Fembio Specials Frauen aus Hannover Elly Beinhorn
Fembio Special: Frauen aus Hannover
Elly Beinhorn-Rosemeyer
geboren am 30. Mai 1907 in Hannover
gestorben am 28. November 2007 in Ottobrunn bei München
deutsche Flugpionierin
15. Todestag am 28. November 2022
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Elly Beinhorn – „eine der wagemutigsten Frauen des 20. Jahrhunderts“, so der Klappentext ihrer Autobiographie Alleinflug – wurde 1907 als einziges Kind einer Kaufmannsfamilie in Hannover geboren, wo sie auch das Schiller-Lyceum absolvierte. Ein Vortrag des Ozeanfliegers Hermann Köhl 1928 faszinierte sie so nachhaltig, daß sie sich gleich um die Aufnahme an der Sportfliegerschule in Berlin-Staaken bemühte und im Frühjahr 1929 den Sportflugzeugführerschein und wenig später an der Fliegerschule Würzburg den Kunstflugschein erwarb, dem dann auch die Blindflugberechtigung, der B-1 Schein für schwerere einmotorige Landflugzeuge und zuletzt der Flugzeugführerschein für kleinere Seeflugzeuge folgten.
Während ihrer Ausbildung begegnete sie dem bekannten Jagd- und Kunstflieger Ernst Udet, der ihre fliegerischen Leistungen ironisch kommentierte und ihr eine baldige Bruchlandung voraussagte, die dann auch eintrat, die junge Fliegerin aber nicht von weiteren Flügen abbrachte. 1931 startete Elly Beinhorn zu ihrem ersten großen Alleinflug nach Afrika, der sie über 7.000 km bis in das heutige Guinea-Bissao führte. Eine Notlandung auf ihrem Rückflug Richtung Timbuktu überstand sie mit Hilfe der einheimischen Songheis, die „noch nie einen weißen Menschen gesehen hatten“, nach viertägigem Marsch durch die Wüste und kehrte glücklich nach Deutschland zurück: „Meine Notlandung hat mehr Schlagzeilen gebracht als die tollste Flugleistung.“
Schon wenige Monate später, am 4. Dezember 1931, wagte die 24-Jährige ihren nächsten großen Flug, eine Weltumrundung, die sie über Südasien bis Port Darwin in Australien, dann zu Schiff nach Panama und weiter mit ihrem Klemm-Flugzeug über die Kordilleren zur Ostküste Südamerikas führte und am 23. Juli 1932 Buenos Aires erreichen ließ.
Reichspräsident Hindenburg zeichnete sie im April 1933 für ihre fliegerischen Leistungen mit dem Hindenburg-Pokal aus, der höchsten deutschen Ehrung in der Sportfliegerei. Dies spornte sie an zu weiteren Flügen in die früheren deutschen Kolonien in Afrika und Mittel- und Süd-Amerika – immer allein mit ihrem Klemm-Sportflugzeug.
Als die deutsche Luftfahrtindustrie 1934 für den Internationalen Europa-Rundflug für Sportflugzeuge neue leistungsfähigere Flugzeuge entwickelt hatte, konnte sie mit einer Maschine des Typs „Messerschmitt Bf 108“ eine Reihe von Langstreckenflügen nach Istanbul, Damaskus und Kairo durchführen, bei denen sie dessen hervorragende Eigenschaften unter Beweis stellte. 1935 flog sie mit der berühmten Messerschmitt Me 108 „Taifun“ an einem Tag von Gleiwitz in Schlesien nach Skutari am Bosporus und zurück nach Berlin: 3.470 Kilometer in dreizehneinhalb Stunden.
1936 heiratete sie den Weltklasse-Rennfahrer Bernd Rosemeyer, verlor ihn aber schon zwei Jahre später, nur zehn Wochen nach der Geburt ihres Sohnes Bernd, als er bei einer Geschwindigkeits- Rekordfahrt durch eine Orkan-Böe bei 450 km/h von der Autobahn gefegt wurde und tödlich verunglückte. 1941 heiratete sie wieder, ein Jahr später gebar sie die heiß ersehnte Tochter, Stefanie. Auch ihren zweiten Mann verlor sie früh, nach sieben Jahren.
Die Anerkennung ihrer Leistungen als Fliegerin blieb ihr auch über den Krieg und politische Gegensätze hinweg erhalten. Die französischen Segelflieger luden sie bald nach Kriegsende zu einem Segelfliegerlager ein, und 1951 konnte sie in der Schweiz ihre Flugzeugführerscheine wieder erwerben. Nun flog sie als Journalistin über Europa, von Finnland bis Nordafrika, und beteiligte sich nach der Aufhebung des Flugverbots für Deutschland erfolgreich an zahlreichen Wettbewerben.
Ihr Leben als Fliegerin wie als Frau eines weltbekannten Rennfahrers schilderte sie einer Reihe von eindrucksvollen Büchern, die seit 1932 bis in die Gegenwart großes Interesse fanden und Höchstauflagen erreichten.
1979 gab Elly Beinhorn im Alter von 72 Jahren, nach etwa 5000 meist allein geflogenen Flugstunden, ihre Pilotenscheine zurück. „Da war es ja an der Zeit. Aber bis dahin bin ich 51 Jahre mit Anstand geflogen, ohne Probleme.“ Resümierend stellte sie fest: „Ich hatte das Glück, in einer Zeit fliegen zu dürfen, als das wirklich noch ein Abenteuer war. Ich habe doch diese herrlichen, unabhängigen Zeiten erlebt, als man am Himmel ganz für sich alleine war! Heute ist das doch ein ewiges Gebammel. Sie müssen sich nur nach dem Turm richten, müssen ständig ihren Standort angeben.“
Der Deutsche Aero Club würdigte ihr Eintreten für die Sportfliegerei mit der Ernennung zum Ehrenmitglied, und auch weitere Luftsportverbände ehrten die immer bescheiden gebliebene Fliegerin: Elly Beinhorn fühlte sich nie als „Star“ und hatte sich all die Jahre für die Anerkennung der Frauen in der Fliegerei engagiert.
Franz Selinger. Für FemBio bearbeitet von Luise F. Pusch.
(Text von 2006)
Historische Fotos gefunden bei http://www.ctie.monash.edu.au/hargrave/beinhorn.html, nähere Informationen siehe dort!
Verfasserin: Franz Selinger und Luise F. Pusch
Zitate
Ich habe doch diese herrlichen, unabhängigen Zeiten erlebt, als man am Himmel ganz für sich alleine war! Ich hatte das Glück, in einer Zeit fliegen zu dürfen, als das wirklich noch ein Abenteuer war. (Elly Beinhorn)
Heute weiß ich ungefähr, was es eigentlich war, das mich hinaustrieb über alle fünf Erdteile. Viele Jahre unterwegs und die erzwungene Ruhe hinterher waren nötig, bis ich das erkannte. Es waren zwei Tatsachen aus meiner Kindheit: daß ich einziges Kind bin und daß ich mitten zwischen hohen Häusermauern in einer Großstadt aufwuchs. Das eine oder das andere allein hätte wohl nicht genügt, mich über alle Hindernisse hinweg in Bewegung zu setzen. In einer Kinderstube voll mit Geschwistern wäre mir sicher früh genug der Drang nach draußen wegpoliert worden. Und ein Aufwachsen auf dem Lande hätte mich gar nicht dazu kommen lassen, immer noch mehr und noch mehr Natur und Luft und Freiheit haben zu wollen. (Elly Beinhorn)
Ich wäre manchmal gerne mit jemandem gemeinsam geflogen. Aber es gab noch wenige Frauen mit einem Flugschein - und was sollte ich mit einem Mann? Ein richtiger Mann würde sich nicht monatelang dem Kommando eines weiblichen Kapitäns fügen. Und einen nicht ganz richtigen Mann wollte ich schon gar nicht neben mir haben. (Elly Beinhorn)
Erst später, als Mutter und Oma, habe ich gespürt, wieviel Angst und Kummer ich meinen Eltern mit meiner sorglosen Fliegerei verursacht habe. Was haben meine armen Eltern gelitten! (Elly Beinhorn)
Geblieben ist Elly Beinhorn aus den alten Zeiten eine ganz spezielle Geliebte. Sie steht in der Wohnung im Münchner Waldviertel Solln oben auf dem schweren Eichenschrank, ist blau gestrichen und trägt auf ihren Tragflächen den Code „D–IROS“. „Eine geniale Konstruktion“, schwärmt die Hausherrin, „bildschön und bis heute nicht übertroffen.“ Sie holt das Modell herunter und streicht liebevoll über den Rumpf. Im Cockpit der Me 108, von 240 PS bis auf 300 Stundenkilometer angetrieben, jagte sie Rekorde und flog der Trauer um den geliebten Mann davon. Den Metallvogel, von Messerschmitt entworfen, hatte sie „Taifun getauft, ein letztes Exemplar wurde von der Lufthansa restauriert und vor vier Jahren auf ihren Namen getauft. Damals saß die Namenspatronin noch einmal hinterm Steuerknüppel – bei einem „Mistwetter wie in alten Zeiten“. (Peter Schmalz, 1997)
Ich sehe jedem Segelflugzeug begehrlich nach, denn da gibt es noch etwas von der Großartigkeit und Ruhe der Landschaft und des Himmels, die ich bis an mein Lebensende lieben werde. (Schlußsatz von Beinhorns Autobiographie Alleinflug).
Links
Beinhorn, Elly: Eintagesflug über drei Kontinente, August 1936. Aus: Mein Mann, der Rennfahrer (1938). Herausgegeben von Wolfgang Näser.
Blasius, Rainer: Elly Beinhorn. Die letzte Königin der Lüfte. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 123 vom 30.05.2007, Seite 11. FAZ Electronic Media GmbH. (online nur noch kostenpflichtig zu lesen)
Deutsches Rundfunkarchiv: Hinweisdienst Wort 2007 (100. Geburtstag von Elly Beinhorn). Übersicht über Tondokumente.
Internet Movie Database: Elly Beinhorn. Filme mit und über Elly Beinhorn.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Bücher von und über Elly Beinhorn.
Naughton, Russell: Elly Beinhorn-Rosemeyer (1907-), Pioneer Aviatrix. Link- und Bildersammlung.
Osteroth, Reinhard: Abenteuer Himmel. In: Die Zeit, Nr. 21 vom 17.05.2007.
ZDFmediathek: Elly Beinhorn – Die Dokumentation. Fotoserie.
Letzte Linkprüfung durchgeführt am 22.05.2017 (AN)
Literatur & Quellen
Beinhorn, Elly ([1934]): Flugerlebnisse. Donauwörth: Eduard Mager (Deutsche Jungmädchen-Bücherei, 6).
Beinhorn, Elly (1935): Grünspecht wird ein Flieger. Der Werdegang eines Flugschülers. Leipzig: Breitkopf & Härtel.
Beinhorn, Elly (1937): 180 Stunden über Afrika. Mein Flug zu den Deutschen in unseren ehemaligen Kolonien. Dresden: Neuer Buchverl. (Deutsche in aller Welt, 3).
Beinhorn, Elly (1940): Berlin-Kapstadt-Berlin. Mein 28000-km-Flug nach Afrika. Berlin: Militärverlag Karl Siegismund.
Beinhorn, Elly (1952): Ich fliege um die Welt. Berlin: Ullstein.
Beinhorn, Elly (1954): Madlen wird Stewardess. Ausbildung und Abenteuer einer Flugbegleiterin auf internationalen Luftlinien. Berlin: Dt. Verl.
Beinhorn, Elly (1955): Fünf Zimmer höchstens! Ein Buch für alle die bauen wollen oder die gebaut haben aber auch für normale Menschen. Darmstadt: Schneekluth.
Beinhorn, Elly (1956): Ein Mädchen und fünf Kontinente. Bericht einer Vierundzwanzigjährigen. Essen: Hobbing.
Beinhorn, Elly (1966): So waren diese Flieger. Herford: Koehler.
Beinhorn, Elly (1991): Premieren am Himmel. Meine berühmten Fliegerkameraden. München: Langen-Müller.
Beinhorn, Elly (1998): Bernd Rosemeyer. Mein Mann, der Rennfahrer. München: Herbig.
Beinhorn, Elly (2007): Alleinflug. Mein Leben. Mit einem Vorwort von Bernd Rosemeyer jun. zum 100. Geburtstag seiner Mutter. München: Herbig.
Beinhorn, Elly; Nixon, Chris (1989): Rosemeyer : a new biography. Isleworth: Transport Bookman Publ.
Italiaander, Rolf (1942): Drei deutsche Fliegerinnen. Elly Beinhorn, Thea Rasche, Hanna Reitsch ; drei Lebensbilder. 2., verb. Aufl. Berlin: Weise.
Probst, Ernst (2002): Superfrauen. 14 Bücher über “Superfrauen” auf einer CD-ROM. 2278 Seiten ; mehr als 1000 Biographien berühmter Frauen in Wort und Bild. Mainz-Kostheim: Probst. 1 CD-ROM.
Schmalz, Peter (30.05.1997): Luftwandlerin aus Leidenschaft: Elly Beinhorn war Pilotin in turbulenten Zeiten - Heute wird sie 90. In: Die Welt, 30.05.1997.
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