Fembio Specials Philosophinnen Elizabeth Cady Stanton
Fembio Special: Philosophinnen
Elizabeth Cady Stanton
geboren am 12. November 1815 in Johnstown, New York
gestorben am 26. Oktober 1902 in New York, New York
Pionierin der US-amerikanischen Frauenbewegung
120. Todestag am 26. Oktober 2022
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Neben Susan B. Anthony gilt Elizabeth Cady Stanton als führender Kopf der amerikanischen Frauenrechtsbewegung im 19. Jahrhundert. Die beiden Freundinnen und Kampfgefährtinnen setzten sich über vierzig Jahre lang unermüdlich und kompromißlos dafür ein, daß Frauen das Stimmrecht erhielten. Stantons brillante, radikale Kritik der rechtlichen, politischen und auch religiösen Diskriminierung der Frauen, wie sie sie in zahllosen Reden, Manifesten, Briefen und Büchern formulierte, inspirierte die junge Frauenrechtsbewegung, lieferte ihr die zwingendsten Argumente und und ist zum grossen Teil auch heute noch aktuell. Für Stanton stand die Entfaltung der individuellen Persönlichkeit der Frau, auch in der Ehe und während der Mutterschaft, als absoluter Wert an erster Stelle. Auch glaubte sie, dass Frauen meist viel zu bescheiden waren und sich und ihre Taten unterschätzten. Durch das monumentale, 1880 begonnene Werk, The History of Woman Suffrage, wollte sie die Frauen von diesen Leiden heilen und ihnen ein Denkmal setzen, wenn es auch noch 40 Jahre dauern sollte, bis das Stimmrecht endlich erkämpft war.
Elizabeth Cady war das achte von elf Kindern des wohlhabenden Ehepaars Margaret Livingston und Daniel Cady; fünf ihrer Geschwister starben sehr früh, der einzige überlebende Bruder mit zwanzig. Elizabeth bemüht sich lange aber vergebens, ihrem Vater, einem angesehenen Juristen und Abgeordneten, durch ihre Leistungen den verstorbenen einzigen Sohn zu ersetzen, aber Richter Cady stimmten ihre Intelligenz und ihr Mut höchstens traurig, denn was nützten sie schon bei einem Mädchen? Trotzdem weckte er bei ihr sehr früh ein lebhaftes Interesse an Rechtsfragen, von Anfang an empörte sie sich über die totale Rechtlosigkeit der Frau in der Ehe.
Am progressiven Troy Female Seminary bekommt Elizabeth eine für ihre Zeit vorzügliche Ausbildung. Und im Hause ihres Vetters, des liberal gesinnten Gerritt Smith, lernt sie nicht nur neue, radikale Ideen kennen, sondern auch ihren künftigen Gatten. Henry Stanton arbeitete damals als Redner und Aktivist für die Abschaffung der Sklaverei und hatte keine geregelten Einkünfte. 1840 heiraten Elizabeth und Henry, gegen den Willen ihres Vaters, der sich um die finanzielle Zukunft seiner Tochter Sorgen macht.
Noch im selben Jahr reist das junge Paar nach London zum Weltkongress gegen die Sklaverei, wo Elizabeth auf die berühmte Quäker-Abolitionistin und “gefährliche Person” Lucretia Mott trifft. Motts Einfluss – sie gibt Elizabeth Mary Wollstonecraft zu lesen – und die Tatsache, dass weibliche Delegierte dem Kongress nur hinter einem Vorhang beiwohnen dürfen, stärken ihre Überzeugung, dass Frauen erst einmal um ihre eigenen Rechte kämpfen müssen.
Henry Stanton wird nun doch Rechtsanwalt und nimmt in Boston eine Stelle an, wo Elizabeth bald die wichtigsten Frauen der Anti-Sklavereibewegung (wie Angelina und Sarah Grimké) kennenlernt. Zwischen 1842 und 1859 gebiert sie sieben Kinder, und obwohl die Mutterrolle sie zutiefst befriedigt, wird ihr allmählich klar, dass die Frauen auch dadurch benachteiligt werden. Als die Familie 1846 nach Seneca Falls zieht, einem kleinen Ort im Bundesstaat New York, fühlt sie sich isoliert und niedergeschlagen: “Ich habe damals geistigen Hunger gelitten, und der macht, wie ein leerer Bauch, sehr depressiv.” Als 1848 Lucretia Mott in die Gegend kommt, um ihre Schwester zu besuchen, treffen sich die beiden und beschließen, zusammen mit zwei anderen Frauen, einen Kongress zu organisieren, um die Rechte der Frau zum ersten Mal öffentlich zu diskutieren. 68 Frauen und 32 Männer unterzeichnen während des Kongresses die von Stanton verfasste Declaration of Sentiments, die die Gleichheit der Geschlechter proklamiert und Rechte für Frauen, auch das Stimmrecht, fordert. Auf dieses revolutionäre Treffen folgen ähnliche Versammlungen und Erklärungen im ganzen Land. Stanton unterstützt alle Formen eines neuen weiblichen Selbstbewußtseins – vom kurzen Haarschnitt und Bloomerkostüm bis zur Forderung nach gleichen Bildungs- und Berufschancen für Frauen.
1851 lernt sie die fünf Jahre jüngere Lehrerin und Temperenzaktivistin Susan B. Anthony kennen, und es beginnt die legendäre jahrzehntelange Freundschaft und Arbeitsgemeinschaft, der die Sache der Frauen so viel verdankt. Zuerst bekämpfen sie im Bundesstaat New York die gesetzliche Diskriminierung der Frau und setzen 1860 für Ehefrauen das Recht auf Besitz durch, außerdem das Sorgerecht für Mütter und Rechte für Witwen. Da Stanton wegen ihrer Kinder anfangs ans Haus gebunden ist, übernimmt Anthony die organisatorische Arbeit, während ihre Freundin die Reden, Stellungnahmen und Artikel schreibt, die die Bewegung voranbringen. Später reist auch sie durch das ganze Land, hält Vorträge und begeistert die Massen, denn sie ist nicht nur eine brillante Rednerin, sondern auch eine charmante, gewinnende Erscheinung: klein, hübsch und smart gekleidet, entspricht sie kaum dem Stereotyp der “typischen”, “männlich-herben” Frauenrechtlerin.
Während des Bürgerkriegs (1861-65) gründeten Stanton und Anthony die erste bundesweite politische Frauenorganisation, die Women’s Loyal National League, die 5 000 Frauen mobilisierte, um 40 000 Unterschriften für eine schnelle Befreiung der SklavInnen zu sammeln. Nach dem Krieg aber mußten sie ihre größte Enttäuschung erleben: Ihre einstigen Verbündeten verlangten das Stimmrecht für männliche Schwarze, die Frauen sollten sich gedulden: “Es ist die Stunde des Negers.” Stanton war so wütend darüber, dass sie gegen das Stimmrecht für männliche Schwarze redete und schrieb.
1869 gründeten Stanton und Anthony dann die National Woman Suffrage Association, eine Organisation, die das Frauenstimmrecht durch eine bundesweite Verfassungsänderung durchzusetzen versuchte. 1878 wurde Stantons Änderungsvorschlag dem US-Senat zum ersten Mal vorgelegt; über 40 Jahre lang wurde er in jeder Legislaturperiode aufs Neue vorgelegt, bis die Frauen Amerikas 1920 mit der 19. Verfassungsänderung endlich das Stimmrecht bekamen.
Anders als Anthony, für die der Kampf um das Stimmrecht im Mittelpunkt stand, engagierte sich Stanton in ihren Reden und Schriften für ein vielseitiges Programm, um die Frauen in ihren Rechten zu fördern: sie forderte Ehe- und Scheidungsreform, Kleidungsreform und bessere Bildungsmöglichkeiten für Frauen, und sie protestierte gegen die Unterdrückung der Frau durch die Kirche. In ihrer Woman’s Bible (1895-98) analysiert und “korrigiert” sie furchtlos die frauenfeindlichen Auslegungen mancher Bibelstellen, die von Kirchenmännern als von Gott gegebene Argumente gegen die Frauenemanzipation zitiert wurden. Das Buch wurde sofort ein Renner, zersplitterte aber zugleich die Stimmrechtsbewegung, für deren konservativere Mitglieder es, wie seine Autorin schon so oft, zu radikal war.
(Text von 2014)
Verfasserin: Joey Horsley
Zitate
“Ich kann besser schreiben, sie hat den kritischen Verstand, ... und zusammen haben wir Argumente entwickelt, denen dreißig lange Jahre alle Stürme nichts anhaben konnten - Argumente, die noch kein Mann widerlegt hat.” Elizabeth Cady Stanton
Links
Fundgrube der PBS (auch über Susan B. Anthony)
Project Gutenberg (Autobiographie, The Woman’s Bible)
The Elizabeth Cady Stanton & Susan B. Anthony Papers Project at Rutgers University
Multimedia (Audio/Video) zu Stanton & Anthony
Brief von Lucretia Mott an Stanton, 1855, mit Transkription
Stanton-Porträt von Anna Klumpke, der Partnerin von Rosa Bonheur, 1889
Literatur & Quellen
Baker, Jean H. 2005. Sisters: The Lives of America’s Suffragists. New York: Hill & Wang.
Banner, Lois. 1980. Elizabeth Cady Stanton: A Radical for Women’s Rights. Glenview, IL: Scott Foresman.
DuBois, Ellen C. Hg. 1992. The Elizabeth Cady Stanton - Susan B. Anthony Reader: Correspondence, Writing, Speeches. Vorwort Gerda Lerner. Boston. Northeastern UP.
Ginzberg, Lori D. 2009. Elizabth Cady Stanton: an American Life. New York. Hill & Wang.
Griffith, Elizabeth. 1984. In Her Own Right: The Life of Elizabeth Cady Stanton. New York: Oxford.
Lutz, Alma. 1971. “Elizabeth Cady Stanton.” in: Notable American Women: A Biographical Dictionary. 1971. Hg. Edward T. James, Janet Wilson James & Paul S. Boyer. 3 Bde. Cambridge, MA. The Belknap Press of Harvard UP. Band III, 342-347.
Stanton, Elizabeth Cady, Susan B. Anthony & Matilda Joslyn Gage. Hg. 1985 (1881-1922). The History of Woman Suffrage. In 6 vols (Vol. 4 edited by S.B. Anthony and I.H. Harper; v. 5-6 edited by I.H. Harper.) Salem, NH: Ayer.
Stanton, Elizabeth Cady. 1993 (1895-98). The Woman’s Bible. Boston: Northeastern.
Stanton, Elizabeth Cady. 1993 (1898). Eighty Years and More: Reminiscences 1815-1897. Boston: Northeastern. Hier online.
Stanton, Elizabeth Cady & Susan B. Anthony. 1997-2006. The Selected Papers of Elizabeth Cady Stanton and Susan B. Anthony. Ed. Ann D. Gordon. Vol. 1. In the School of Anti-Slavery, 1840 to 1866. Vol. 2. Against an Aristocracy of Sex, 1866 to 1873. Vol. 3. National Protection for National Citizens, 1873 to 1880. Vol. 4. When Clowns make laws for Queens, 1880-1887. New Brunswick, NJ. Rutgers University Press.
Ward, Geoffrey C. & Ken Burns. 2001. Not For Ourselves Alone: The Story of Elizabeth Cady Stanton and Susan B. Anthony. New York. Knopf.
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