Fembio Specials Exilantinnen (1933-1945) Dorothea Zeemann
Fembio Special: Exilantinnen (1933-1945)
Dorothea Zeemann
edition atelier
geboren am 20. April 1909 in Wien
gestorben am 11. Dezember 1993 in Wien
österreichische Schriftstellerin
15. Geburtstag am 20. April 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Die Großmutter, Köchin in der k.u.k. Hofküche, weigerte sich im Ersten Weltkrieg standhaft, Kriegsanleihen zu kaufen, die Mutter, Hausnäherin in adligen Familien, hatte Karl Kraus‘ Fackel abonniert und war „eine Rote“. Beide waren sie „sehr energische, fast präpotente, prägende Figuren“, wie Dorothea Zeemann sich im Alter erinnert. Ihr Vater, sagt sie, war eine eher blasse Figur. Vielleicht ist das der Grund, dass sie in ihren Beziehungen zu Männern so oft den väterlichen Freund suchte.
1924, die Fünfzehnjährige hat gerade ihre ersten „Idole“ Franz Kafka und Sigmund Freud entdeckt, lernt sie den zwölf Jahre älteren Maler Robert Holzinger kennen, den sie 1929 heiratet. Er führt sie ein in den Wiener Kreis der Literaten und Bohemiens. Dort lernt sie in den 30er Jahren den Schriftsteller und Kulturhistoriker Egon Friedell kennen, er wird ihr Lehrer und Vorbild und animiert die Autodidaktin zum Schreiben.
Das damals entstandene Buch – Ottilie. Ein Schicksal um Goethe – erscheint allerdings erst 1949. Ihr wohl eindringlichstes Buch, der Roman Rapportbuch, erschienen 1959, entstand aus eigenem Impuls. Hier schildert sie, die 1936 eine Ausbildung zur Krankenschwester begann, u.a. die offene Diskriminierung von Juden in ihrem Krankenhaus.
Ein wichtiger Freund wurde der Philosoph Walther Schneider (ihn wird sie 1946 heiraten), der ihr im Zweiten Weltkrieg regelmäßig von der Front schreibt, Briefe, die das Bewusstsein der Nazigegnerin schärfen. Sie selbst kann sich mit Robert Holzinger, der Kirchen ausmalt, durch die Kriegszeit lavieren. Aber nach Kriegsende stehen sie „da, wie vom Schicksal ausgespuckt, und fühlen uns wie Sieger, weil Hitler tot ist“.
Seit 1945 schreibt Dorothea Zeemann in Wien Rezensionen, Theaterkritiken und Kurzgeschichten. In den 50er Jahren wird sie zur mütterlichen Mentorin der „Wiener Gruppe“. Zwischen 1979 und 1991 hat sie sechs weitere Bücher veröffentlicht, darunter die autobiographischen Bände Einübung in Katastrophen und Jungfrau und Reptil. Mit der schonungslosen Wahrheitsliebe, mit der sie über sich und andere, und im zweiten Band vor allem über Heimito von Doderer schreibt, mit dem sie von 1956 bis 1966 liiert war, macht sie sich nicht nur Freunde. „Ich stehe sicher in der Tradition der Mutzenbacher“, sagt die unwürdige, weil jung gebliebene 80-Jährige kokett, als sie 1989 ihren erotischen Roman Die Liebhaberin publiziert. Bis zum Schluss war ihr das eigene Werk unheimlich: „Ich bin ganz und gar darauf eingestellt, vom Mann abzuhängen. Hetäre, Geisha, irgendeine Art von Schuhfetzen bin ich gern, und da hab‘ ich ein Buch in der Hand und finde es genierlich, dass ich der Autor bin.“
Sie war kein Aushängeschild der Feministinnen und der kämpferische Feminismus nie ihre Sache. „Ich hab‘ das Gefühl, dass es fähige Frauen gibt, und die fähigen Frauen, die kämpfen sich immer durch, und die anderen sind langweilig und machen ein Geschrei. Die Fähigen schwimmen eh‘ oben.“ Langweilig war Dorothea Zeemann nicht.
(Text von 1997)
Verfasserin: Susanne Gretter
Zitate
Ich habe immer gute Beziehungen zu Männern gehabt. Auch, was die Intimsphäre betrifft. Es waren alles Künstler, die haben genau gewusst, wo sie hingreifen.
Literatur & Quellen
Zeemann, Dorothea. 1979. Einübung in Katastrophen: Leben von 1913 bis 1945. Frankfurt/M. Suhrkamp TB 565
Zeemann, Dorothea. 1982. Jungfrau und Reptil: Leben zwischen 1945 und 1972. Frankfurt/M. Suhrkamp TB 776
Zeemann, Dorothea. 1983. Eine unsympathische Frau. Frankfurt/M. Suhrkamp.
Zeemann, Dorothea. 1997. Einübung in Katastrophen: 1913-1945. Jungfrau und Reptil: 1945-1972. Frankfurt/M. Suhrkamp TB 2637.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.