Fembio Specials Künstlerinnen und Kunstförderinnen der GEDOK Elfriede Lohse-Wächtler
Fembio Special: Künstlerinnen und Kunstförderinnen der GEDOK
Elfriede Lohse-Wächtler
(Wächtler, Anna Frieda [Geburtsname]; Nikolaus Wächtler [Künstlername])
geboren am 4. Dez. 1899 in Dresden-Löbtau
gestorben am 31. Juli 1940, ermordet, Heil-und Pflegeanstalt Sonnenstein in Pirna
deutsche Malerin
80. Todestag am 31. Juli 2020
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Die Tragik des Lebens dieser großen Künstlerin ist kaum vorstellbar.
Sie wird in ein beengtes bürgerliches Milieu geboren, die Eltern sind mit der Genialität und Exzentrik der Tochter schlichtweg überfordert, versuchen sie an einer Laufbahn als Malerin zu hindern, was ihnen aber nicht gelingt. Elfriede besucht die Kunstakademie in Dresden, zieht im Alter von sechzehn Jahren aus der elterlichen Wohnung aus und verdient sich ihren Lebensunterhalt mit Batikarbeiten. Sie verkehrt in der Dresdner Boheme, ist Anhängerin von Dada, besucht auch Veranstaltungen des Spartakusbundes und bildet sich politisch und sozial wie viele von den Greueln des ersten Weltkrieges aufgeschreckte sensible junge Menschen.
Zum großen Erstaunen ihrer FreundInnen heiratet sie einen nicht zu ihr passenden Mann, den rücksichtslosen und verschwenderischen Gelegenheitskünstler Kurt Lohse, der nicht nur sein Geld sondern auch das ihre hinauswirft. Grenzenlose Armut ist das Kennzeichen ihres Lebens.
Das Paar trennt sich, Lohse zieht nach Hamburg und erkrankt. Elfriede Wächtler hat Erbarmen mit ihm, will ihn pflegen und zieht zu ihm. Bald hat Lohse eine andere Frau. Elfriede Wächtler lebt und arbeitet nun in Hamburg unter jämmerlichen emotionalen und finanziellen Bedingungen, bis es zu einem Nervenzusammenbruch kommt. Die Ruhe und die regelmäßigen Mahlzeiten in einer Nervenheilanstalt bringen ihr Erholung. In diesem mehrwöchigen Aufenthalt in der Anstalt entsteht die von der Kunstkritik enthusiastisch gepriesene Porträtserie “Friedrichsberger Köpfe”, Porträts ihrer Mitpatientinnen. Elfriede Wächtler wird jetzt zwar berühmt, doch bleibt sie weiterhin arm.
Es ist erstaunlich, welch großartiges Werk Elfriede Wächtler, trotz brennender Alltagssorgen, emotionaler Vereinsamung und zeitweiliger Obdachlosigkeit geschaffen hat. Hauptthema ihrer Bilder sind Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, soziale AußenseiterInnen, Geächtete und Minderheiten. Sie entlarvt, doch moralisiert sie nicht. Die Kunstkritik stellt sie in eine Reihe mit Otto Dix, Oskar Kokoschka, Jeanne Mammen und Egon Schiele.
Nach den künstlerisch sehr fruchtbaren, doch menschlich fast vernichtenden Jahren in Hamburg flüchtet sie zu ihren Eltern zurück nach Dresden, die nun wieder aus ihrer bürgerlichen Ruhe aufgeschreckt werden. Der Vater läßt seine Tochter 1932 in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Arnsdorf bei Dresden einweisen, sicherlich nicht in böswilliger Absicht. Überforderung, Ratlosigkeit und Gedankenlosigkeit, natürlich auch eigene finanzielle Not, lassen ihn einen “Aufbewahrungsort” für seine ihm so fremdartige Tochter finden.
Jetzt ist das Schicksal Elfriede Wächtlers endgültig besiegelt. Sie bekommt das Etikett “Schizophrenie” , Lohse läßt sich 1935 von ihr wegen “unheilbarer Geisteskrankheit” scheiden; seine Lebensgefährtin hatte inzwischen mehrere Kinder geboren. Schließlich wird das nationalsozialistische “Erbgesundheitsgesetz” der Anlaß für eine 1935 durchgeführte Zwangssterilisation.
Elfriede Wächtlers Schaffenskraft erlischt nach dieser unmenschlichen Demütigung nahezu vollständig. Vorher hatte sie immer noch gemalt und gezeichnet, ihren Überlebens- und Schaffenswillen in die Kunst gerettet. In ihrem einundvierzigsten Lebensjahr wird Elfriede Wächtler schließlich Opfer der “Aktion T 4”, dem nationalsozialistischen Massenvernichtungsprogramm “lebensunwerten Lebens”.
Weitere Bilder finden Sie in der englischen Version.
Verfasserin: Sibylle Duda
Zitate
Elfriede Lohse-Wächtler ragt gegenüber dem heutigen Plätscher-Niveau empor – sie ist entschieden eine Entdeckung.
(Hamburger Anzeiger, Mai 1929)
Ich bin blöde genug, trotz aller Erfahrungen immer noch zu glauben, dass es doch noch Menschen gibt.
(Elfriede Lohse-Wächtler, gefunden hier)
Links
Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein e.V.
Online verfügbar unter http://www.kuratorium-sonnenstein.de/, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Fischer Kunsthandel: Elfriede Lohse-Wächtler. Werke.
Online verfügbar unter https://fischer-kunsthandel.de/kuenstler/elfriede-lohse-waechtler/, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Freitag, Michael (2019): Tragisches Leben für die Kunst. Eppendorfer 6/2019.
Online verfügbar unter https://eppendorfer.de/elfriede-lohse-waechtler-nachruf-auf-eine-kuenstlerin/, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
gedenkplaetze.info (2019): Ehemaliges Wohnhaus von Elfriede Lohse-Wächtler, Voglerstraße 15, Dresden. Mit Kurzbiografie.
Online verfügbar unter https://www.gedenkplaetze.info/biografien/elfriede-lohse-waechtler-dresden, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Lohse-Wächtler, Elfriede, 1899-1940.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/119388707, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Kunstsammlungen Böttcherstrasse: Paula Modersohn-Becker Museum – Ausstellungen Rückblick. Elfriede Lohse-Wächtler – 1. März bis 3. Mai 2009.
Online verfügbar unter https://www.museen-boettcherstrasse.de/ausstellungen/elfriede-lohse-waechtler/, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Landeshauptstadt Dresden, Gleichstellungsbeauftragte für Frau und Mann (Hg.) (2006): Straßennamen in Dresden – reine Männersache? PDF, mit Biogrammen.
Online verfügbar unter http://www.frauenbildungshaus-dresden.de/fsa/wp-content/uploads/sites/2/2017/10/fsa-dresden_strassennamenbroschuere1.pdf, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Ruppert, Harald (2008): Bilder eines kurzen, schlimmen Lebens. In: Südkurier, 08.11.2008. Vollzugriff leider inzwischen kostenpflichtig.
Online verfügbar unter http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/kultur-bodensee/Bilder-eines-kurzen-schlimmen-Lebens;art411638,3499696, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Schneider, Stefan (2009): Ich allein weiss, was ich bin. Elfriede Lohse-Wächtler (1899 - 1940). Biografie mit Bildern und Zitaten.
Online verfügbar unter https://www.drstefanschneider.de/personbiografie/reisen/614-20090106-ich-allein-weiss-was-ich-bin-elfriede-lohse-waechtler-1899-1940.html, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Sondermann, Regine (2008): Kunst ohne Kompromiss. Die Malerin Elfriede Lohse-Wächtler 1899 – 1940. 2., überarb. Aufl. Berlin: Ed. Weißensee.
Online verfügbar (erste Seiten des Buches) unter http://www.weissensee-verlag.de/autoren/Sondermann_994/sondermann_994_kurz.pdf.
Literatur & Quellen
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Böhm, Boris (Hg.) (2003): »Ich allein weiß, wer ich bin«. Elfriede Lohse-Wächtler (1899 - 1940). Ein biografisches Porträt. Ausstellungskatalog Pirna. Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein. (WorldCat-Suche)
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Bildquellen
- Artnet Deutsche Bank Art
- Fischer Kunsthandel
- Förderkreis Elfriede Lohse-Wächtler e.V. Hamburg
- frank e. langenfeld
- Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.
- Kunstsammlungen Böttcherstrasse
- Wikipedia
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