Fembio Specials Heilige, Kirchenfrauen, Märtyrerinnen, Mystikerinnen, Wohltäterinnen Etty Hillesum
Fembio Special: Heilige, Kirchenfrauen, Märtyrerinnen, Mystikerinnen, Wohltäterinnen
Etty Hillesum
geboren am 15. Januar 1914 in Middelburg
ermordet am 30. November in 1943 in Auschwitz
niederländische Schriftstellerin und Mystikerin; Nazi-Opfer
110. Geburtstag am 15. Januar 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Etty Hillesum, 26 Jahre alt, Jüdin, Intellektuelle, Tochter aus gutem Hause mit abgeschlossenem Jurastudium, Studentin der Slawistik und Psychologie in Amsterdam, beginnt am 9. Marz 1941 ein Tagebuch, das 40 Jahre später veröffentlicht wird und die LeserInnen in Holland und der ganzen Welt erschüttert. Fünf Jahre nach der Veröffentlichung liegen Übersetzungen in zwölf Sprachen vor.
Im Mai 1940 hatte Holland kapituliert; die Nazis begannen umgehend mit dem Terror gegen die jüdische Bevölkerung. Anfang 1941 lernte Etty einen jüdischen Emigranten aus Berlin kennen, der doppelt so alt war wie sie: Julius Spier, den Begründer der “Psychochirologie”, einer psychotherapeutisch ausgerichteten Handlesekunst. Etty wird seine Assistentin und Geliebte. Die Beziehung gibt beiden Halt in dieser immer dunkler werdenden Zeit:
... es geht nur noch darum, gut zueinander zu sein mit aller Güte, deren wir fähig sind. Und jedes Zusammensein ist auch ein Abschiednehmen.
Das knapp anderthalb Jahre umspannende Tagebuch dokumentiert einen unglaublichen seelischen Reifungsprozess; Etty Hillesum führt einen “verrückten oder kindlichen oder todernsten Dialog mit dem, was in mir das Allertiefste ist und das ich der Einfachheit als Gott bezeichne.” Sie hätte sich vielleicht in Sicherheit bringen können, aber sie wollte nicht:
... es ist keineswegs so, dass ich mit einem gelassenen Lächeln geradezu in meinen Untergang hineinrenne ... ich weiß, daß ich mich keineswegs wohl fühlen würde, wenn mir erspart bliebe, was so viele erdulden müssen.
Als relativ privilegiertes Mitglied des Jüdischen Rats geht Etty in das Durchgangslager Westerbork. Sie tröstet und hilft wo sie kann, bis zuletzt eine “leuchtende Persönlichkeit”, so berichten Überlebende. Der letzte Teil des Tagebuchs ist uns nicht überliefert. Etty hat ihn mitgenommen nach Auschwitz, wohin sie mit ihrer ganzen Familie am 7. September 1943 deportiert wurde.
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
Eine unablässige Selbstanalyse, die an vielen Stellen universellen Charakter annimmt. Mit letzterem meine ich: Etty Hillesum beschreibt in ihrem Tagebuch nicht nur sich selbst, sondern ebenso die menschlichen Möglichkeiten eines jeden anderen Menschen zu jedem beliebigen Zeitpunkt.
(J. G. Gaarlandt, Herausgeber der Tagebücher Etty Hillesums, in der Einleitung).
Links
Etty-Hillesum-Forschungszentrum (englisch und niederländisch)
Literatur & Quellen
Brenner, Rachel Feldhay. 1997. Writing as Resistance: Four Women Confronting the Holocaust: Edith Stein, Simone Weil, Anne Frank, Etty Hillesum. University Park, PA. Pennsylvania State UP.
Hillesum, Etty. 1983 [1981]. Das denkende Herz der Baracke: Die Tagebücher von Etty Hillesum [=Het denkende hart van de barak]. Hg. und eingel. von J. G. Gaarlandt. Aus dem Niederl. von Maria Csollány. Freiburg; Heidelberg. Kerle.
Hillesum, Etty. 1986 [1982]. Letters From Westerbork [=Het denkende hart van de barak]. Einleitg. u. Anm. G. Gaarlandt. Aus dem Niederl. von Arno Pomerans. New York. Pantheon.
Neri, Nadia. 1999. Un'estrema compassione: Etty Hillesum testimone e vittima del lager. Milano. Mondadori.
Women Writers of Great Britain and Europe: An Encyclopedia. Hg. Katharina M. Wilson and Paul & June Schlueter. New York & London. Garland. 1997.
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