Fembio Specials Black History Clémentine Madiya Faïk-Nzuji
Fembio Special: Black History
Clémentine Madiya Faïk-Nzuji
geboren am 21. Januar 1944 in Tshofa in der Provinz Ost-Kasai, Demokratische Republik Kongo
kongolesische Sprach- und Kulturwissenschaftlerin und emeritierte Professorin der Katholischen Universität Louvain (Belgien)
80. Geburtstag am 21. Januar 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Geboren wurde Clémentine Nzuji am 21. Januar 1944 als siebtes von vierzehn Kindern und dritte von sieben Töchtern zur Zeit der belgischen Kolonialherrschaft – wie alle ihre Geschwister. Drei ältere Brüder waren als Kleinkinder gestorben. Ihre Familie gehört zum Volk der Baluba, der größten ethnischen Gruppe des Landes.
Die Eltern arbeiteten im Gesundheitswesen: Der Vater war ein angesehener Arzt, der allerdings als „Eingeborener“ nur eine Assistentenstelle wahrnehmen durfte. Die Mutter arbeitete als staatlich diplomierte Hebamme. Von klein auf führte Clémentine mit ihren Eltern und anderen Familienangehörigen ausführliche Gespräche. Was sie dabei erfuhr, notierte sie; später nahm sie solche Gespräche auf Band auf. Diese Aufzeichnungen sind die Basis ihres dokumentarischen Werkes „Tu le leur diras“ (2005).
Die Eltern legten großen Wert auf eine gute Erziehung und Bildung ihrer Kinder. Da der Vater oft versetzt wurde, verbrachten Clémentine und ihre Schwestern längere Zeit im Internat. Die meisten ihrer Geschwister sind Akademiker geworden: der älteste Bruder Aloïs Kadima ist ein bekannter kanadischer Forscher im Bereich von Mathematik und Elektronik; ihr Bruder Dieudonné Mukala Kadima einer der bedeutendsten Literaturwissenschaftler Afrikas.
Schon als Schülerin schrieb Clémentine Gedichte. 1965 gewann sie den ersten Preis eines vom senegalesischen Dichterpräsidenten L.S. Senghor ausgeschriebenen Lyrikwettwerbs. Zur Entgegennahme des Preises wurde sie nach Dakar eingeladen. Um diese Zeit leitete sie die von ihr gegründete „Pléiade du Congo“, eine Vereinigung von Kunstschaffenden aller Richtungen, von denen sich viele später einen Namen gemacht haben. 1987 verfasste sie die beste Novelle in einer afrikanischen Sprache, 1990 gewann sie einen Literaturpreis des französischen Rundfunks. Viele weitere Auszeichnungen kamen hinzu, inzwischen hat sie selbst einen Literaturpreis gestiftet.
Ihre berufliche Ausbildung begann Clementine Nzuji am Pädagogischen Institut von Kinshasa, dann studierte sie Linguistik in Besançon (Frankreich), afrikanische Sprachen, Kulturen und Literaturen an der Universität Lubumbashi (Kongo) und promovierte in Ethnologie und Linguistik an der Sorbonne in Paris. Afrikanische Gelehrte und Weise vermittelten ihr traditionelles Wissen über Religionen und Rituale, Geschichte und Genealogie sowie anthropologisch fundierte Heilmethoden.
1973 war Clementine Nzuji Ehrengast auf der Konferenz afrikanischer und asiatischer Schriftsteller in Alma-Ata in der damaligen Sowjetunion. Zu der Zeit hatte sie einen Lehrauftrag an der Universität Lubumbashi. Sie unterrichtete auch an der Universität von Niamey (Niger) und seit 1981 an der Katholischen Universität von Louvain (Löwen, Belgien). Gastprofessuren nahm sie in Afrika und Europa wahr, u. a. in Kinshasa, Bordeaux, Parma und Turin Auf vielen Konferenzen trat sie als erste „femme de lettres“ aus Afrika südlich der Sahara auf. Durch die Heirat mit Sully Faïk - ebenfalls Universitätsprofessor - wurde Belgien ihre zweite Heimat. Dort hatte sie allerdings nicht immer einen leichten Stand. Auch der anerkannten Intellektuellen und Akadamikerin begegneten Diskriminierung und Frauenfeindlichkeit, nicht nur im Alltag, sondern auch, wenn es darum ging, Gelder für Veranstaltungen und Publikationen einzuwerben. So wurde etwa ein Antrag auf finanzielle Förderung eines wissenschaftlichen Projektes abgelehnt mit dem Hinweis, man habe derzeit schon genug Geld an „arme Afrikaner“ gegeben.
Einer der Forschungsschwerpunkte von Clémentine Faïk-Nzuji ist die Ethnolinguistik, die Sammlung und Interpretation mündlich überlieferter Literatur sowie der Sprache von Zeichen, Symbolen und Kunstwerken in der zentralafrikanischen Kultur. Ihr Buch zu diesem Thema erschien auch auf Deutsch: „Die Macht des Sakralen“, 1993.
Mit „Le dit des signes“ hat Clémentine Faïk-Nzuji 1996 das erste Kompendium afrikanischer graphischer Symbole zusammengestellt. Dieses Buch wird in einer erweiterten Neuauflage im nächsten Jahr erscheinen.
Der zweite Schwerpunkt ihrer Forschung und Publikationstätigkeit ist Geschichte und Genealogie in matrilinearen und patrilinearen Gesellschaften Afrikas. Die Bedeutung der familiären Einbettung für die psychische Gesundheit hat sie auch in ihrem „Initiationsroman“ Anya (2006) dargestellt.
Immer wieder reist sie in ihre Heimat, wo inzwischen Kulturzirkel und Schulen ihren Namen tragen. Ihr bislang letztes Werk ist „Sources et Ressources“, ein großformatiges Panorama der kongolesischen Kulturen, in dem zahlreiche Wissenschaftler und Weise zu Wort kommen. Ihr Sohn Gaëtan hat beeindruckende Fotos dazu geliefert. Die uneigennützige Hilfe ihrer Kinder und inzwischen auch ihrer Enkelkinder kompensiert zum Teil den Mangel an institutioneller Unterstützung.
Clémentine Faïk-Nzuji hat fünf Kinder, sieben Enkelkinder und ist auch bereits Urgroßmutter.
(Text von 2014)
Verfasserin: Almut Seiler-Dietrich
Zitate
Die Frage „Zu wem gehöre ich aufgrund meiner Herkunft?“ ist einer der wesentlichen Aspekte der afrikanischen Kulturen, den die Europäer nicht verstanden haben. In den Genealogien steckt alles… Die afrikanische Vergangenheit ist immateriell, spirituell.
(Interview in „Literaturnachrichten“ Nr. 100, 2009. S. 29.)
Literatur & Quellen
Wissenschaftliche Arbeiten
Kasala, chant héroïque luba , Presses Universitaires du Zaïre, Lubumbashi, 1974.
Éléments de phonologie et de morphophonologie des langues bantu, éditions Peeters, Leuven, 1992 .
Symboles graphiques en Afrique noire, éditions Karthala, Paris, 1992.
La Puissance du sacré. L’homme, la nature et l’art en Afrique noire, éd. La Renaissance du Livre/Maisonneuve & Larose, Louvain-la-Neuve/Paris, 1993.
Deutsche Übersetzung : Die Macht des Sakralen — Mensch, Natur und Kunst in Africa, Walter-Verlag Solothurn und Düsseldorf, 1993.
Le Dit des signes. Répertoire des symboles dans les cultures et les arts africains, Musée canadien des civilisations — Centre international de langues, littératures et traditions d’Afrique, Hull/Louvain-la-Neuve, 1996 (plus de 600 symboles graphiques africains définis, plus de 30 photographies).
Englische Übersetzung : Tracing Memory. A Glossary of Graphic Signs and Symbols in African Art and Culture,, Canadian Museum of Civilization—International Centre for African Languages, Literature and Tradition, Hull/Louvain-la-Neuve, 1996.
Arts africains. Signes et symboles, éd. De Boeck & Larcier, Collection De Boeck Université, Louvain-la-Neuve, 2000.
Sources et Ressources. Panorama des cultures fondamentales de la RD Congo, Publications du Centre international des langues et des traditions d’Afrique, Louvain-la-Neuve, 2013.
Gedichte
Impressions, Kinshasa, 1968.
Murmures, Kinshasa, 1968.
Kasala, (Tshiluba), Kinshasa, 1969.
Le Temps des Amants, Kinshasa, 1969.
Lianes, Kinshasa 1971.
Gestes interrompus, Lubumbashi 1976.
Erzählungen
Lenga et autres contes, contes, éditions de Saint-Paul, Lubumbashi, 1976.
Cité de l’Abondance, nouvelle, prix unique au Concours annuel 1986 de l’Académie Royal des Sciences d’Outre-Mer, Bruxelles, 1986.
Tout passe, Conte de voeux, éd. du CILTADE, Louvain-la-Neuve, 2000.
Anya, roman initiatique, éditions Thomas Mols, Bierges, 2007
Dokumentation
Tu le leur diras. Le récit véridique d’une famille congolaise plongée au cœur de l’histoire de son pays, Alice éditions, Bruxelles, 2005.
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