Fembio Specials Frauen aus Zürich Anne-Marie Blanc
Fembio Special: Frauen aus Zürich
Anne-Marie Blanc
(Anne Marie Césarine Blanc)
geboren am 2. September 1919 in Vevey
gestorben am 5. Februar 2009 in Zürich
Schweizer Schauspielerin
105. Geburtstag am 2. September 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
1941, mit Anfang zwanzig, erreichte Anne-Marie Blanc bereits den Höhepunkt ihrer Karriere. In der Titelrolle des Films Gilberte de Courgenay spielte sie mitten im Zweiten Weltkrieg eine Heldin aus dem Ersten und wurde damit zum Idol für die eingeschlossenen SchweizerInnen und zum ersten weiblichen Schweizer Filmstar. Aber auch deutsche FernsehzuschauerInnen haben Anne-Marie Blanc kennengelernt: 60 Jahre später spielte sie im Mehrteiler „Die Manns“ von Heinrich Breloer die Rolle der Hedwig Pringsheim, die Mutter Katia und Großmutter Erika Manns.
Anne-Marie wird als ältestes von drei Kindern in Vevey am Genfer See geboren („ich habe nicht ein Tropfen Deutschschweizer Blut in mir, null“). Ihre Mutter Valentine Chevallier entstammt einer Bankiersfamilie und ist erst 22 Jahre alt, als sie sich in den gutaussehenden, wesentlich älteren, verwitweten Grundbuchverwalter Louis Blanc mit vier schulpflichtigen Kindern verguckt und die große – und noch weiter anwachsende – Familie übernimmt.
Doch der Vater ist ein Trinker und Schürzenjäger. 1930 verläßt ihn die Mutter und zieht mit ihren Kindern Anne-Marie, Françoise und Jaques zu ihrer Schwester, die in Bern ein Höhere-Töchter-Pensionat führt, wo sie als Hausdame arbeiten kann. Das Unglück der Mutter ist Anne-Maries Glück: Sie findet dort zwei Lehrerinnen, die sich ihrer annehmen – von der einen lernt sie so gut Deutsch, daß sie ins Progymnasium eintreten kann, und die andere fördert Anne-Maries künstlerische Ambitionen.
Eigentlich möchte Anne-Marie Medizin studieren, aber die Fächer Physik und Chemie liegen ihr überhaupt nicht. Da sie ohnehin gern in einer Berner Laientheatergruppe mitspielt, nimmt sie allen Mut zusammen und reist eine Woche nach der bestandenen Matura nach Zürich, um sich am dortigen Schauspielhaus vorzustellen. Das Zürcher Schauspielhaus ist 1938 eine der herausragenden und innovativsten deutschsprachigen Bühnen überhaupt – nicht zuletzt wegen des Zustroms prominenter SchauspielerInnen und Regisseure, die aus Deutschland und Österreich hierher geflohen sind, u.a. Therese Giehse, Wolfgang Langhoff und Bert Brecht.
Anne-Marie aber hat keine Ausbildung und der Theaterdirektor Oskar Wälterlin kein Geld. Sie bietet ihm an, zunächst als Elevin ohne Entgelt zu arbeiten und wird damit ins Ensemble aufgenommen. In ihrer ersten Rolle als Zofe in Götz von Berlichingen hat sie nur einen Knicks zu absolvieren; auch sonst bleiben ihr zunächst nur Statistinnenrollen. Die KollegInnen Ellen Widmann und Ernst Ginsberg erteilen ihr Unterricht, wenn es sich gerade ergibt.
Nur wenige Monate nach ihrer Ankunft in Zürich lernt Anne-Marie auf dem Presseball den Filmproduzenten Heinrich Fueter (1911-1979) kennen, der nicht locker läßt, bis sie ihn endlich heiratet – obwohl sie das eigentlich gar nicht vorhatte. Bis 1949 werden drei Söhne geboren.
Schon bald spielt sie in ihren ersten Filmen mit, meist brave junge Frauen. Der große Durchbruch gelingt ihr dann mit Gilberte de Courgenay, auf die sie noch im hohen Alter auf der Straße angesprochen wird. In der Rolle als Kameradin der Schweizer Soldaten im Ersten Weltkrieg ist sie nun ein Symbol für die Landesverteidigung gegen das bedrohliche Nazi-Deutschland.
Anders als bei vielen ihrer KollegInnen stellen Krieg und Kriegsende keine Zäsur im Leben und Schaffen Anne-Marie Blancs dar. Bis 1952 gehört sie zum festen Ensemble des Schauspielhauses, anschließend ist sie dort weiterhin mit Gastauftritten zu sehen. Ferner unternimmt sie Theatertourneen mit klassischen und Boulevardstücken auf zahlreiche bedeutende deutschsprachige Bühnen, so in Berlin, Düsseldorf, Hamburg, München und Wien. Auch ihre Filmkarriere setzt sie fort – sowohl in der Schweiz als auch mit internationalen Produktionen, u.a. On ne meurt pas comme ça und White Cradle Inn. Noch häufiger ist sie in den 50er und 60er Jahren in deutschen und österreichischen Heimatfilmen zu sehen. Einen Siebenjahresvertrag aus Hollywood lehnt sie aus familiären Gründen ab.
Nachdem sie bisher überwiegend das Leichte, Elegante und Komödiantische vertreten hat, wechselt sie in den 70er Jahren ins Charakterfach. Spektakulär ist ihr Auftritt als versoffene Obdachlose in dem Stück Der Krüppel von Inishmaan, eine Gedächtnis-Glanzleistung der zweieinhalbstündige Bühnenmonolog in Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe. Ihren Bühnenabschied gibt Anne-Marie Blanc 2004 mit dem Zweipersonenstück Savannah Bay von Marguerite Duras. Ihre Bühnenpartnerin ist ihre Enkelin Mona Petri-Fueter. Im Fernsehen ist sie bis 2002 in der bisher einzigen Schweizer Seifenoper Lüthi und Blanc zu sehen.
Insgesamt wirkt Anne-Marie Blanc in etwa 200 Theaterproduktionen und 40 Filmen mit. 1986 erhält sie die begehrteste Schweizer Bühnenauszeichnung, den Hans-Reinhart-Ring, und 1989 die Goldene Nadel des Zürcher Schauspielhauses. 1997 wird sie mit der italienischen Maschera d’Oro geehrt, 2004 mit der Anerkennungsmedaille der Stadt Zürich für kulturelle Verdienste.
Nach mehreren Hüft- und Oberschenkeloperationen zieht Anne-Marie Blanc 2006 in ein Altersheim in Zürich-Enge, wo sie am 5. Februar 2009 stirbt.
(Text von 2014)
Verfasserin: Christine Schmidt
Zitate
Was gibt es denn über mich zu erzählen? „Anne-Marie Blanc, Schauspielerin, früher 1,68 groß, heute um einen Zentimeter geschrumpft, drei erwachsene Söhne, liebt französischen Rotwein, manchmal Whisky, immer aber bunte Blumen.“ Dem habe ich nichts beizufügen. […] Sie haben eine Frau vor Augen, die niemals, ich wiederhole, niemals ihre Memoiren schreiben wird. Memoiren sind Voyeurismus im Abendkleid, konservierte Eitelkeit, als Literatur verkleidete Sensationslust.
Was an meinem Leben toll war, ist, dass sich eben alles so ergab. Nur den Anfang machte ich selber. Das wollte ich unbedingt, Schauspielerin sein. Aber der ganze Rest kam von allein. Vielleicht das noch – ich habe es genommen, wenn es kam.
Für eine große, internationale Karriere muss man den Mut zur Einsamkeit haben.
Im Grunde geht es bei allem darum zu wissen, dass die Zeit, die einem gegeben ist, etwas Kostbares ist. Dass man sie sinnvoll brauchen sollte.
Mir zwingt niemand etwas auf, das versteht sich von selbst, meine Liebe. Man bietet mir etwas an.
[Ich versetze] niemandem Fußtritte. Ich benutze den Ellbogen. Das ist weniger anstrengend und eleganter, und weil der Magen empfindlicher ist als der Hintern, ist die Wirkung größer.
Links
SF Schweizer Fernsehen über Anne-Marie Blanc
Widmer, Irene. 2004. “Gilberte de Courgenay” wird 85 Jahre alt”. swissinfo.ch
Letzter Vorhang für Anne-Marie Blanc
Literatur & Quellen
Cuneo, Anne: Anne-Marie Blanc – Gespräche im Hause Blanc. Römerhof Verlag. Zürich 2009
Munzinger-Archiv (Hg.): Anne-Marie Blanc. Ravensburg 2009
Schwager, Susanna: Das volle Leben. Frauen über achtzig erzählen: Anne-Marie Blanc. Gockhausen 2007, S. 122–139
Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz (Hg.): Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 2. Basel 2003, S. 472
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