Fembio Special: Europäische Jüdinnen
Clara Haskil
geboren am 7. Januar 1895 in Bukarest
gestorben am 7. Dezember 1960 in Brüssel
rumänische Pianistin
130. Geburtstag am 7. Januar 2025
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Ist ihr Genie zu beschreiben? Vielleicht reicht es, ihre »Götter« zu nennen: Mozart, Schubert, Brahms, Schumann. »Nebengötter« gab es noch viele mehr. Unzweifelhaft gehört Clara Haskil zu den größten Mozart-InterpretInnen.
Schon mit zehn Jahren wurde sie Schülerin von Alfred Cortot in Paris. Das Pariser Konservatorium verließ sie, 15jährig, mit einem Ersten Preis. Eine schöne Karriere schien sich anzubahnen. Aber es gab Hindernisse.
Für jede Musikerin, insbesondere für eine so sensible Künstlerin, brennt ein Fegefeuer vom Auftritt bis zum Ende des Vortrags. Es ist kaum zu ermessen, wie viel innere Kraft gerade diese Pianistin benötigte: Sie wusste oft nicht, ob der Beifall ihrem Vortrag galt oder ob man ihr Mitleid entgegenbrachte. Sie war von kleiner Gestalt, verwachsen, mit langen Armen. Und sie erkrankte früh, war immer kränklich.
Die junge Pianistin spielte viel Kammermusik, mit Georges Enesco, ihrem Landsmann, mit Pablo Casals, mit Eugène Ysaÿe. Und immer wieder Hindernisse.
Erst nach 1950 konnte Clara Haskil sich beim Publikum durchsetzen, Schallplattenaufnahmen dokumentieren adäquat diese späte Welt-Karriere.
Was war das Besondere an ihrem Spiel? Wer ihr zuhörte, fühlte sich in eine andere Welt entrückt, in ein Reich jenseits von Raum und Zeit, von Leben und Tod. Diese Interpretin, einfühlsam und intelligent zugleich, versuchte nie den Komponisten oder ihren PartnerInnen den Rang streitig zu machen, sie vermochte sich »unterzuordnen«. Dienerin der Musik, nicht Mittelpunkt des Geschehens. 
Doch niemals gebrach es ihrem Vortrag an Energie, Vitalität und Kraft. Ein wundervolles Beispiel dafür ist die Aufnahme sämtlicher Violinsonaten von Beethoven, mit Arthur Grumiaux. Diesen Partner entführte sie in unbekannte Höhen – das unfassbare Wunder der Inspiration!
Die materiellen Probleme waren Anfang der 1950er Jahre vorbei, die gesundheitlichen nie. Das schreckliche Ende: Ein Sturz auf der Bahnhofstreppe in Brüssel, ihr Tod am 7. Dezember 1960. Sie wird die Größte bleiben, es ist kein Ende.
(Text von 1994)
Zitate
Nach dem Verebben des frenetischen Beifalls wurde Beethovens Sonate in Es-Dur, Op. 31, Nr. 3, mit einer derart umfassenden und erschreckenden Eindringlichkeit gespiel
t, wie ich es noch nie zuvor gehört habe und auch nicht erwarte, jemals wieder zu hören. Besonders das Scherzo in 2/4 (gespielt mit Galgenhumor und unerbittlichem Vorwärtsstreben) und der letzte Satz des Presto con fuoco tarantella, der auf ein höchst ruhig gespieltes Menuetto folgte, zwang das Publikum förmlich auf die Stuhlkanten, eine fast unglaubliche Bravourleistung, wenn man bedenkt, in welcher geschwächten körperlichen Verfassung sich Clara Haskil befand.
(Peter Feuchtwanger, siehe Linkliste)
Oft spiele ich die Schallplatten, die noch kurz vor ihrem Tode aufgenommen wurden. Bevor ich damit begann, dieses Manuskript zum sechsten Mal umzuschreiben, legte ich Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 mit Clara Haskil am Flügel und Markevitch als Dirigenten auf. Für mich ist das eine so große Annäherung an die Wahrheit, wie es ein Kunstwerk nur sein kann, und es ist mir immer wieder eine Quelle der Ermutigung gewesen, dieses Buch zu beenden.
(Charlie Chaplin in seiner Autobiographie Die Geschichte meines Lebens, 1964)
Links
Concours Clara Haskil. Internationaler Klavierwettbewerb zu Ehren der Pianistin (2020).
Online verfügbar unter http://clara-haskil.ch, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Discogs (2020): Clara Haskil. Diskografie.
Online verfügbar unter https://www.discogs.com/de/artist/1173665-Clara-Haskil, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Feuchtwanger, Peter: Clara Haskil. Texte zu Clara Haskil aus den Jahren 1975 bis 2007 (über Menü links erreichbar).
Online verfügbar unter http://www.peter-feuchtwanger.de/deutsche-version/clara-haskil/index.html, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
IMDb (2020): Clara Haskil. Filme.
Online verfügbar unter https://www.imdb.com/name/nm9837161/?ref_=fn_nm_nm_1, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Clara Haskil. Veröffentlichungen von und über Clara Haskil.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/118546635, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Lempfrid, Wolfgang (1987): Clara Haskil. Sendemanuskript für den Deutschlandfunk, Köln (Sendung: 26.11.1987 – Historische Aufnahmen).
Online verfügbar unter http://www.koelnklavier.de/texte/interpreten/haskil.html, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Play SRF (2011): Sommer-Reprise: Clara Haskil - Wunderkind mit später Blüte. Audiobeitrag. Erstausstrahlung: 08.05.2011.
Online verfügbar unter https://www.srf.ch/play/radio/passage/audio/sommer-reprise-clara-haskil-wunderkind-mit-spaeter-bluete?id=5a20e124-0d3e-46ef-a399-4b74e9677860, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Rosenfelder, Ruth (2020): Clara Haskil | Jewish Women's Archive. Biografie (engl.).
Online verfügbar unter https://jwa.org/encyclopedia/article/haskil-clara, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
YouTube: Clara Haskil. Tondokumente mit Standbildern (leider keine originalen Filmaufzeichnungen).
Online verfügbar unter http://www.youtube.com/results?search_query=Clara+Haskil&aq=f, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Zednik, Stefan (2020): Vor 125 Jahren geboren - Durchbruch erst mit 50 - die Pianistin Clara Haskil. Deutschlandfunk, 07.01.2020.
Online verfügbar unter https://www.deutschlandfunk.de/vor-125-jahren-geboren-durchbruch-erst-mit-50-die-pianistin.871.de.html?dram:article_id=467190, zuletzt geprüft am 04.12.2020.
Literatur & Quellen
Tonaufnahmen (ausgewählte CD-Boxsets)
Clara Haskil. (2009) Bach, Schumann, Mozart, Schubert, Beethoven, Scarlatti. 10 CDs in Einzelhüllen in Kassette. Hamburg. Membran Music. (Documents) (Amazon-Suche)
Clara Haskil Edition. (2010) 17 CDs (Trackliste). London. Decca Music Group.
Haskil spielt Mozart. (2007) Berühmte Klavierkonzerte, Sonaten für Klavier und Violine, Klavierwerke solo. 6 CDs in Kassette. Berlin. Universal Music Classics & Jazz. (Eloquence) (Amazon-Suche)
Quellen
Dick, Jutta (Hg.) (1993): Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert. Lexikon zu Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. (rororo, 6344 : rororo-Handbuch) ISBN 3-499-16344-6. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Hauert, Roger; Gavoty, Bernard (1962): Clara Haskil. Unter Mitarbeit von Arnold-Heinz Eichmann. Genf. Kister. (Die großen Interpreten) (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Kruijff, Jan de (o. J.): Hommage à Clara Haskil. Schallplattentext. Philips Holland.
Range, Hans-Peter (1964): Die Konzertpianisten der Gegenwart. Ein Musikliebhaber berichtet über Konzertmilieu und 150 Klavier-Virtuosen. Lahr/Schwarzwald. Schauenburg. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Spycket, Jérôme (1977): Clara Haskil. Eine Biographie. Mit einem Vorwort von Herbert von Karajan. Bern, Stuttgart. Hallwag. ISBN 3-444-10209-7. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Steegmann, Monica (Hg.) (1996): Frauen mit Flügel. Lebensberichte berühmter Pianistinnen ; von Clara Schumann bis Clara Haskil. Frankfurt am Main, Leipzig. Insel-Verl. (Insel-Taschenbuch, 1714) ISBN 3-458-33414-9. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wernhard, Eike (Hg.) (1997): Apropos Clara Haskil. Mit einem Essay von Eike Wernhard. Frankfurt am Main. Verl. Neue Kritik. (Apropos, 7) ISBN 3-8015-0303-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Weiterführende Literatur
Mayer, Hans (1999): Gelebte Musik. Erinnerungen. 1. Aufl. Frankfurt am Main. Suhrkamp. ISBN 3518410407. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Roulet, Daniel de; Hoffmann-Dartevelle, Maria (2009): Nach der Schweiz. 27 Porträts zur Metamorphose eines Nationalgefühls. (=Un glacier dans le coeur) Zürich. Limmat-Verl. ISBN 9783857915949. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolfensberger, Rita (1962): Clara Haskil. 2. Aufl. Bern, Stuttgart. Scherz. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
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