Fembio Specials Frauen aus Nord- und Südtirol und dem Trentino Emma Hellenstainer
Fembio Special: Frauen aus Nord- und Südtirol und dem Trentino
Emma Hellenstainer
(Emmerentia Hausbacher [Geburtsname]; Frau Emma)
geboren am 12. April 1817 in St. Johann/Tirol (Österreich)
gestorben am 9. März 1904 in Meran (Italien)
Pionierin der Tiroler Gastronomie
120. Todestag am 9. März 2024
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
»Frau Emma – Europa« – diese Postkarte erreichte die Adressatin – so erzählt der Mythos über die berühmteste Wirtin Tirols.
Schon ihre Mutter führte den »Grauen Bären« in St. Johann. Nach früher Arbeit als Kellnerin im elterlichen Betrieb kam Emma zu den Ursulinen nach Innsbruck zur Ausbildung. In Salzburg lernte sie bei den Drei Allierten, damals eine der besten Adressen, das Kochen. Schon zur Lehrzeit verfasste sie ihr erstes Werk: natürlich ein Kochbuch.
Als der Mutter der Bräugasthof in Toblach zufiel, musste ihn die zwanzigjährige Tochter übernehmen. Begleitet wurde sie von ihrer Amme und Ratschlägen wie »lachen darfst du nie«. In Toblach wurden ihre exzellenten Kochkünste kaum richtig anerkannt: die TirolerInnen waren Mus, Knödel, Krapfen und Kraut gewohnt. Trotzdem fehlten die Gäste nie, und der heruntergekommene Betrieb erholte sich bald. Ein Besucher kam besonders oft: der Niederdorfer Postmeistersohn Joseph Hellenstainer. Als er ihr schließlich ein paar Ohrringe aus dem Ampezzaner Tal mitbrachte, vergaß Emma die mütterlichen Ermahnungen … 1842 wurde die Hochzeit in St. Johann gefeiert und kurz darauf übernahmen beide das Erbe Josephs, das Wirtshaus Zum Schwarzen Adler am Hauptplatz in Niederdorf.
Joseph kümmerte sich um sein Fuhrunternehmen, Emma übernahm die Führung des Gasthauses samt Personal, Garten, Keller, Landwirtschaft. Mit ihrer konservativen Schwiegermutter, der alten Postwirtin, hatte sie deswegen zu kämpfen. Zwischen 1844 und 1856 gebar sie vier Töchter und zwei Söhne.
Niederdorf erlebte in dieser Zeit eine wirtschaftliche Blüte. 1833 war die »Strada d’Alemagna« durch das Höhlensteintal zwischen Conegliano und Toblach gebaut worden – fürs Pustertal die wichtigste Verbindung zwischen Kärnten, der Steiermark, Wien und Tirol. Auch Emma Hellenstainer war weltoffen: sie passte Service und Ausstattung des Gasthauses den modernen Erfordernissen an und verfeinerte die bodenständige Tiroler Kost. Ihre humorvolle, liebenswürdige und offene Wesensart zog viele Gäste an: »…der wollte die Suppe dick, der andere leer, dieser das Fleisch fett, jener wieder mager, schärfer das Essen der eine, milder der andere: um alles war sie besorgt, und jeder fühlte sich wie daheim.« (Rösch 2003, S. 94) Aus dieser Zeit sind viele Geschichten von unglücklichen und magenkranken Gästen überliefert, die der Aufenthalt im Schwarzadler gesund und vor allem glücklich machte. Sie kehrten jährlich wieder und betrieben intensive Mundpropaganda für die junge Wirtin. »Heimat«, »Heilung« und sogar »Erlösung« kehren in den Gästebüchern des Schwarzadlers immer wieder. Der Ruhm des Hauses mehrte sich. »Das europäische Land, wo man am schlechtesten kocht, ist aber nächst der Türkei jedenfalls Tirol« (Rösch 2003, S. 93), so beschreibt der Reiseschriftsteller Gustaf Rasch die Tiroler Küche. Ausnahmen seien drei Gasthöfe, wie sonnige, grüne Oasen in dieser Wüste der Kochkunst: das Gasthaus zum Elephanten in Brixen, das Gasthaus der Frau Emma in Niederdorf und das Gasthaus Rizzis zu Vigo im Fassatal.
1858 starb Joseph Hellenstainer erst 50-jährig an einem Nierenversagen. Emma übernahm nun auch das Fuhrunternehmen mit Kutschern und Fuhrknechten für 20 Pferde und den Umbau des Gasthofes. (Hellenstainer 1925, S. 74)
Im Schwarzadler verkehrte der Wiener Hochadel, die Infantin Isabella von Bourbon-Parma, die Braut Josephs II, Kaiser Franz Joseph I, Kaiserin Sissi, Thronfolger Franz Ferdinand, Graf Esterhazy von Ungarn. Die Gäste kamen aus aller Welt: EngländerInnen blieben den ganzen Sommer, um im Gebirge zu kraxeln, ItalienerInnen um Kühlung und Erfrischung zu finden, ÖsterreicherInnen und Deutsche wegen der schönen Gegend und der guten Küche. Alle kamen auch besonders wegen Frau Emma.
Neben dem Gastgewerbe war ihr die Erziehung der Kinder sehr wichtig. Großen Wert legte sie auf frühen Kontakt zu anderen Kulturen und das zeitige Erlernen möglichst vieler Sprachen.
Sie selbst bildete viele junge Köchinnen aus. Ihre Teebutter brachte ihr 1884 bei der Wiener Kochausstellung die Silbermedaille ein und fand den Weg in die Wiener Hofküche. Die Vermarktung einiger ihrer Produkte entwickelte sich zu einem kleinen Versand. Das Fuhrunternehmen hatte zusätzliche Vorteile: »exotische Waren« wie Oliven und Pomeranzen, Melonen, Feigen, Zitronen und Parmesan konnte sie einigermaßen kostengünstig und frisch einkaufen.
Alle Neuerungen wie Eisenbahn, Elektrizität und Straßenbau wurden für den eigenen Betrieb und die ganze Gegend wirtschaftlich genutzt. Dank der Überzeugungskraft und der Kontakte der Frau Emma gelang es z. B., die Eisenbahn möglichst nahe am Dorf vorbeizuführen.
Frau Emma war die erste Mitfrau im deutschen Alpenverein und maßgebliche Mitbegründerin des österreichischen. Sie stattete den ersten Pustertaler Bergführer noch ganz persönlich mit der Kleidung ihres Mannes aus und gründete den Dorf-Verschönerungsverein.
1899 verlieh Kaiser Franz Josef I der »weltbekannten Frau Emma« das goldene Verdienstkreuz. Auch ihre Kinder blieben im Gastgewerbe: Sohn Eduard erbaute das Hotel Praxer Wildsee. Sohn Hermann eröffnete 1907 in Meran das Hotel Emma. Auch das Hotel Stadt München und die Post in Neuspondinig gehörten zum Familienbesitz. Die Töchter Emma, Marie, Josefine und Aloisia hingegen – Tochter Leopoldine starb als Kleinkind - »wurden verheiratet« in namhafte Südtiroler Gastronomie-Betriebe. Renommierte Häuser wurden und werden teilweise immer noch von ihren Nachkommen geführt, wie das Hotel Praxer Wildsee, Hotel Elephant in Brixen, Hotel Greif in Bozen. (Erbe S. 58)
Ihren Lebensabend verbrachte Frau Emma am Pragser Wildsee (im Sommer) und in Meran (im Winter), wo sie mit 87 Jahren am 9. März 1904 starb.
Für Frauen mit Mann und Kindern gab es damals kaum außerhäusliche Berufsmöglichkeiten. Die Rollenverteilung im Schwarzadler war traditionell: die Frau kümmerte sich um das Innen: Kinder, DienstbotInnen, Gäste, Küche und Atmosphäre, der Mann um das Außen, um Geschäfte und Kontakte. Ihre »weiblich-mütterlichen Qualitäten« setzte Frau Emma professionell und gewinnbringend ein. Als junge Witwe übernahm sie dann auch die Aufgaben des männlichen Parts.
Verfasserin: Brigitte Gasser Da Rui
Links
Wikipedia: Emma Hellenstainer.
Wirtenberger, Hans: Die legendäre Frau Emma in Europa, Autriche. Zum 100. Todestag der aus St. Johann in Tirol stammenden Fremdenverkehrspionierin. In: Heimatkundliche Beiträge des Museums- und Kulturvereines Sankt Johann in Tirol, Nr. 6 vom Frühjahr 2004. Kurzbiografie mit Bildern (PDF-Datei, 213 kB).
Zeitgeschichtliches Archiv Pragser Wildsee
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Literatur & Quellen
Quellen
Frenzel, Monika: Emma Hellenstainer – eine Pionierin des Fremdenverkehrs, Wirtin, Unternehmerin, Ehefrau und Mutter, ihre Vorbildwirkung in der heutigen Zeit. Vortrag anlässlich der Feier zum 100sten Todestag von Emma Hellenstainer an der LBS Emma Hellenstainer in Brixen 2004.
Heiß, Hans: Von Frau Emma zu Frau Erika. Rollenbilder im Gastgewerbe Tirols. Vortrag anlässlich der Feier zum 100sten Todestag von Emma Hellenstainer an der LBS Emma Hellenstainer in Brixen 2004.
Hellenstainer, Josefine (1925): Frau Emma Hellenstainer und ihre Zeit. Innsbruck. Selbstverlag der Familie Hellenstainer; Universitäts-Verlag Wagner. (Suchen bei WorldCat)
Langreiter, Nicole: Ikonen der Gastfreundschaft. Vortrag anlässlich der Feier zum 100sten Todestag von Emma Hellenstainer an der LBS Emma Hellenstainer in Brixen 2004.
Rösch, Paul (2003): Wirtin als Profession. Frau Emma Europa. Meran. Touriseum.
Schröder, Nina (2003): Die beste aller Wirtinnen. Über die Mythenbildung von Frau Emma. Meran. Touriseum.
Tauber, Hans (2003): Wer war Emma Hellenstainer. Festschrift zum 20-jährigem Jubiläum der Landesberufsschule für das Gast- und Nahrungsmittelgewerbe Brixen. Brixen. LBS Emma Hellenstainer.
Weiterführende Literatur
Berlinger, Thomas (2004): Gerichte mit Geschichte. Aus jener Zeit. Zum 100-jährigen Todestag von Emma Hellenstainer. Brixen.
Platzer, Monika (2004): Frau Emma Europa. Eine große Gastwirtin. (=Una grande albergatrice). Meran. Touriseum. (Suchen bei WorldCat)
Rainer, Paul (1924): Frau Emma in Europa. Die Geschichte eines arbeitsfrohen Lebens. Innsbruck. Tyrolia. (Suchen bei Eurobuch | WorldCat)
Bildquellen
http://www.museum1.at/fileadmin/journal/Ausgabe_Fruehjahr_2004.pdf
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