Fembio Specials Exilantinnen (1933-1945) Charlotte Berend
Fembio Special: Exilantinnen (1933-1945)
Charlotte Berend
(Charlotte Berend-Corinth [Ehename])
geboren am 25. Mai 1880 in Berlin
gestorben am 10. Januar 1967 in New York City, USA
deutsche Malerin
55. Todestag am 10. Januar 2022
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
„Lieber Gott … Führe mich heraus aus dieser Familie, laß mich nicht schwatzhaft werden. Nicht alltäglich … Führe mein Leben woanders hin … laß mich eine Künstlerin werden, bringe mich woanders hin.“ (aus ihrem Tagebuch, in: El-Akramy: Die Schwestern Berend)
Als jüngere Schwester der späteren Schriftstellerin Alice Berend wurde Charlotte Berend am 25. Mai 1880 in Berlin in einer bürgerlichen jüdischen Familie geboren. Ihr Vater war Fabrikant, ihre Mutter eine Bankierstochter.
Schon früh war für Charlotte Berend klar: Sie wollte sich von der traditionellen Frauenrolle und der bürgerlichen Familie emanzipieren, und sie wollte Künstlerin werden. Sie malte bereits seit ihrem vierten Lebensjahr und hatte immer ihren Zeichenblock bei sich, damit sie zeichnen konnte, wann und wo sie wollte und wo sich ein interessantes Objekt fand. Dabei ging sie schon früh sehr ernsthaft und diszipliniert vor: Sie sparte ihr Taschengeld für Besuche in der Gemäldegalerie, wo sie viel lernte. Sie erhielt jedoch weder Anregungen von ihrem Elternhaus, noch wurden ihre Interessen dort gefördert.
1897 beendete sie das Lyzeum und wollte Malerin werden. Es bedurfte einiger Überredungskunst, bevor sie von ihrem Vater die Zustimmung bekam, die Kunstgewerbeschule in der Klosterstraße zu besuchen, wo sie bei Prof. Max Schäfer studierte. Dem folgte eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in der Prinz-Albrecht-Straße bei Eva Stort und Ludwig Manzel, wo ihr als Fortgeschrittener zugestanden wurde, in den „Herren-Klassen“ am Aktzeichnen teilzunehmen – ein großes Privileg zu dieser Zeit. Anschließend besuchte sie die „Malschule für Weiber“ des Malers Lovis Corinth, den sie 1904 heiratete. Durch ihn erhielt sie Zutritt zur vornehmen Berliner Gesellschaft und lernte die Mitglieder der Berliner Sezession kennen. Der Preis, den sie für diese Beziehung bezahlte, war jedoch hoch: Sie schied aus seiner Malschule aus und musste lange auf ihre Malerei verzichten, zum Teil, weil sie nach der Geburt ihrer Kinder –Thomas wurde 1904 geboren, Wilhelmine 1909 – kaum noch Zeit dazu hatte, zum Teil aber auch, weil Corinth sie vehement am Malen hinderte.
Dass sie es sich nicht ganz nehmen ließ, weiterzuarbeiten, auch wenn Corinth sie keineswegs unterstützte, zeigt sich daran, dass sie 1906 bei einer Ausstellung der Sezession ihr Gemälde „Die Mütter“ ausstellen konnte. Das Bild, das heute als verschollen gilt, zeigt eine Gruppe von acht Frauen mit ihren Kindern. Zwei Jahre später wurde ihr großes Gemälde „Die schwere Stunde“, die Darstellung einer Frau in den Geburtswehen, für die Frühjahrssezession angenommen. Auch dieses Bild gilt heute als verschollen.
Nachdem Corinth 1911 einen Zusammenbruch erlitten und Berend ihn monatelang gepflegt hatte, gestand er ihr nur zu, für ihn Modell zu stehen, aber nicht eigene Arbeiten anzufertigen. „Es tut mir leid. Aber ich wäre ohne sie nicht durchgekommen. Und auch jetzt komme ich ohne sie nicht aus. Sie ist noch jung. Sie kann das nachholen. Aber mit mir ist’s was anderes.“ (in: El-Akramy: Die Schwestern Berend). Corinth war zu diesem Zeitpunkt 53 Jahre alt, Berend 31.
Während des Ersten Weltkrieges bestimmte der Krieg die Bilder von Corinth, während sich Berend dem Theater zuwandte. Sie fertigte Zeichnungen und Lithografien von SchauspielerInnen an, so u.a. von Max Pallenberg und Fritzi Massary. Als diese 1917 in der „Schwarz-Weiß-Ausstellung“ der Sezession aufgenommen wurden, wurden sie zu einem sensationellen Erfolg, fanden reißenden Absatz und stellten Corinth in den Schatten seiner Frau.
Die Theaterwelt zog Berend auch weiterhin an, waren hier doch Frauen – anders als in der Sezession, die im Wesentlichen ein Männerbund war – einigermaßen gleichberechtigt. Nach ihrem Erfolg wurde sie selbstständiger und selbstbewusster und ging verstärkt ihren eigenen Weg. Seit sie sich wieder mehr der Kunst zugewandt hatte, malte sie besonders gern Frauen, so entstanden z.B. Gemälde der Schauspielerinnen Lucie Höflich und Ilka Grüning.
Ab 1918 betreute Charlotte Berend den Bau ihres Hauses in Urfeld am Walchensee, das als Rückzugsort geplant war. Diesmal verbot Corinth ihr, jemals die Landschaft dort zu malen, während sein Name später untrennbar mit dem Walchensee verbunden bleiben sollte. Berend suchte sich wie immer einen anderen Wirkungskreis, d.h. sie wandte sich wiederum dem Theater und dem Kabarett zu. Sie malte zu dieser Zeit u.a. erotische Porträts der Schauspielerin Valeska Gert und der Tänzerin und Schauspielerin Anita Berber.
Im Frühjahr 1925 begab sich Berend zum ersten Mal auf eine Studienreise ins Ausland, die sie über Paris nach Spanien führen sollte. Im Sommer dieses Jahres starb Corinth. Sie war zwanzig Jahre lang „die Gattin Corinths“ gewesen, die ihn in seinen Aufstieg unterstützt und ihre eigene Karriere hintenangestellt hatte. Ihre Trauer bewältigte sie durch das Ordnen seines Nachlasses.
Erst zwei Jahre später sollte sie wieder an die Öffentlichkeit treten. Im Juni 1927 war sie in der Ausstellung „Die schaffende Frau in der Bildenden Kunst“ im Berliner Künstlerhaus in der Bellevuestraße vertreten, an der auch Malerinnen wie Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker teilnahmen. Einige Wochen später trat sie mit ihren Kindern eine Reise in den Orient an, während der sie unzählige Gemälde anfertigte; von diesen sind heute nur noch wenige nachweisbar, hatte sie doch damals keinen finanzkräftigen Sammler, der ihre Werke angekauft hätte.
Ab 1932 befand sie sich wieder auf ausgedehnten Reisen durch Italien und Frankreich. Nach der Machtübernahme der Nazis wurde Berend als „Halbjüdin“ aus der Sezession ausgeschlossen. Berlin war für sie nicht mehr das Zentrum ihres Lebens, nachdem ihr Sohn Thomas bereits 1931 zum Studium nach New York gegangen war und ihre Tochter Wilhelmine nach Darmstadt ans Theater. Schließlich ließ sie sich in Alassio in Italien nieder. Ganz anders als ihre Schwester, die zu dieser Zeit zwar auch in Italien lebte, jedoch in bitterer Armut, konnte Charlotte Berend ein recht sorgenfreies Leben führen; sie reiste durch das Land, besuchte FreundInnen, malte viel – anders als Alice Berend war sie im Exil als Malerin nicht von der Sprache abhängig, auch wenn sie ihre Bilder aus dieser Zeit nicht als „würdig“ empfand - und hatte sogar eine Ausstellung an ihrem Wohnsitz.
Da sich die politische Situation in Europa zuspitzte, kümmerte sich ihr Sohn Thomas darum, dass seine Mutter zu ihm nach Amerika ausreisen konnte. 1939 kam sie nach New York, wo es ihr jedoch zu hektisch war, und reiste weiter nach Kalifornien. Sie liebte Amerika, ihr gefiel die Atmosphäre dort. Durch ihre Reisen und FreundInnen wurde sie wieder zum Malen angeregt, und so entstanden unzählige Stillleben, Landschaften und Porträts. Eine enge Freundschaft verband sie dort mit der österreichischen Komponistin und Musikschriftstellerin Alma Mahler-Werfel, mit der sie 1945 nach New York zog, wo sie am 10. Januar 1967 starb. Im gleichen Jahr veranstaltete die Berliner Nationalgalerie eine Ausstellung ihrer Werke.
Verfasserin: Doris Hermanns
Zitate
„Bei Menschen, die malen, ist der Spiegel wie ein Magnet. Er ist wie ein Wunder. Wer wüßte ohne ihn von sich selbst?“ (Charlotte Berend)
„Es gehörte schon ein Jahrtausendblick dazu, gerade den Wert dieses gottalten Bildes der Charlotte Berend zu erkennen – sein Allvater heißt das Gesetz. Sie hat ihre Schöpfung aus dem Mark aller Farben erschaffen. Es nahte ihre selige, schwere Stunde selbst. Das Wunder der Inspiration schlug sie zur Riesin. Ich sehe zunächst kühl und sachlich eine Mutter, die ein Kind zur Welt bringt … Ich habe nie in Wirklichkeit ein kindtragendes Weib mit solcher Ehrfurcht betrachtet wie diese Riesenmutter, von einer Riesin gemalt, auf ihrem Riesenbilde … Charlotte Berend hat ein Historienbild des Naturgesetzes gemalt; es müßte neben Michelangelos Moses im Tempel der Galerien hängen.“ (Else Lasker-Schüler über das Gemälde „Die schwere Stunde“)
Literatur & Quellen
Behling, Katja & Anke Manigold. 2009. Die Malweiber: Unerschrockene Künstlerinnen um 1900. München. Sandmann.
El-Akramy, Ursula: Die Schwestern Berend. Geschichte einer Berliner Familie. Hamburg, Europäische Verlagsanstalt, 2002
Berger, Renate. Hg. 1987. “Und ich sehe nichts, nichts als die Malerei”: Autobiographische Texte von Künstlerinnen des 18.-20. Jahrhunderts. Frankfurt/M. Fischer TB 3722.
Stephan, Inge. 1989. Das Schicksal der begabten Frau: Im Schatten berühmter Männer. Stuttgart. Kreuz.
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