Fembio Specials Frauenbeziehungen Charlotte Mew
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Charlotte Mew
(Charlotte Mary Mew)
geboren am 15. November 1869 in London
gestorben am 24. März 1928 in London
britische Schriftstellerin und Dichterin
155. Geburtstag am15. November 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Charlotte Mew, von ihrer Familie Lotti genannt, wurde als drittes von sieben Kindern geboren. Ihr Vater war der Architekt Frederick Mew, der die Tochter seines Partners geheiratet hatte: Anna Kendall. Drei der Kinder starben früh, eine Schwester und ein Bruder wurden später mit Schizophrenie in psychiatrische Einrichtungen eingewiesen. Mit ihrer verbleibenden Schwester Anne Hatte Charlotte zeitlebens ein enges Verhältnis. Laut einer späteren Freundin, der Mitinhaberin des Poetry Bookshops, Alida Monro, beschlossen die beiden Schwestern schon früh, nicht zu heiraten, denn sie fürchteten, sie könnten diese Krankheit vererben. Wie sehr dieses Thema Charlotte Mew beschäftigte, zeigt sich darin, dass sie mehrfach in Gedichten darüber schrieb, so z. B. in dem Gedicht „Ken“, und in „On the Asylum Road“ nennt sie die Betroffenen „the saddest crowd that you will ever pass“ spricht.
Eine wichtige Person in ihrer Kindheit war ihr Kindermädchen, die Bedienstete Elizabeth Goodman, die 26 Jahre lang bei der Familie arbeitete und über die sie in ihrem Artikel „An Old Servant“, der 1913 im New Statesman veröffentlicht wurde, liebevoll schrieb, dass sie alles wusste, alles konnte und eine von ihnen – den Kindern – war, sie wurde von ihnen nicht als Erwachsene angesehen. Aber sie war es auch, die ihr ein Bewusstsein von Schuld und Rache im Sinne des Evangeliums vermittelte.
Ab 1882 besuchte Charlotte Mew die Gower Street School, wo sie sich unsterblich in deren Direktorin, Lucy Harrison, verliebte. Als diese 1883 ihre Stelle aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, verfiel Mew in heftige Trauer. Aber Harrison unterrichtete noch einige ihrer Lieblingsschülerinnen weiter, zu ihnen zählte auch Charlotte Mew. Von ihr lernte Charlotte vor allem Mäßigung und Selbstdisziplin, sowie Liebe zur englischen Literatur. Später sollte sie in einigen Zeitungsartikeln z. B. über die Gedichte von Emily Brontë sowie über Mary Stuart in der der Literatur schreiben.
Anschließend besuchte Mew Vorlesungen am University College in London. Sie spielte sowohl Orgel als auch Klavier und war sehr belesen in englischer und französischer Literatur. Während ihre Schwester Anne eine Ausbildung als Malerin an der Queen’s Square Female School of Art machte, wandte sie sich dem Schreiben zu. Ihr Debüt machte sie 1894 mit der Kurzgeschichte „Passed“, die in der Juli-Ausgabe der britischen Literatur- und Kunstzeitschrift Yellow Book, der ihrerzeit wohl besten Kunstzeitschrift, veröffentlicht wurde. Weitere Geschichten, Artikel und Gedichte erschienen in diversen Zeitschriften.
Die beiden Schwestern bewegten sich in einem Freundeskreis, in dem es zahlreiche KünstlerInnen gab. Charlotte Mew galt als „Neue Frau“, sie machte ihre Besuche ohne Begleitung, rauchte selbstgedrehte Zigaretten, trug Krawatte und das Haar kurzgeschnitten und fluchte. Sie und ihre Freundinnen sahen sich nicht als Bohèmiennes, sondern als Dandys.
Nach dem Tod ihres Bruders 1901 verließ Mew London und reiste mit der Schriftstellerin Ella D‘Arcy nach Paris und in die Bretagne, wo sie mit fünf anderen Frauen einige Zeit im Kloster St. Gilda de Rhuys verbrachte. Diese Erfahrungen verarbeitete sie später in ihrem Artikel „Notes in a Brittany Convent“, sowie dem Gedicht „The Little Portress“.
Aber ihre Mutter rief sie schnell wieder zurück nach London, da sie es nicht mochte, wenn ihre Töchter zu lange wegblieben. Die Verbundenheit mit ihrer Familie war Charlotte Mew wichtiger als ihr Bedürfnis nach Freiheit. Zu dieser Zeit widmete sie sich vermehrt der Lyrik.
Eine der Bewunderinnen ihres Werkes war May Sinclair, die zu diesem Zeitpunkt bereits eine bekannte Schriftstellerin war. Die beiden waren von 1913 bis 1916 miteinander befreundet. Sinclair war eine wichtige Inspirationsquelle für Mew, deren produktivste Phase in diese Zeit fiel. Sinclair sorgte dafür, dass Mews Werk von anderen KritikerInnen wahrgenommen wurde, so z. B. Ezra Pound, der Mews Gedicht „Fin de fête“ im Literaturmagazin The Egoist unterbrachte, in dem Lyrik und Prosa der klassischen Moderne veröffentlicht wurden.
Die Freundschaft mit Sinclair endete, als Mew sich – unerwidert - in sie verliebte. Enge Freundschaften verbanden Mew sowohl mit der Gründerin des PEN, Catherine Amy Dawson-Scott, als auch mit Alida Klemantaski, die mit dem Verleger Harold Monro verheiratet war und mit ihm den Poetry Bookshop betrieb. Harold Monro sorgte für die Veröffentlichung ihres ersten Buches: 1916 erschien der Band „The Farmer’s Bride“ mit siebzehn Gedichten in einer Auflage von 500 Exemplaren. Auch wenn sich das Buch nur schleppend verkaufte, machte es die Autorin doch bei einigen Prominenten der Literaturszene bekannt, die sie begeistert besprachen, wie z. B. H. D. (Hilda Doolittle) und Rebecca West. Eine zweite Auflage, die um elf Gedichte erweitert wurde, erschien 1921 und wurde im gleichen Jahr unter dem Titel „Saturday Market“ in den USA veröffentlicht. Erst 1929 - also im Jahr nach ihrem Tod – erschien, ebenfalls herausgegeben vom Poetry Bookshop, ihr zweiter Gedichtband „The Rambling Sailor“.
Im Mittelpunkt ihrer Werke, die oft Ausdruck von Isolation und Missverständnissen sind, stehen häufig Frauen, die die heterosexuelle Rolle aus unterschiedlichen Gründen nicht erfüllen, ohne dass sie eine positive Alternative erleben.
Selbst galt Mew als etwas exzentrisch, und als regelmäßige Besucherin des Poetry Bookshops wurde sie „Auntie Mew“ genannt; dort konnte sie sie selbst sein und brauchte sich nicht zu beweisen.
Nachdem ihre Mutter 1922 gestorben war, zogen die beiden Mew-Schwestern in das Studio von Anne Mew, die kurz darauf an Leberkrebs erkrankte und 1927 starb. Selber begab sich Charlotte Mew ein Jahr später in ein Pflegeheim, wo sie nach einem Monat Selbstmord beging.
Auch wenn ihr der große Durchbruch während ihres Lebens versagt blieb, werden Mews Werke doch bis heute immer wieder neu aufgelegt.
(Text von 2018)
Verfasserin: Doris Hermanns
Zitate
“I have got Charlotte Mews book, and I think her very good and interesting and unlike anyone else.” (Virginia Woolf, letter to R.C. Trevelyan, 25 January 1920)
“Charlotte Mew (the greatest living poetess)” (Virginia Woolf, letter to Vita Sackville-West, 9 November 1924)
Literatur & Quellen
Literatur von Charlotte Mew
The Farmer’s Bride. London, The Poetry Bookshop, 1916
The Farmer’s Bride. London, The Poetry Bookshop, 1921. A new Edition with eleven new Poems
Saturday Market. New York, Macmillan, 1921
The Rambling Sailor. London, The Poetry Bookshop, 1929
Collected Poems, with a Biographical Memoir by Alida Monro. London, Duckworth,1953
Collected Poems and Prose. Edited by Val Werner. Manchester, Carcanet, 1981
Collected Poems and Prose. Edited and with an Introduction by Val Warner. London, Virago, 1982, in association with Carcanet Press, Manchester
The Trees are Down. Sidcot, The Gruffyhound Press, 2002. Illustrations: Linda Holmes
Collected Poems and Selected Prose. Edited by Val Werner. Manchester, Carcanet, 2006
Selected Poems. Edited with an introduction by Eavan Boland. Manchester, Carcanet, 2008
Literatur über Charlotte Mew:
Denisoff, Denis: Mew, Charlotte Mary. In: Robert Aldrich and Garry Wotherspoon (ed.): Who’s Who in Gay and Lesbian History From Antiquity to World War II. London and New York, Routledge, 2001
Fitzgerald, Penelope: Charlotte Mew and Her Friends, with a Selection of her Poems. 1988
Joiner, Sandra Carol: Charlotte Mew: An Introduction. M.A. Western Kentucky University 1989
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