Fembio Specials Berühmte Italienerinnen Claudia de’ Medici
Fembio Special: Berühmte Italienerinnen
Claudia de’ Medici
Wikimedia Commons
(Claudia von Medici)
geboren am 4. Juni 1604 in Florenz
gestorben am 25. Dezember 1648 in Innsbruck
Landesfürstin von Tirol
420. Geburtstag am 4. Juni 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Claudia de’ Medici, Tochter des Kunstsammlers und Gründers der Villa Medici in Rom, wurde bereits mit vier Jahren verlobt. Ihre Eltern ließen sie in einem Kloster erziehen, wo sie Harfen- und Lautenunterricht erhielt, Bilder malte und lernte, was für eine Prinzessin unabdingbar war: Frömmigkeit. Auf einem Mädchenporträt hält sie die Hände sittsam übereinander, das lockige Haar wird von einer Spitzenhaube gebändigt, der nackte Hals von einer steifen Krause geschützt.
Claudia de’ Medici war dem Thronerben von Urbino versprochen worden, der ihr sechzehnjährig einen leidenschaftlichen Liebesbrief schrieb, aus Sorge, ihre Familie könnte sie Kaiser Ferdinand II. zur Frau geben. Doch die Familie hielt sich an die Abmachung. Im Jahre 1621 machte sich die junge Braut auf den Weg nach Urbino, geneigt, die in sie gesteckten Erwartungen zu erfüllen und viele Prinzen zu gebären.
Gleich bei ihrer Ankunft wurde sie bitter enttäuscht. Ihr Gemahl hatte seine Geliebte, eine Schauspielerin, ebenfalls im Palast einquartiert und dachte nicht daran, seinen lockeren Lebenswandel aufzugeben. Empört flüchtete sie nach Pesaro. Erst als Federigo Besserung versprach, kehrte sie nach Urbino zurück. Hier gebar sie 1622 ihr erstes Kind, eine Tochter, Vittoria, kein Thronerbe, aber Beweis ihrer vielversprechenden Fruchtbarkeit.
Mit dem plötzlichen Tod von Federigo fand das zweifelhafte, eben begonnene Eheglück ein jähes Ende. Prinzessin Vittoria würde nicht berechtigt sein, über ein Herzogtum zu herrschen. Für Claudia de’ Medici eine Katastrophe. Sie musste Urbino verlassen und zurück ins Kloster gehen. Harfengeklimper statt Festtagsmusik.
Zum Glück wusste die Schwägerin Abhilfe für die 19-jährige reiche Witwe. Ihr Bruder Leopold, Bischof, Landesfürst von Tirol, steckte bis zum Hals in Schulden. Beiden wäre mit einer Heirat gedient, der Altersunterschied von 18 Jahren kein Hindernis für einen Mann in Saft und Kraft. Leopolds Kinderporträts zeigen einen helläugigen, vergnügten Wonneproppen, ungeeignet für Zölibat oder Asketentum. Die Verhandlungen zwischen Habsburgern und Medici verliefen schließlich zu aller Zufriedenheit. Nur eines wollte Leopold, der Fromme, Freund der schönen Künste, unbedingt noch tun, bevor er sein endgültiges Ja-Wort gab: seiner Beinah-Braut doch wenigstens einmal, in aller Diskretion, leibhaftig gegenüberstehen. Claudia war mit 16 Jahren an Pocken erkrankt. Was, wenn ihr hübsches Gesicht inzwischen entstellt, ihre glatte Haut mit hässlichen Narben übersät? Zu seiner großen Erleichterung musste sich Leopold V. diese Frage nicht beantworten. Auch seine Braut zeigte sich zufrieden. Sie würde einen ehemaligen Geistlichen heiraten – frei von Sünde und Unzucht, Strenge und Enthaltsamkeit.
Beide genossen ihre unerwartet gewonnene Zweisamkeit. Einer Claudia de’ Medici sollte es in der Landeshauptstadt Innsbruck an nichts fehlen. Hoftheater, Rossballett, Sauhatz und Zitronen, sogar das öffentliche Geißeln wurde ihr zuliebe von Leopold verboten. Die Erzherzogin sollte sich nicht beunruhigen, ihre kostbare Frucht musste unbedingt geschont werden. Ein Mädchen, wie sich bald herausstellte, leider, aber die Schnelligkeit, mit der Claudia schwanger wurde, gab Anlass zu größter Hoffnung. Zwischen 1627 und 1632 brachte sie im eigens aus Florenz mitgebrachten Gebärstuhl fünf Kinder zur Welt, drei Prinzessinnen und – Gott war ihr gnädig – zwei Prinzen. Die älteste Tochter, Liebling der Eltern, starb mit zweieinhalb Jahren an Ruhr, die Taufe der jüngsten erlebte der Vater Leopold nicht mehr. Claudia de’ Medici wurde mit 28 Jahren zum zweiten Mal Witwe. Diesmal musste sie keine Angst vor klösterlicher Enge haben, im Gegenteil, mit dem Tod ihres Gatten bot sich ihr eine ungeahnte Chance: Leopold V. hatte testamentarisch verfügt, dass sie bei seinem Ableben die Geschicke des Landes Tirol weiterführen durfte. Bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes blieben ihr vierzehn Jahre Regierungszeit, unabhängig und selbstbestimmt.
Die junge Landesfürstin stürzte sich mit Eifer in ihre neue Aufgabe. Sie hatte es nicht leicht. Das Land war hoch verschuldet, Minister und Räte musste sie durch den Kaiser extra ermahnen, ihren Anweisungen zu folgen. Und dann war da noch der Dreißigjährige Krieg, der kein Ende nehmen wollte. Truppen Frankreichs und des Schwedenkönigs bedrohten die Grenzen von Tirol. Daher sorgte Claudia de’ Medici für eine Reform der Landesmiliz, ließ Befestigungen ausbauen und schloss eine Allianz mit Spanien und Kaiser Ferdinand II.. Auf diese Weise konnte sie Tirol vor dem Schlimmsten bewahren.
Aber auch innenpolitisch entwickelte sie großen Ehrgeiz. Innsbruck sollte eine saubere Stadt werden, frei von Mist, Abfall und Prostitution. Ehebruch wurde streng geahndet, Hexen ohne Gnade, aber regelkonform verfolgt. Einen Beamten, der ein zehnjähriges Mädchen missbraucht hatte, ließ sie sofort entlassen und bestrafen. Nur sie allein hatte das Recht auf Begnadigung – und machte regen Gebrauch davon. Verurteilte, die gerädert, gepfählt oder verbrannt werden sollten, mussten nach ihrem Willen vorher getötet, Kindesmörderinnen milder bestraft werden. Unter ihrer Regentschaft wurden Innsbrucks Straßen gepflastert, Vorsorgemaßnahmen gegen Brände und Seuchen getroffen. Sie förderte den Handel, baute das Fischwesen aus, pflanzte Maulbeerbäume für die Seidenproduktion.
»Gott sieht alles«, lautete ihr Lebensmotto. Protestanten und Juden wurden nur bedingt geduldet. Wer nicht beichtete, wurde von ihr des Landes verwiesen. Zahlreiche sakrale Kunstwerke gab sie in Auftrag. Darunter ein Porträt der Märtyrerin Christine von Bolsena: die Landesfürstin als Heilige, mit freier Schulter und halb entblößter Brust. Vielleicht in Anlehnung an die Stillende Muttergottes von Lucas Cranach, für das die fromme Erzherzogin einen Altar stiftete.
Claudia de’ Medici ist die am meisten porträtierte Landesfürstin Tirols. In Witwentracht, mit Schreibfeder, Foliant, Schoßhündchen oder Erzherzogshut. Auf späteren Bildern wirkt sie verbraucht, müde und aufgedunsen. Die anstrengenden Jahre ihrer Regierungszeit schienen sie gezeichnet zu haben. Oder die Zeit danach, als sie das Herrschen ihrem Sohn überlassen musste und zum Nichtstun gezwungen war. Zwei Jahre blieben ihr noch, in denen das Elsaß, für das sie unermüdlich gekämpft hatte, an Frankreich überging. Unmittelbar nach Ende des Dreißigjährigen Krieges starb sie an den Folgen ihrer Wassersucht.
Verfasserin: Uta Ruscher
Zitate
Claudias Andenken bleibt allen Tirolern gesegnet. (Carl Zoller)
Links
Nerger, Klaus: Medici, Claudia de. Grabstätte in der Innsbrucker Regentenkirche, mit Kurzbiografie.
Online verfügbar unter http://nerger.biz/html/mediciclregenten43.html, zuletzt geprüft am 24.05.2019.
Universität Innsbruck: Historikerin der LFU bietet durch ihr Buch über Claudia de’ Medici die Grundlage für Dokumentarfilm. Film auf DVD erschienen, mit Hinweis auf Kaufmöglichkeit.
Online verfügbar unter http://www.uibk.ac.at/ipoint/news/uni_und_gesellschaft/383576.html, zuletzt geprüft am 24.05.2019.
Literatur & Quellen
Quellen
Grottanelli, Lorenzo (1896): Claudia de’ Medici e i suoi tempi. Firenze. Ufficio della Rassegna Nazionale.
Weiss, Sabine (2004): Claudia de’ Medici. Eine italienische Prinzessin als Landesfürstin von Tirol (1604 – 1648). Innsbruck, Wien. Tyrolia. ISBN 3-7022-2615-X. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Weiterführende Literatur
Brugger, Hans (1952): Die Regierungszeit der Erzherzogin Claudia in Tirol. Dissertation. Graz. Universität
Mehr dazu unter https://unikat.uni-graz.at/UGR:Gesamtbestand:UGR_alma21260585800003339
Gürtler, Eleonore (Hg.) (2004): Claudia de' Medici – eine Italienerin als Landesfürstin von Tirol. Ein Ausstellungsbegleiter. Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum 5. Juni – 26. September 2004. Innsbruck. Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. ISBN 3-900083-04-5.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Leopold (1626): Wahrhaffte vnd Gründtliche Relation Deren Solennitäten/ Welche sich bey der Hochfürstli: Durchl: Ertzhertzog Leopoldi zu Oesterreich [et]c. mit Durchl: Fürstlichen Claudia Großhertzogin von Florentz Jm Monat April diß 1626 Jars. Zu Ynsprugg gehaltener Hochfürstlichen Hochzeit zuegetragen haben. Augspurg. Wellhöffer.
Mehr dazu unter http://diglib.hab.de/drucke/204-10-quod-2/start.htm / urn:nbn🇩🇪gbv:23-drucke/204-10-quod-20
Schatzmann, Irmgard (2006): Die Beschreibung der Hochzeit von Leopold V. und Claudia de’ Medici (1626) durch Hans Jakob Leopardt. Mit einer Edition des Codex Dip. 803 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Diplomarbeit. Innsbruck. Universität.
Vorträge bei der Tagung am 17. Mai 2004 im Rahmen der Ausstellung: »Claudia de’ Medici – eine Italienerin als Landesfürstin von Tirol« im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck (2005). Sonderdruck. Innsbruck. Universitäts-Verlag Wagner.
Inhalt:
- Taddei, Elena: Vorwort.
- Daxecker, Franz: Erzherzog Maximilian III., Erzherzog Leopold V. und die Astronomen Christoph Scheiner und Galileo Galilei.
- Tilg, Stefan: Claudia de´ Medici und ihre Innsbrucker Familie in der höfischen lateinischen Panegyrik.
- Schlachta, Astrid von: Herrschen und vorbereiten. Claudia de´ Medici und ihre europäischen verwitweten »Kolleginnen«.
- Weiss, Sabine: Eine italienische Prinzessin als Landesfürstin von Tirol. Claudia de´ Medici und ihre Rolle in der Tiroler Geschichte.
- Rebitsch, Robert: Die Landesfürstin und der Generalleutnant. Claudia de´ Medici und Matthias Gallas im Spannungsfeld des Dreißigjährigen Krieges.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.