Fembio Specials Frauenbeziehungen Dorothy Thompson
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Dorothy Thompson
geboren am 9. Juli 1893 in Lancaster, New York
gestorben am 30. Januar 1961 in Lissabon, Portugal
US-amerikanische Journalistin
130. Geburtstag am 9. Juli 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Sie war die First Lady des amerikanischen Journalismus und wurde 1939 vom Time Magazine als zweitwichtigste Frau der USA nach Eleanor Roosevelt bezeichnet. Sie galt als amerikanische Kassandra, war sie doch eine der ersten, die vor Hitler gewarnt hatten. Als erste der AuslandskorrespondentInnen in Deutschland - gleich welchen Geschlechts – wurde sie 1934 des Landes verwiesen.
Geboren wurde Dorothy Thompson als Tochter von Margaret und Peter Thompson. Ihr Vater war ein britischer Methodistenprediger, der nach dem frühen Tod seiner Frau – ihre Tochter war erst elf Jahre alt – schnell wieder heiratete. Da Dorothy mit ihrer Stiefmutter nicht zurecht kam, wurde sie zu zwei Schwestern des Vaters nach Chicago geschickt.
Ab 1912 studierte sie an der Syracuse University in New York, wo zu ihrer Zeit etwa die Hälfte der Studierenden Frauen waren. Es gab an dieser Universität eine starke feministische Tradition, und so wurde Thompson ein aktives Mitglied des Syracuse Equal Suffrage Clubs, für den sie eine Hymne komponierte, die noch jahrelang gesungen wurde. Anschließend war sie einige Jahre in der Frauenstimmrecht-Bewegung aktiv und fing an, Artikel an Zeitungen wie die Times und Tribune zu verkaufen.
1920 brach Thompson zu ihrer ersten Europareise auf. Sie fing dort gleich an, für den INS (International News Service) in London zu schreiben. Ihre ersten Berichte beschäftigten sich mit der Situation in Irland, aber sie reiste weiter nach Paris, Italien und Wien, der Stadt, der sie ihr Leben lang eng verbunden bleiben sollte.
In Paris, wo sie für das Rote Kreuz arbeitete, wurde Rose Wilder Lane, eine US-amerikanische Journalistin und Autorin, eine enge Freundin von ihr. Dort lernte sie den Chef der Daily News aus Chicago kennen, der ihr vorschlug, als freie Journalistin nach Wien zu gehen, eine Idee, die ihr gefiel und die sie gleich umsetzte. Für das Rote Kreuz arbeitete sie nun in Budapest, was sich durch eine gute Zugverbindung problemlos kombinieren ließ. In Wien erlangte sie eine Festanstellung beim Philadelephia Ledger, für den sie nicht nur über Österreich und Ungarn schrieb, sondern auch über die Tschechoslowakei, Jugoslawien, Albanien, Rumänien, Bulgarien, Griechenland und die Türkei. Von 1922 bis 1923 hatte sie eine kurze Anstellung in Berlin. Sie lernte mehr und mehr ihrer Kollegen kennen; zu ihren Freundinnen in Wien gehörten neben Dorothy Burlingham, die sie bereits aus New York kannte, die Schriftstellerin Phyllis Bottome und die Reformpädagogin Eugenia Schwarzwald. Auch war sie mit zahlreichen Schriftstellern befreundet, wie z.B. Carl Zuckmayer.
Von 1923 bis 1927 war Dorothy Thompson mit dem ungarischen Journalisten Joseph Bard verheiratet, wodurch sie die ungarische Nationalität erhielt.
1925 kehrte sie wieder nach Berlin zurück und zwar als europäische Korrespondentin für zwei wichtige US-amerikanische Zeitungen, den Philadelphia Ledger und die New York Evening Post. Damit war sie die erste Frau, die einem wichtigen US-amerikanisches Nachrichtenbüro in Übersee vorstand.
In zweiter Ehe war Thompson ab 1928 mit dem US-amerikanischen Schriftsteller Sinclair Lewis verheiratet, der 1930 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Die beiden entwickelten sich jedoch schnell auseinander, je weiter Thompson sich dem politischen Journalismus zuwandte. Solange beide unterwegs waren, funktionierte ihre Beziehung, nicht aber, wenn sie zusammen waren. Eine wesentliche Rolle spielte neben dem Alkoholismus von Lewis auch Thompsons immer größer werdende Bekanntheit, die die seine übertraf.
Mit Lewis kehrte sie in die Vereinigten Staaten zurück, wo sie während ihrer Schwangerschaft - ihr Sohn Michael wurde 1930 geboren - eine neue Karriere als Autorin für Magazine und als Rednerin anfing. Der Abstand zu Europa machte ihr jedoch zu schaffen. 1931 wurde sie von der Cosmopolitan nach Deutschland geschickt, um Hitler zu interviewen. Dieses Interview arbeitete sie als Buch aus, das 1932 in den USA unter dem Titel I Saw Hitler! erschien (Deutsch: Ich sah Hitler).
Bei einer Weihnachtsfeier 1932 traf Thompson die Bildhauerin und Schriftstellerin Christa Winsloe wieder. Die beiden hatten sich bereits Mitte der 1920er Jahre über ihre damaligen ungarischen Ehemänner kennengelernt. Nun verliebte sich Thompson schlagartig in Winsloe. Sie verbrachten das Frühjahr zusammen in Winsloes Haus im italienischen Portofino, bevor sie gemeinsam nach Amerika fuhren. Die Beziehung sollte nach einigen Turbulenzen zwei Jahre später scheitern.
Thompsons Leben galt in dieser Zeit dem Kampf gegen den Faschismus. Sie war eine der weltweit ersten, die vor Hitler gewarnt hatten. Bereits 1931 hatte sie ihn als eine der ersten JournalistInnen interviewt, nachdem sie jahrelang auf diese Gelegenheit gewartet hatte. Das Interview erschien unter dem Titel „But fifteen million Germans CAN be wrong“. Den Faschisten war sie ein Dorn im Auge, war sie doch eine derjenigen, die am lautesten vor dem Faschismus gewarnt hatten und damit weltweit die größte Resonanz erzielt hatte. Ihre Artikel gegen den Nationalsozialismus wurden immer gleich übersetzt. So war es dann wenig verwunderlich, dass sie bei einem Besuch in Deutschland im August 1934 aufgefordert wurde, das Land innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Sie war somit die erste der AuslandskorrespondentInnen in Deutschland - gleich welchen Geschlechts – die zu dieser Zeit aus Deutschland ausgewiesen wurde, was damals so außergewöhnlich war, dass die Nachricht um die ganze Welt ging.
Diese Ausweisung wirkte sich auf ihre weitere Karriere ausschließlich positiv aus. Als sie einen Monat später nach Amerika zurückkam, wurde sie als Heldin gefeiert und ging wieder auf Lesereisen, um das amerikanische Volk über die Vorkommnisse in Deutschland aufzuklären. Sie arbeitete bis zur Erschöpfung, schrieb Zeitungsartikel, hielt unzählige Vorträge und setzte sich unermüdlich für Flüchtlinge aus Deutschland und anderen europäischen Ländern ein.
Ab 1936 schrieb sie ihre Kolumne On the Record, die in mehr als 170 Zeitungen abgedruckt wurde und dadurch über zehn Millionen LeserInnen erreichte. Ab dem gleichen Jahr konnte sie ihren Wirkungskreis noch erweitern, da sie bei der NBC als Radiokommentatorin arbeitete.
Im Ladies Home Journal hatte sie ab 1937 für die nächsten 25 Jahre eine monatliche Kolumne mit “weiblicher” Thematik, wie z.B. Gärtnern, Kinder, Kunst und Haushalt. Ab 1946 veröffentlichte sie dort jedoch regelmäßig auch Artikel über die Rolle der Frau bei der Friedenssicherung.
Nachdem ihre Ehe mit Lewis 1942 geschieden wurde, heiratete Thompson 1945 zum dritten Mal und zwar den tschechischen Maler und Bildhauer Maxim Kopf.
Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges setzte sich Thompson weiterhin intensiv für die Erhaltung des Weltfriedens ein, sowie für Flüchtlinge. Auch beschäftigte sie sich mit der Situation von Israel und Palästina. Die Themen hatten sich für sie etwas geändert und auch das alte Feuer, das während des Kampfes gegen den Faschismus in ihr brannte, war erloschen.
Dorothy Thompson starb im Januar 1961 in Lissabon während eines Besuches bei ihrem Sohn Michael.
Verfasserin: Doris Hermanns
Literatur & Quellen
Hermanns, Doris. 2010. “‘Wie soll man solche Gefühle nennen, wenn nicht Liebe?’: Christa Winsloe (1888-1944) und Dorothy Thompson (1893-1961)”, in: Horsley, Joey & Luise F. Pusch. Hg. 2010. Frauengeschichten: Berühmte Frauen und ihre Freundinnen. Göttingen. Wallstein. S. 205-235
Hermanns, Doris. 2012. Meerkatzen, Meißel und das Mädchen Manuela: Die Schriftstellerin und Tierbildhauerin Christa Winsloe. Berlin. Aviva.
Kurth, Peter: American Cassandra: The Life of Dorothy Thompson. Boston, Little, Brown and Company, 1990
Metcalfe, Philip: 1933. New York, 1988
Sanders, Marion K.: Dorothy Thompson. A Legend in Her Time. Boston, Houghton Mifflin Company, 1973
Sheean, Vincent: Dorothy und Red. Die Geschichte von Dorothy Thompson und Sinclair Lewis. München/Zürich, 1964
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