Provinz. Das europäische Theater dagegen ist meist staatlich subventioniert und dient der kulturellen Bildung des Publikums und der Pflege der klassischen Stücke. Eva Le Gallienne meinte, dergleichen hätte auch das amerikanische Publikum verdient. Theater sei für das Volk genau so wichtig wie öffentliche Schulen und Bibliotheken.
Aus diesen kulturpolitischen Erwägungen heraus - und auch, weil die Kritik zunehmend gemeiner wurde hinsichtlich ihrer “Unfähigkeit, weibliche Hingabe überzeugend darzustellen”, machte die 27jährige Eva Le Gallienne sich 1926 selbständig und gründete mit dem Civic Repertory Theatre in New York das erste Repertoire-Theater auf amerikanischem Boden. In den 6 Jahren seines rühmlichen Bestehens produzierte sie 30 Stücke, führte in 28 davon Regie und spielte in den meisten tragende Rollen. 1932 mußte das Theater wegen der Wirtschaftsdepression schließen.
1946 gründete sie zusammen mit Margaret Webster und Cheryl Crawford das berühmte American Repertory Theatre (ART), ein Tourneetheater. Sie schrieb die beste Biographie der Duse in englischer Sprache, zwei Autobiographien und übersetzte viele Stücke von Ibsen; dank ihrer dänischen Mutter waren die skandinavischen Sprachen ihr geläufig.
Eva Le Gallienne blieb als Theaterschauspielerin aktiv bis in die achtziger Jahre ihres Lebens und des Jahrhunderts - eine Jahrhundertgestalt des amerikanischen Theaters. 1986 verlieh ihr Ronald Reagan mit der National Medal of Arts die höchste künstlerische Auszeichnung der USA.
(Text von 1998)
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
Nur wenige SchauspielerInnen verfügten über solche technische Mittel, noch weniger über eine so intensiv geschulte Vorstellungskraft. Was nach all diesen Jahren in Erinnerung bleibt, vor allem anderen, ist diese Stimme, die jedes Ohr erreichte, unverstärkt, aber ohne jede Künstlichkeit der “Projektion”. Ihre Stimme konnte komplizierte Wahrheiten erzählen, denn Le Gallienne war weise, sehr belesen in der Literatur vieler Sprachen, eine aufmerksame Beobachterin der gesamten Natur.
(Richard Dyer 1996)
Sie war ein ein echter Jekyll und Hyde, in einem Moment freundlich, im nächsten gemein.
(Robert A. Schanke 1992: xx)
Mit 32 Jahren erlitt Eva Le Gallienne einen furchtbaren Brandunfall in ihrem Ferienhaus, der sie fast umgebracht hätte. Sie überlebte nur, weil sie “vom Temperament her nicht zum Schreien neigte”, wie sie sich ausdrückte. Hätte sie bei der Propanglasexplosion zum Schreien den Mund geöffnet und eingeatmet, hätte das ihre Lungen zerstört.
Literatur & Quellen
Dyer, Richard. 1996. “Eva Le Gallienne: Actress as heroine of many stages”, The Boston Globe, 29.10.1996, S. E4.
Le Gallienne, Eva. 1974 [1953]. With a Quiet Heart: An Autobiography. Westport, CN. Greenwood.
Le Gallienne, Eva. 1973. The Mystic in the Theatre: Eleonora Duse. Carbondale, IL. Southern Illinois UP.
Schanke, Robert A. 1989. Eva Le Gallienne: A Bio-Bibliography. New York. Greenwood.
Schanke, Robert A. 1992. Shattered Applause: The Lives of Eva Le Gallienne. Vorwort May Sarton. New York. Barricade.
Sheehy, Helen. 1996. Eva Le Gallienne: A Biography. New York. Knopf.
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