Fembio Specials Kinder- und Jugendbuchautorinnen Elisabeth Müller
Fembio Special: Kinder- und Jugendbuchautorinnen
Elisabeth Müller
geboren am 21. September 1885 in Langnau im Emmental
gestorben am 22. Juni 1977 in Hüniberg (heute zu Hilterfingen/Kanton Bern)
Schweizer Schriftstellerin
45. Todestag am 22. Juni 2022
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Kaum einer Schweizerin ist in ihrer Heimat im vergangenen Jahrhundert, wo den Frauen bis 1971 das Stimm- und Wahlrecht versagt blieb, so viel öffentliche Ankerkennung zuteil geworden wie der Jugendbuchautorin, Dichterin und Erwachsenenbildnerin Elisabeth Müller (1885 – 1977). Sie erhielt zahlreiche Preise, unter anderen auch die Ehrendoktorwürde der Universität Bern.
Ihre Jugend- und Kinderbücher haben Generationen von Schweizerinnen und Schweizern als Heranwachsende unvergessliche Leseerlebnisse beschert. Gerade die starke Emotionalität ihrer Geschichten hat auf das kindliche Gemüt gewirkt. Ich selber war eines dieser Kinder. Als ich später als Mutter die Geschichten meinen Söhnen vorlesen wollte, machte ich eine bestürzende Entdeckung: Ich fand die Erzählungen zu fromm, zu sentimental und zu erbaulich. Jedoch fesselten mich immer noch die starke Position der Mädchen darin und die ungewöhnlich einflussreiche Stellung alter, unverheirateter Frauen. Meine Neugierde war geweckt. Was war die Verfasserin für eine Frau? Ich beschloss, eine Biographie über sie zu schreiben.
Es gelang der jungen Lehrerin Elisabeth Müller nur schwer, sich aus dem Schatten eines übermächtigen Vaters zu lösen, des wortgewaltigen Pfarrers von Langnau im Emmental. Das jahrelange Leiden an Tuberkulose brachte erneute Abhängigkeit von der Familie. Im Lungenkurort Leysin verfasste sie ihre ersten Bücher Vreneli (1913) und Theresli (1918), die grosse Erfolge wurden. Krankheit und Schmerzen begleiteten sie ein Leben lang. Rollenzwänge machten ihr die Entfaltung schwer. Diesen Widrigkeiten setzte sie vor allem in späteren Jahren stille Rebellion entgegen. Den Hindernissen begegnete sie aber auch mit Schalk, Witz und Humor, die letztlich in einem tiefen religiösen Glauben wurzelten. Dieser Frömmigkeit musste ich mich stellen, wenn ich der Dichterin gerecht werden wollte. Es ist mir nicht immer leicht gefallen.
Erst nach ihrem fünfzigsten Lebensjahr wuchs sie ganz ins Leben einer Schriftstellerin hinein, als sie den Schuldienst endgültig verliess. Während sie für die Kinder konsequent weiterhin Hochdeutsch schrieb – denn diese sollten ja das „Schriftdeutsch“ erlernen - wandte sie sich nun auch mit Berndeutschen Erzählungen an die Erwachsenen. Im 2. Weltkrieg bereiste sie als Erwachsenenbildnerin die vom Ausland hermetisch abgeschlossene Schweiz und war eine gefragte Rednerin. Grosse Medienpräsenz prägte ihr letztes Lebensjahrzehnt - damals ganz ungewöhnlich für eine alte, alleinstehende Frau.
Während meiner Recherchen bedauerte ich, dass Elisabeth Müller trotz ihrer herausragenden schriftstellerischen Begabung und erzählerischen Verve den Boden der Jugendbücher und Erbauungsliteratur nur ganz selten verlassen hat. Trotz aller Beschränkungen, die sie sich zum Teil selber auferlegte, verkörpert sie für mich ein Stück bisher nicht aufgearbeiteter Frauengeschichte der Schweiz.
Elisabeth Müller schreibt in ihrem autobiographischen Buch Die Quelle, wie sie als Kind in einem Gitterbettchen aus Holz schlief. Seine Stäbe wurden in ihrer Fantasie zu beseelten Menschen, ja, zu einem ganzen Universum, dessen selbstbewusste Schöpferin sie war. Die Dichterin hatte es in ihrem Leben mit vielen verschiedenen „Gitterbettchen“ zu tun, nicht zuletzt mit dem des „Berner und Schweizer Geistes“, auf den ihr Schaffen stets festgelegt wurde. Nicht immer konnte sie an den Stäben rütteln. Oft musste es ihr genügen, ihnen als Weltenbauerin Leben einzuhauchen.
Verfasserin: Renata Egli-Gerber
Links
Literatur & Quellen
Egli-Gerber, Renata. 2005. Elisabeth Müller - Leben und Werk: Eine Annäherung. Stämpfli Verlag
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