Fembio Specials Europäische Jüdinnen Charlotte Wolff
Fembio Special: Europäische Jüdinnen
Charlotte Wolff
geboren am 30. September 1897 in Riesenburg, Westpreußen
gestorben am 12. September 1986 in London
deutsch-englische Schriftstellerin, Chirologin, Ärztin, Sexualforscherin
125. Geburtstag am 30. September 2022
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Charlotte Wolff war nicht nur als emigrierte Jüdin eine Außenseiterin, sondern auch als Wissenschaftlerin, die den Mut besaß, ungewohnte Wege unabhängig vom Urteil der Fachkolleginnen zu gehen. Auf die deutsche Lesbenbewegung der siebziger Jahre übte sie einen nachhaltigen Einfluss aus: »Wir [Freundinnen] liebten uns mit großer Zärtlichkeit und Freude. Der körperliche Aspekt unserer Liebe war ein natürliches Ergebnis unserer Freundschaft. Die Erfahrung machte mir bewusst, wie blöde die Sexbücher sind…«
Wolff studierte in Berlin Philosophie und Medizin und arbeitete dann an einer Klinik für Familienplanung in einem Berliner Arbeiterinnenviertel, bis ihre Tätigkeit von den Nazis unterbunden wurde. Zur Emigration gezwungen, floh sie nach Frankreich. Da sie als Ärztin im Ausland nicht praktizieren durfte, verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt mit der Handanalyse.
1936 siedelte sie nach London über und machte sich bald mit der psychologischen Diagnose der Hände und Gestik einen Namen. Sie arbeitete mit Julian Huxley im Londoner Zoo und verglich die Hände der Affen mit Menschenhänden. Diese Studien erregten Aufsehen und brachten ihr die Ehrenmitgliedschaft in der British Psychological Society ein.
Neben ihrer Tätigkeit als Psychotherapeutin schuf sie sich durch ihre Studien über die lesbische Liebe einen internationalen Ruf. 1971 erschien Love between Women (dt. Die Psychologie der lesbischen Liebe), 1977 eine Untersuchung über Bisexualität – die erste umfassende zu diesem Thema überhaupt. Ihre Überzeugung, dass alle Formen von Sexualität eine Berechtigung haben, wenn sie auf Liebe gegründet sind, vertrat sie bis an ihr Lebensende.
Ihr wohl wichtigstes Werk ist ein Porträt des Berliner Sexualreformers Magnus Hirschfeld, das sie kurz vor ihrem Tod fertigstellte. Sie schrieb auch Romane (z. B. Flickwerk – über die erotischen Beziehungen zwischen älteren Frauen) und zwei Autobiographien: die erste ist eine Schilderung ihrer sexuellen Entwicklung, die zweite (Augenblicke verändern uns mehr als die Zeit) ihre Lebensgeschichte bis zum Jahr 1978.
1978 betrat sie zum ersten Mal seit ihrer Vertreibung deutschen Boden. Sie hatte Vorbehalte, dies zu tun; wer sie persönlich kennenlernte, bekam ihre seismographische Empfindlichkeit zu spüren, war aber auch von ihrer Ausstrahlung fasziniert, ihrer Intuition, ihrer intellektuellen Energie und ihrem Einfühlungsvermögen. Aus ihrer erotischen Zuneigung zu Frauen, die sie schon als Studentin lebte, machte sie nie einen Hehl; ihr entstammte eine Toleranz für Menschen und Lebensformen, die ihre Arbeit prägte.
(Text von 1990)
Verfasserin: Eva Rieger und Christiane von Lengerke
Zitate
Etwas in mir brannte, über meine merkwürdigen, wunderbaren Freundinnen zu schreiben. Sie waren die richtigen Romanfiguren ... diese Frauen lebten fünfzig Jahre in großer wirklicher Leidenschaft, aber sie wussten nicht, dass man es lesbische Liebe nennt, oder wollten es nicht wissen…
(Charlotte Wolff über ihren Roman An Older Love, dt. Flickwerk)
Links
Charlotte Wolff Kolleg (Link aufrufen)
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Charlotte Wolff. Literatur und Medien. (Link aufrufen)
Kleiber, Hannah; Weiland, Martina: »Ein Leben aus erster Hand« oder »Augenblicke verändern uns mehr als die Zeit«. Porträt über Dr. Charlotte Wolff. YACHAD - Vereinigung schwuler, lesbischer und bisexueller Jüdinnen und Juden in Deutschland. (Link aufrufen)
Kröner, Sabine (2010): Lesbengeschichte – Biografische Skizzen – Charlotte Wolff (Link aufrufen)
Loos, Ute (2000): Portrait Charlotte Wolff. Lespress. (Link aufrufen)
Pabst-Wolter, Rainer: Biografie Charlotte Wolff. Sehr schön gestaltete Seite – mit Bibliografie, tabellarischem Lebenslauf und Bonusmaterial. (Link aufrufen)
Perlentaucher: Charlotte Wolff. Rezensionen. (Link aufrufen)
Zitate-Portal: Zitate von Charlotte Wolff (Link aufrufen)
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Literatur & Quellen
1. Quellen
Lengerke, Christiane von; Rieger, Eva (1987): Charlotte Wolff – eine unbequeme, aber leidenschaftliche Mitstreiterin. In: Virginia, Nr. 2, März 1987. S. 1–2.
Wall, Renate (1989): Verbrannt, verboten, vergessen. Kleines Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1933 bis 1945. 2., durchges. Aufl. Köln. Pahl-Rugenstein. (Kleine Bibliothek, 510 : Frauen) ISBN 3-7609-1310-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1980): Hindsight. An Autobiography. London. Quartet Books. ISBN 0704322536. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
2. Werke
2. 1. Wissenschaftliche Werke
Wolff, Charlotte (1928): Die Fürsorge für die Familie im Rahmen der Schwangerenberatung der Ambulatorien des Verbandes der Berliner Krankenkassen. Medizinische Dissertation. Charlottenburg. (WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1936): Studies in hand-reading. Herausgegeben von O. M Cook und Aldous Huxley. London. Chatto & Windus. (WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1942): The human hand. Herausgegeben von William Stevenson. London. Methuen. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1945): A psychology of gesture. Herausgegeben von Anne Tennant. London. Methuen. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1951): The hand in psychological diagnosis. London. Methuen. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1970): Die Hand des Menschen. (=The human hand) Weilheim/Obb. O. W. Barth. ISBN 3-87041-231-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1971): Love between women. London. Duckworth. ISBN 0-7156-0579-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1973): Psychologie der lesbischen Liebe. Eine empirische Studie der weiblichen Homosexualität. (=Love between women) 14. - 16. Tsd. Reinbek (bei Hamburg). Rowohlt. (Rororo, 8040 : rororo-Sexologie) ISBN 3-499-68040-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1979): Bisexualität. (=Bisexuality) Aus dem Englischen von Brigitte Stein. Frankfurt am Main. Goverts. ISBN 3-7740-0501-X. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1979): Bisexuality. A study. Revised and expanded edition. London. Quartet Books. ISBN 0-7043-3253-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1983): Die Hand als Spiegel der Psyche. Wissenschaftliche Handdeutung. (=The human hand) 1. Aufl. d. Neuausg. Bern, München, Wien. Barth. ISBN 3-502-66635-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1986): Magnus Hirschfeld. A portrait of a pioneer in sexology. London. Quartet Books. ISBN 0-7043-2569-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1988): Die Hand als Spiegel der Seele. Handdeutung aus physiologischer und psychologischer Sicht. (=The human hand) Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. (Rororo, 8084 : rororo-Sachbuch) ISBN 3-499-18084-7. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
2.2. Autobiografien und Briefe
Wolf, Christa; Wolff, Charlotte (2004): Ja, unsere Kreise berühren sich. Briefe. München. Luchterhand. ISBN 3-630-87182-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1969): On the way to myself. Communications to a friend. 1. publ. London. Methuen. ISBN 0-416-12450-X. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1971): Innenwelt und Außenwelt. Autobiographie eines Bewusstseins. (=On the way to myself) München. Rogner und Bernhard. ISBN 3-920802-80-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1980): Hindsight. An Autobiography. London. Quartet Books. ISBN 0704322536. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1983): Augenblicke verändern uns mehr als die Zeit. Autobiographie. (=Hindsight) Pfungstadt. Kranichsteiner Literaturverlag. 1983. ISBN 3-929265-15-X. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
2.3. Romane
Wolff, Charlotte (1976): An older love. A novel. 1. publ. London. Virago; Quartet Books. ISBN 0-704-32810-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (1977): Flickwerk. Roman. (=An older love) 1. Aufl. München. Frauenoffensive. ISBN 3881040250. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Wolff, Charlotte (2003): Späte Liebe. Roman. (=An older love) 1. Aufl. München. Frauenoffensive. ISBN 3-88104-357-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
3. Weiterführende Literatur
Erler, Hans (Hg.) (1997): “Meinetwegen ist die Welt erschaffen”. Das intellektuelle Vermächtnis des deutschsprachigen Judentums ; 58 Portraits. Frankfurt/Main. Campus-Verlag. ISBN 3593358425. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Rappold, Claudia (2005): Charlotte Wolff. Ärztin, Psychotherapeutin, Wissenschaftlerin und Schriftstellerin. 1. Aufl. Teetz, Berlin. Hentrich und Hentrich. (Jüdische Miniaturen, 34) ISBN 3-938485-13-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
Charlotte-Wolff-Seite von Rainer Pabst-Wolter
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