Fembio Specials Frauen aus Karlsruhe Clara Immerwahr
Fembio Special: Frauen aus Karlsruhe
Clara Immerwahr, verh. Haber
geboren am 21. Juni 1870 in Polkendorf, Schlesien
gestorben am 2. Mai 1915 in Berlin
deutsche Chemikerin und Pazifistin
150. Geburtstag am 21. Juni 2020
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Clara Immerwahr, Tochter aus großbürgerlichem jüdischen Hause, promovierte 1900 als erste Frau an der Universität Breslau in physikalischer Chemie. Ihr Interesse für dieses Fach war durch Jane Marcets Bestseller „Unterhaltungen über die Chemie“ (1806) geweckt worden, der Generationen von wissbegierigen Mädchen und jungen Frauen an die Chemie heranführte.
1901 heiratet Clara Immerwahr den Chemiker (und späteren Nobel-Preisträger) Fritz Haber. Ihre Hoffnungen, sich auch als Ehefrau und Mutter weiter der Forschung widmen zu können, erfüllen sich nicht. Fritz macht eine steile Karriere, sie muss die undankbare Rolle der repräsentierenden, umsorgenden und allenfalls zuarbeitenden Professorengattin übernehmen. Sie schreibt, dass neben Fritz „einfach jede Natur, die [sich nicht rücksichtslos gegen ihn] durchsetzt, zugrunde geht! Und das ist mit mir der Fall…“.
Anfang Mai 1915, mitten im Ersten Weltkrieg und kurz vor ihrem 45. Geburtstag, erschießt sich Clara Haber aus Protest gegen die von ihrem Mann geleitete erste chemische Massenvernichtung und deren unabsehbare Folgen. Zwei Wochen vor ihrem Freitod waren bei Ypern auf französischer Seite über 18.000 Mann elend durch Chlorgas verreckt.
Vor ihrem letzten, wohlüberlegten Schritt – den man später mit einem angeblich in ihrer Familie grassierenden Hang zum Selbstmord verharmlosen sollte – hatte Clara wieder und wieder vergeblich gegen die Gaskriegs-Vorbereitungen ihres Mannes protestiert. Er war als Jude vielfältigen beruflichen Diskriminierungen ausgesetzt und von der Offizierslaufbahn ausgeschlossen und hatte stets getrachtet, seinen „Makel“ durch erhöhte „Leistung“ zu kompensieren. Nun warf er ihr vor, mit ihrer Kritik ihm und dem heldenhaft kämpfenden Vaterlande in den Rücken zu fallen.
Während die zeitgenössische Lokalpresse befindet: „Die Gründe zur Tat der unglücklichen Frau sind unbekannt“, schreibt Clara Immerwahrs Biographin Gerit von Leitner: “Eine klare und deutliche Stellungnahme von ihrer Seite während des Krieges ist nicht erwünscht. Es gibt nur noch eine Möglichkeit, nicht Mittäterin zu sein. Als das Haus leer ist [nach der Feier des Sieges in Ypern] und Fritz sich mit Schlafmitteln der Verantwortung entzieht, schreibt Clara über Stunden in Abschiedsbriefen auf, was sie der Nachwelt übermitteln will. ... Das Hauspersonal hat die Abschiedsbriefe gesehen. Wer hat sie vernichtet?”
1991 verlieh die Internationale Vereinigung der Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) zum ersten Mal die Clara-Immerwahr-Medaille - eine Auszeichnung für den Einsatz gegen Rüstung und Krieg.
(Text von 1994)
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
Durch Erschießen ihrem Leben ein Ende gesetzt hat die Gattin des Geheimen Regierungsrates Dr. H. in Dahlem, der zur Zeit im Felde steht. Die Gründe zur Tat der unglücklichen Frau sind unbekannt.
(Grunewald-Zeitung vom 8. Mai 1915)
Literatur & Quellen
Dick, Jutta & Marina Sassenberg. Hg. 1993. Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert: Lexikon zu Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg. rororo Handbuch 6344.
Leitner, Gerit von. 1993. Der Fall Clara Immerwahr: Leben für eine humane Wissenschaft. München. Beck.
Schlüter, Anne. Hg. 1992. Pionierinnen - Feministinnen - Karrierefrauen: Zur Geschichte des Frauenstudiums in Deutschland. Pfaffenweiler. Centaurus.
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