Fembio Specials Europäische Jüdinnen Betty Heine
Fembio Special: Europäische Jüdinnen
Betty Heine
(Betty Heine, geb. Peira von Geldern)
geboren am 27. November 1771 als Peira von Geldern in Düsseldorf
gestorben am 3. September 1859 in Hamburg
Mutter Heinrich Heines
165. Todestag am 3. September 2024
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
„.. und wenn Dir die Dinge auch manchmal nicht zu Wunsche gehen, so tröste Dich mit dem Gedanken, dass wenige Frauen von ihren Kindern geliebt und verehrt worden sind, wie Du es bist, und wie Du es wahrlich zu sein verdienst [...]. Man sollte den Boden küssen, den Dein Fuß betreten hat.“ In diesem Brief Heinrich Heines an seine Mutter wird eine außergewöhnliche Frau beschrieben, die über die Maßen geliebt wird, auf eine sehr vertraute und gleichzeitig bewundernde Weise.
Aufgewachsen in einer gebildeten jüdischen Arztfamilie, als Mädchen aber von höherer Bildung ausgeschlossen, bemüht sich diese als Peira von Geldern geborene junge Frau darum, sowohl von der Erziehung und Ausbildung ihrer Brüder als auch von Gesprächen und Lesungen mit ihrem Vater zu profitieren und sich so bruchstückhaft Bildung anzueignen. Vom Gefühl her Deutsche strebt sie danach, sich in die bürgerliche deutsche Gesellschaft zu integrieren. In dieser Zeit der französischen Revolution lockern sich zum ersten Mal seit Jahrhunderten die Grenzen zwischen der jüdischen und der christlichen Gesellschaft, und den Juden wird in allen von Frankreich besetzten Gebieten ein zunehmendes Maß an Freiheit und Rechten zugebilligt. Integration ist plötzlich denkbar geworden. Bildung, Wohlstand und Kultur sind die „Eintrittskarte“.
Erstaunlich emanzipiert für ihre Zeit strebt sie zunächst keine Ehe an, besinnt sich aber anders, erschüttert durch den plötzlichen Tod ihres Vaters und ihres Bruders, und wählt Samson Heine, einen lebenslustigen jüdischen Kaufmannssohn aus Hamburg zum Mann. Nicht nur sucht sie sich ihren Mann selbst aus, sie setzt die Hochzeit 1797 außerdem mit Hilfe des neuen französischen Rechts gegen den Willen der jüdischen Gemeinde durch, ändert zeitgleich mit ihrem Familiennamen auch den Vornamen und nennt sich fortan Betty.
Als Hausfrau und Mutter bildet sie den Mittelpunkt ihrer Familie, ihre strikten Wertvorstellungen und Ziele auf der einen Seite, viele Freiheiten und unumschränkte Liebe und Akzeptanz auf der anderen Seite bilden für die drei Söhne und die Tochter die Grundlage für eine geborgene Kindheit. Für ihre Söhne besteht sie auf einer exzellenten Schulbildung und bereitet ihnen so den Weg für eine glänzende akademische Laufbahn. Der Tochter ermöglicht sie zumindest eine umfassendere musische und damit kulturelle Bildung. Durch gelungene Geschäfte ihres Mannes erworbener beträchtlicher Wohlstand, Kultur und ein gastfreundliches Haus sorgen für hohes Ansehen und die Eingliederung in die bürgerliche Gesellschaft. Im Alter von 40 Jahren ist Betty, wie angestrebt, Teil der wohlhabenden bürgerlichen Gesellschaft in Düsseldorf, und ihr Leben ist reich an allem Wünschenswerten.
Das Blatt wendet sich, als sich mit der von Napoleon errichteten Kontinentalsperre die Geschäfte rapide verschlechtern. Nach der Niederlage Napoleons werden zudem die Juden als Nutznießer der französischen Herrschaft zunehmend angefeindet und der neu gewonnenen Akzeptanz wieder beraubt. Der Wohlstand des Händlers Samson Heine schwindet dahin, und da er außerdem seit 1814 an epileptischen Anfällen leidet, muss die Familie sich 1817 um Hilfe an Samsons älteren Bruder wenden. Dieser ist bereit, sie aufzunehmen und in Lüneburg unterzubringen, damit einher geht aber auch der Verlust des eigenen Geschäftes und damit der Selbstständigkeit. Der Traum von einer Eingliederung in die bürgerliche Gesellschaft ist vorbei.
Trotzdem verliert Betty Heine nicht ihre Lebensfreude und Kraft. Sie fügt sich in die neue Situation ein, lebt äußerst sparsam, um mit dem Geld des Schwagers auszukommen. Das Fehlen geschäftlicher Kontakte oder anderer längerer persönlicher Bekanntschaften in der fremden Stadt schweißt die Familie noch enger zusammen. Das soziale Leben findet nun im kleinsten Kreis statt. Obwohl die Kinder inzwischen alle aus dem Haus sind, sorgt Betty Heine weiterhin intensiv aus der Ferne für sie und nimmt regen Anteil an ihrem Leben und den vielen Anfangsschwierigkeiten ihrer beruflichen Werdegänge, ohne aber über diese zu urteilen oder Einfluss auf ihr Denken zu nehmen.
Nach dem Tod Samsons 1829 gründet sie einen eigenen Haushalt, der weiterhin der Mittelpunkt für ihre inzwischen in Europa verstreut lebenden und beruflich recht erfolgreichen Söhne bleibt. Zahllose Briefe werden ausgetauscht, Betty Heine führt zudem im Auftrag ihres berühmten Sohnes Verhandlungen mit dessen Verleger. Sie ist literarisch nach wie vor sehr interessiert, trotz hohen Alters noch sehr präsent und agil. Von ihren Kindern wird sie geliebt, verehrt und mit Vorsicht aus der Nähe und Ferne umsorgt, bis sie schließlich im Alter von 89 Jahren der Cholera erliegt.
Verfasserin: Anna Winkler
Literatur & Quellen
Düsseldorfer Frauen auf den Spuren: Wege durch die Geschichte der Stadt. Hg. Landeshauptstadt Düsseldorf, Der Oberstadtdirektor, Frauenbüro. Düsseldorf 1991.
Heine, Heinrich. Werke und Briefe. Hg. Hans Kaufmann. Textrevision u. Erläuterungen von Gotthard Erler. 3. Aufl. 9. Bände. Bd. 8: Briefe 1815-1838. Bd. 9: Briefe 1839-1856. Berlin, Weimar 1980. Aufbau.
Ziegler, Edda. 2005. Heinrich Heine: Der Dichter und die Frauen. Frankfurt/M. Insel.
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