Fembio Specials Berühmte Ärztinnen Cicely Saunders
Fembio Special: Berühmte Ärztinnen
Cicely Saunders
Commons.Wikimedia.org
geboren am 22. Juni 1918 in London, Barnet
gestorben am 14. Juli 2005 in London
britische Ärztin und Sozialarbeiterin
105. Geburtstag am 22. Juni 2023
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Die Begründerin der internationalen Hospizbewegung und Vorkämpferin der Palliative Care setzte sich mehr als fünf Jahrzehnte lang in Praxis, Forschung und Lehre für die Begleitung von Sterbenden ein.
1965 fragte sie in einem Vortrag, den sie in London hielt: Wer macht es besser im Sterben? „… die, deren Sterbetage die Krönung eines hingebungsvollen Lebens sind, das junge Mädchen, das die ganze Abteilung für Wochen in einen einzigen Partyraum verwandelt (…) oder der ältere Herr, der es in seinen letzten Tagen schafft, sein Hadern aufzugeben?“
Cicely Saunders wurde am 22. Juni 1918 in Barnet, einem Außenbezirk von London, geboren, wo sie als Erstgeborene zusammen mit zwei Brüdern in materieller Sicherheit aufwuchs. Sie war kein einfaches Kind, die Trennung ihrer Eltern war für sie schmerzvoll; sie hasste die Schule, war einsam und unbeliebt, wie sie in einem Interview 1994 erzählte. Eine Außenseiterin, die schon sehr früh ein Gespür für Menschen entwickelte, denen es nicht gut geht.
Ab 1938 studierte sie am St. Anne’s College in Oxford Politikwissenschaft, Philosophie und Wirtschaft; 1940 brach sie ihr Studium ab, weil sie während des Krieges etwas Nützliches tun wollte. Sie ließ sich in der renommierten Schwesternschule „Florence Nightingale“ im St. Thomas‘s Hospital in London zur Krankenschwester ausbilden. Aufgrund ihrer Rückenschmerzen konnte sie den Beruf nicht ausüben; also studierte sie in Oxford Sozialarbeit, schloss 1947 mit Auszeichnung ab und arbeitete dann als medizinische Sozialarbeiterin im St. Thomas’s Hospital; überwiegend begleitete sie krebskranke Menschen.
„Meine spirituelle Reise und die Suche nach Gott begann, als ich während des Krieges Krankenschwester war“. Lange Zeit war ihr nicht klar, wozu sie berufen war: Das Erlebnis mit dem sterbenden Patienten David Tasma, den sie 1948 kennenlernte und in den sie sich verliebte, brachte ihr Klarheit. Mit dem Satz „Ich möchte ein Fenster in deinem Haus sein“, inspirierte er sie zu ihrem Lebenswerk. Tasma hatte noch sechs Wochen zu leben, er starb im Alter von 40 Jahren und schenkte ihr 500 Pfund, das Startkapital für ihr Hospiz. Davids Fenster ist heute noch im Empfangsbereich des St. Christopher’s Hospice in London zu sehen.
Bald wurde ihr bewusst, dass sie als Ärztin mehr bewirken könnte, und so begann sie 1951 ihr Medizinstudium, das sie 1957 mit Auszeichnung abschloss. Nun setzte sie ihre Vision von einem eigenen Hospiz in die Tat um: Sie gewann einflussreiche Personen aus Kirche, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik für ihre Idee. Sieben Jahre lang arbeitete sie als Ärztin im Hospiz der Barmherzigen Schwestern in London. 1967 wurde in Sydenham, im Südosten Londons, das St. Christopher’s Hospice mit 120 Betten eröffnet. Von 1967 bis 1985 war sie dessen medizinische Direktorin. Angegliedert war ein Forschungs- und Weiterbildungszentrum, das neueste Erkenntnisse der Schmerztherapie, Pflege und Seelsorge dokumentierte und weiterentwickelte. Hervorragende Leistungen erbrachte Cicely Saunders auch auf dem Gebiet der Schmerztherapie: Sie setzte sich für die Nutzung von Opiaten und deren richtige Dosierung ein, merkte aber auch, dass dies allein nicht reichte. Sie begründete das Konzept des „total pain“ d.h. sie betrachtete Schmerz als ganzheitliches Phänomen mit körperlichen, emotionalen, sozialen und spirituellen Dimensionen.
„Der Trennungsschmerz ist der schlimmste Schmerz überhaupt. Trauerarbeit ist in mancherlei Hinsicht schwieriger als das Sterben.“
Herzstück des Hospizes ist die Kapelle, die auch ihre christliche Gesinnung deutlich macht. Cicely Saunders war es wichtig, dass Menschen aller Glaubensüberzeugungen aufgenommen werden und sich getragen fühlen. Sie engagierte sich in ethisch-politischen Debatten – Sterben war für sie ein Vorgang, der seine eigene Würde hat und für den es einen sinnvollen Einsatz von Medikamenten braucht, aber auch Zeit, Nähe, Phantasie und Hingabe. Eine Legalisierung aktiver Sterbehilfe lehnte sie vehement ab, weil sie befürchtete, dass alte Kranke unter Legitimationsdruck kämen.
„Es macht schutzbedürftige Menschen so verletzlich, dass sie glauben, sie wären eine Last für die anderen. Die Antwort ist eine bessere Betreuung der Sterbenden, um sie zu überzeugen, dass sie immer noch ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft sind.“
Zwischen 1960 und 1993 wurde sie mehr als fünfzehnmal mit einem Ehrendoktorat ausgezeichnet. 1980 erhielt sie von Queen Elizabeth II den Orden des Britischen Empire und wurde dadurch in den persönlichen Adelsstand erhoben. 1989 nahm die Königin sie in den Order of Merit aufgenommen, und sie erhielt als einzige Frau des 20. Jahrhunderts in England den Ehrendoktor der Medizin. 2001 wurde das von ihr gegründete Hospiz mit dem Conrad N. Hilton Humanitarian Prize ausgezeichnet, der mit 1,5 Mio US-Dollar dotiert ist.
1980 heiratete sie den 18 Jahre älteren polnischen Maler Marian Buhusz-Skysko, den sie bereits 1963 in einer Londoner Galerie kennengelernt hatte. Sie starb im Alter von 87 am 14. Juli 2005 in ihrem Londoner Hospiz. Weltweit entstanden nach diesem Vorbild bis 2005 über 8000 stationäre Hospize; mittlerweile ist die Hospiz- und Palliative-Care-Idee in vielen Ländern zu einer Selbstverständlichkeit geworden.
I did not found hospice; hospice found me.
(dt. Ich habe das Hospiz nicht erfunden – das Hospiz hat mich gefunden.)
(Text von 2017)
Verfasserin: Ingrid Windisch und Heidi Hintner
Links
- www.cicelysaundersinternational.org (Abrufdatum: 04.02.17)
- www.stchristophers.org.uk (Abrufdatum: 04.02.17)
- www.cicelysaundersarchive.wordpress.com (Abrufdatum: 04.02.17)
- www.palliativ-portal.de (Abrufdatum: 04.02.17)
- www.gla.ac.uk/research/az/endoflifestudies/projects/cicelysaunders/ (Abrufdatum: 04.02.17)
Links geprüft am 26. Mai 2023 (AN)
Literatur & Quellen
- Holder-Franz, Martina. 2012. „… dass du bis zuletzt leben kannst.“ Spiritualität und Spiritual Care bei Cicely Saunders. Zürich, TVZ.
- Saunders, Cicely (Hgin). 2015. Der Horizont ist nur die Grenze unserer Sicht. Eine persönliche Sammlung ermutigender Texte für Palliative Care und Hospizarbeit. Zürich, TVZ.
- Saunders, Cicely. 2009. Sterben und Leben. Spiritualität in der Palliative Care. Zürich, TVZ.
- Saunders, Cicely. 2006. Selected Writings. 1958-2004. Oxford. University Press.
- Saunders, Cicely, 1993. Hospiz und Begleitung im Schmerz. Freiburg. Herder Spektrum.
- Saunders, Cicely und Baines, Mary. 1991. Leben mit dem Sterben. Bern/Göttingen/Toronto. Huberverlag.
Filme/Podcasts:
- Reinhold Iblacker/Siegfried Braun. 1971. Noch sechzehn Tage. Eine Sterbeklinik in London. ZDF-Dokumentation.
- Maureen Lipman on Dame Cicely Saunders. 2016. BBC Radio 4
- Sue Lawley's castaway is Dame Cicely Saunders.
- David Clark referiert über Leben, Werk und Erbe von Cicely Saunders 2014 in Pamplona/Navarra: www.youtube.com/watch?v=fwWlKYM9s2o (Abrufdatum: 04.02.17)
- Cicely Saunders über Schmerzen und Palliative Care: www.youtube.com/watch?v=r4_cDf4Ip1k (Abrufdatum: 04.02.17)
- Cicely Saunders Dankesrede anlässlich des Hilton Humanitarian Preises 2001: www.youtube.com/watch?v=8uh6y98e1fw (Abrufdatum: 04.02.17)
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.