Fembio Specials Frauen aus Wien Babette Reinhold-Devrient
Fembio Special: Frauen aus Wien
Babette Reinhold-Devrient
Rollenfoto Reinhold-Devrients als „Rautendelein“, Ausschnitt aus einer Correspondenz-Karte (Sammlung Rainer Ertel)
(geb. Maasch)
geboren am 2. Oktober 1863 in Hannover
gestorben am 13. Juni 1940 in Wien
deutsche Schauspielerin
160. Geburtstag am 2. Oktober 2023
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Babette Maasch, die sich den Künstlernamen Reinhold gab, wurde laut Geburts- und Taufbuch der hannoverschen Marktkirche am 2. Oktober 1863, abends um elf Uhr in Hannover in der Leinstraße 24 geboren. Ihre Eltern waren der Schuhmachermeister Ernst Ferdinand Maasch und seine Ehefrau Barbara Friederike geb. Müller.
Zu Babettes Kindheit sind kaum Informationen überliefert, allerdings berichtet sie später, dass das Burgtheaterengagement 1889 (nach ihrem Gastspiel 1887) für sie auch ein persönlicher Triumph gewesen sei:
Denn als ich es … meinen guten Eltern abgetrotzt hatte, ›eine vom Theater‹ zu werden, fehlte nicht viel und man hätte über mich als Auswürfling einer ehrenwerten Familie ein Kreuz gemacht. Am schnellsten befreundete sich noch der Vater mit meinen abenteuerlichen Plänen…
(Devrient-Reinhold, S. 11)
Nach ihrer Schauspielausbildung bei Auguste Grey betrat sie im September 1883 in Hamburg als „Preciosa“ die Bühne. Während ihres Engagements am Thalia-Theater wurde sie vom 6. bis zum 23. Juni 1887 zu einem Gastspiel ans Burgtheater nach Wien eingeladen. Hier spielte sie die Paula in „Georgette“, die Titelrolle im „Käthchen von Heilbronn“ und die Ella im „Hexenmeister“.
Wie in Hamburg, so gefiel diese anmutige, begabte, liebenswürdige Schauspielerin auch in Wien, und wurde engagiert.
(Eisenberg, S. 815)
Sie konnte aber erst zum 1. Juni 1889 nach Wien wechseln, weil sie zuvor ihre Hamburger Verpflichtungen erfüllen musste und noch die Höhe ihrer Gage zu verhandeln war. An ihrem neuen Arbeitspatz debütierte Devrient-Reinhold am 13. (und 25. Juni) als Paula in Schönthans Lustspiel „Cornelius Voß“ in einer Rolle, die sie auch in ihrer Hamburger Abschiedsvorstellung am 31. Mai 1889 mit großem Erfolg gegeben hatte.
Im naiven Fach traf Devrient-Reinhold in Wien allerdings auch auf Konkurrentinnen, wobei besonders Stella Hohenfels (1857-1920) zu nennen ist. Knapp fünf Jahre nach ihrer Anstellung und einer Vertragsverlängerung um weitere fünf Jahre (bis 1899) wurde ihr vom Kaiser mit Entschließung vom 7. März 1894 das Dekret als k. und k. Hofschauspielerin verliehen (Wiener Theaterzeitung, 1894, S. 2). Es überrascht daher, dass sie im September 1894 um ihre Entlassung aus dem Verband des Burgtheaters nachgesucht hat. Sie beklagte sich „… über kränkende Zurücksetzungen, welche sie innerhalb der letzten Jahre erfahren habe und welche zugleich geeignet wären, sie in der Entfaltung ihres Talentes zu beengen“ (Neues Wiener Tagblatt, 1894, S. 7). Das Entlassungsgesuch wurde jedoch abgelehnt.
Am 1. Juli 1895 heiratete Babette den ebenfalls aus Hannover gebürtigen Burgschauspieler Max Devrient (1857-1929) aus dem berühmten Schauspielergeschlecht der Devrients. Max stammte aus der zweiten Ehe des königlichen Hofschauspielers Carl Devrient (1797-1872) mit der Hofschauspielerin und Sängerin Johanna Block.
Die Ehe Babettes mit Max war aber nicht glücklich; man trennte sich nach ca. fünf Jahren – stand aber weiterhin gemeinsam auf der Bühne des Burgtheaters (Abb. 1).
Die einzige Tochter der Ehe, Susanne, blieb bei der Mutter. Als eine verehelichte Hauser starb sie ganz jung, auf eine rätselhafte Weise… Dann war Max Devrient mit der Schwester der Babette, Regine Elise Maesch (sic !) bis ans Ende seines Lebens verbunden, und diese Ehe war eine sehr glückliche.
(Bab, S. 253)
Die Trauung mit Regine Maasch fand aber erst im Mai 1919 statt, denn Babette Devrient-Reinhold hatte einer Scheidung nicht zugestimmt. Max heiratete ihre Schwester dennoch standesamtlich mit Dispens der niederösterreichischen Landesregierung. Babette, die die Gültigkeit dieser Ehe vor Gericht angefochten hatte, bekam in zwei Instanzen Recht, weil man durch einen unrechtmäßig erteilten Dispens die bestehende Ehe nicht mit einem Federstrich aus der Welt schaffen könne (vgl. Neues Wiener Tageblatt, 1929, S. 9).
In die Zeit ihrer Ehekrise fiel die lebenslängliche Anstellung Devrient-Reinholds am Burgtheater ab 1. September 1900, wobei offenbar Katharina Schratt (1853-1940), die am Burgtheater engagierte enge Freundin Kaiser Franz Josephs, ihre Kollegin unterstützt hat (vgl. Hadamowsky, 1962, S. 149).
In Rückblicken auf Devrient-Reinholds Theaterzeit wird stets ihre Rolle als erstes und berühmtestes Rautendelein erwähnt (Abb. 2), die reizende Elfe in Gerhart Hauptmanns Märchendrama „Die versunkene Glocke“, das am Burgtheater erstmals am 9. März 1897 aufgeführt wurde – obwohl die Kritiken der Wiener Presse dieses Mal wenig schmeichelhaft ausfielen (z.B.: Barde, S. 6 f.) und es im Vorfeld Streitigkeiten um die Besetzung der Rolle gegeben hatte.
Für das Jahr 1914 lesen wir in den Erinnerungen des Burgschauspielers Hugo Thimig, dass sich „die Schratt“ wiederum für ihre Freundin Babette eingesetzt habe, als es um die Bewilligung einer Gratifikation von 30.000 Kronen zu deren 25. Jubiläum ging (Hadamowsky, S. 220). Im Juli 1918 wurde Devrient-Reinhold in Anerkennung „vieler ersprießlicher Leistungen am Hoftheater“ vom Kaiser mit dem „goldenen Verdienstkreuz mit der Krone“ ausgezeichnet (Illustrierte Kronen-Zeitung, 1918, S. 4).
Sollte diese Ehrung die letzte Erinnerung an eine glanzvolle, untergegangene Zeit sein, so vermittelt ein im November 1920 veröffentlichtes Gespräch mit Devrient-Reinhold das Gefühl von Einsamkeit und Melancholie, wenn sie sagt:
… ich habe fast schon vergessen, daß ich unter anderem auch Mitglied des Burgtheaters bin. Ich sehe keine Rollen für mich, und wo ich sie sehen würde, spielen sie andere oder es sind Rollen in Stücken, die das Burgtheater nicht gibt.
(Marilann, S. 4)
In dieses Stimmungstief hinein erreichte Devrient-Reinhold die Nachricht vom frühen Tod ihrer 1898 geborenen Tochter Susanne. Bei der von der Mutter initiierten gerichtlichen Überprüfung ergaben sich zwar zahlreiche Ungereimtheiten bei der behördlichen Behandlung des Falles, die Vermutung, dass ihre Tochter Opfer ihres Ehemannes geworden war, konnte aber vor Gericht nicht bestätigt werden. Die seelische Belastung Devrient-Reinholds wirkte gleichwohl lange nach. Erfreulich dagegen: ihre Ernennung zum Ehrenmitglied des Burgtheaters im April 1926.
Zu ihrem vierzigjährigen Burgtheaterjubiläum stand Devrient-Reinhold am 23. Oktober 1929 in dem von ihr ausgewählten Lustspiel „Im Kreis“ von Maugham als Lady Katharina auf der Bühne und sie wurde „… für diese Leistung und für alle früheren, deren man sich bei diesem Anlaß erinnerte, mit besonderer Herzlichkeit bedankt, beim Erscheinen vor dem Vorhang stürmisch applaudiert, mit Blumen überschüttet und hielt zum Schluß eine kurze Dankrede“ (Arbeiter Zeitung, 1929, S. 8). Mittags hatte ihr bereits der Direktor des Burgtheaters das „goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“ überreicht sowie die „Ehrenmedaille für vierzigjährige treue Dienste“, die ihr der Bundespräsident verliehen hatte. Das Soloensemble des Burgtheaters hatte zum Jubiläum bei Olga Prager (1872-1930) ein Ölgemälde Babettes beauftragt, das nach Fertigstellung 1930 in die Ehrengalerie des Burgtheaters eingereiht wurde (Abb. 3).
Im November 1929 erhielt Devrient-Reinhold die Ehrenbürgerschaft der Stadt Wien in Würdigung der Verdienste, die sie sich „auf dem Gebiete der deutschen Schauspielkunst im allgemeinen und durch ihr Wirken am Wiener Burgtheater um das Wiener Kunstleben im besonderen erworben hat“ (Der Tag, 1929, S. 8). Der Anfang 1932 vom Hamburger Thalia-Theater gekommene neue Burgtheaterdirektor Hermann Röbbeling (1875-1949) brachte Ideen zu Neuinszenierungen und zu personellen Veränderungen mit: das Ausscheiden Devrient-Reinholds zum 31.3.1932 gehörte dazu. In einem Interview zu ihrem 70. Geburtstag berichtet sie, dass die Pensionierung für sie „ganz plötzlich und überraschend kam“, hatte sie doch noch zwei Monate zuvor einen Vertrag unterschrieben, in dem sie sich älterer Rechte begeben hatte (vgl. Thury, 1933, S. 4). Ihre Enttäuschung wird auch in einem Interview deutlich, in dem sie betont, sich keineswegs „ruheständlerisch“ zu fühlen und erst jetzt so weit zu sein, die wirklichen Mütter- und Großmütterrollen zu spielen:
Aber ich habe in meinem Leben so wenig Glück gehabt, bin so oft zurückgesetzt worden, weil immer rangältere Kolleginnen da waren, die meine Rollen spielten, daß ich vielleicht unrecht hatte, zu glauben, es würde einmal besser werden.
(König, 1932, S. 4 f.)
Angesichts ihrer Bühnenerfolge, vieler Ehrungen und der „zu Kaisers Zeiten“ durchaus erfahrenen Protektion klingt dieses Fazit überraschend negativ, mag aber vor dem Hintergrund erlittener persönlicher Schicksalsschläge und dem plötzlichen Abschied von der Bühne nachvollziehbar sein.
In den Jahren 1935 und 1936 spielte Devrient-Reinhold noch in mehreren Filmen, wobei ihre Bekanntheit und persönliche Kontakte vor Ort ihr ebenso nützlich gewesen sein dürften wie die Tatsache, dass in Wien einige Filmproduktionsfirmen mit eigenen Studios ansässig waren. Zwar hatte sie jeweils nur kleine Rollen und kurze Auftritte, sie reichten aber, um sie in die gedruckten Filmprogramme aufzunehmen. Klaus (versch. Jahrgänge) listet in seinem Lexikon abendfüllender deutschsprachiger Filme (1929-1945) Devrient-Reinholds Mitwirkung in neun Tonfilmen auf.
Nachdem Babette Devrient-Reinhold am 13. Juni 1940 im Sanatorium „Hera“ in Wien gestorben war, widmeten ihr die meisten Wiener Zeitungen Nachrufe, wobei allerdings unterschiedliche Angaben zu ihrem Geburtsdatum (1863 oder 1868) gemacht wurden. Schon Rosendahl (1941) war diesen Widersprüchen nachgegangen und zu dem Schluss gekommen, dass Devrient-Reinhold beim Eintritt in das Bühnenleben nicht nur den prosaischen Namen Maasch in den poetischeren „Reinhold“ verändert hatte, sondern sich bei ihrem Antritt im Wiener Burgtheater um einige Jahre jünger machte, denn sie stand im September 1889 kurz vor ihrem 26. Geburtstag, spielte Naive, wollte das noch lange tun und hat das auch mit Erfolg getan (vgl. Rosendahl, S. 66). Babette hat später aus ihrem wirklichen Alter aber kein Geheimnis gemacht, wie die Interviews mit Otto König (1929) und mit Elisabeth Thury (1933) zum 70. Geburtstag belegen. Rosendahl irrt aber, wenn er behauptet, dass Devrient-Reinhold auch noch ihren Vornamen geändert habe und nicht am 2.10., sondern am 1.10.1863 geboren sei. Das Kirchenbuch der Marktkirche belegt nämlich, dass zufällig einer weiteren Familie Maasch tags zuvor am 1.10. mittags um zwölf ebenfalls ein Mädchen geboren worden war. Ihr Name: Sophie Henriette.
Bleibt nachzutragen, dass das mit Devrient-Reinholds Ehrenbürgerwürde verbundene Ehrengrab auf dem Friedhof Döbling (Gruppe MO, Nummer G9) in der Obhut der Gemeinde Wien gepflegt wird.
(Text von 2021)
Abbildungen
1 Babette und Max Devrient, Ausschnitt aus einer Correspondenz-Karte (Sammlung Rainer Ertel)
2 Rollenfoto Babettes als „Rautendelein“, Ausschnitt aus einer Correspondenz-Karte (Sammlung Rainer Ertel)
3 Gemälde von Olga Prager in der Ehrengalerie des Burgtheaters, Öl auf Leinwand, 90 cm x 113,5 cm (Digitalisierung Karl Heindl, Leitung Publikumsdienst des Burgtheaters)
Verfasserin: Rainer Ertel
Zitate
„Aber was es unter lieben Kollegen an Verdrießlichkeiten gab, ist längst verraucht. Die stürmisch geweinten Tränen sind getrocknet. Blickt man einmal vierzig Jahre zurück, so sieht man nur das Rosenfarbene der Vergangenheit! Und man grüßt die Freunde, die gestorben sind, die Konkurrentinnen, die längst das Feld geräumt haben. Wir waren jung, schlugen und vertrugen uns, aber vor allem erfochten wir gemeinsam unsere Siege für das Burgtheater, seinen Ruhm und seine Größe.
(Devrient-Reinhold 1929, S. 12, zu ihrem vierzigjährigen Bühnenjubiläum am Burgtheater 1929)
Literatur & Quellen
Arbeiter Zeitung (Das Burgtheaterjubiläum der Frau Reinhold-Devrient), Nr. 295, Freitag, 25.10.1929, S. 8
Bab, Julius: Die Devrients. Geschichte einer deutschen Theaterfamilie, Berlin 1932
Barde, Arthur: Quorax ! – Quorax ! – Brekekekex ! Unkenrufe anlässlich der Rollenbesetzungen im k.k. Hofburgtheater, in: Österreichische Musik- und Theaterzeitung, Heft 15, 1.4.1897, S. 6 f.
Der Tag (Das Burgtheaterjubiläum der Frau Reinhold-Devrient. Auszeichnungen der Künstlerin), Nr. 2426, Freitag, 24.10.1929, S. 8
Devrient-Reinhold, Babette (nach einem Gespräch): Das Burgtheater meiner Jugend. Erinnerungen und Geschichten aus vergangener Zeit, in: Neue Freie Presse, Nr. 23377, Sonntag, 13.10.1929, S. 11 f.
Eisenberg, Ludwig: Großes Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert, Leipzig 1903
Hadamowsky, Franz: Hugo Thimig erzählt von seinem Leben und dem Theater seiner Zeit. Briefe und Tagebuchnotizen ausgewählt und eingeleitet von Franz Hadamowsky, Graz/Köln 1962
Illustrierte Kronen-Zeitung (Notizen: Ausgezeichnete Hofburgschauspielerinnen), Nr. 6658, Donnerstag, 18.7.1918, S.4
Klaus, Ulrich J.: Deutsche Tonfilme: Lexikon der abendfüllenden deutschsprachigen Filme (1929-1945), chronologisch geordnet nach den Daten der Uraufführungen in Deutschland sowie der in Deutschland produzierten, jedoch nicht zur Uraufführung gelangten Filme, Berlin/Berchtesgaden, versch. Jahrgänge
König, Otto: Babette Devrient-Reinhold jubiliert. Die vierzigjährige Zugehörigkeit der Künstlerin zum Burgtheater, in: Neues Wiener Journal, Nr. 12.904, Donnerstag, 24.10.1929, S. 5
König, Otto: Mein Abschied vom Burgtheater. Gespräch mit Babette Reinhold-Devrient (Babette Reinhold-Devrient tritt heute im „Egmont“ zum letztenmal im Burgtheater auf), in: Neues Wiener Journal, Nr. 13.791, Mittwoch 13.4.1932, S. 4 f.
Marilann, Karl: Ein Gespräch mit Babette Reinhold-Devrient, in: Neues Wiener Journal, Nr. 9697, Mittwoch, 3.11.1920, S. 3 f.
Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), Nr. 258, Donnerstag, 20.9.1894, S. 7
Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), Nr. 94, Samstag, 7.4.1929, S. 9
Rosendahl, Erich: Babette Devrient-Reinhold, in: Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete, 18. Jg., Heft 3, 1941, S. 66 f.
Thury, Elisabeth: Babette Reinhold-Devrient kehrt in den Alltag zurück, in: Wiener Allgemeine Zeitung, Nr. 16616, Donnerstag, 19.10.1933, S. 4
Wiener Theaterzeitung, Nr. 5, Sonntag, 1.4.1894, S. 2
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.