Fembio Specials Berühmte Schwestern berühmter Frauen / Berühmte Schwestern Anne Brontë
Fembio Special: Berühmte Schwestern berühmter Frauen / Berühmte Schwestern
Anne Brontë
National Portrait Gallery (Public Domain)
geboren am 17. Januar 1820 in Thornton, Yorkshire
gestorben am 28. Mai 1849 in Scarborough, Yorkshire
britische Schriftstellerin
205. Geburtstag am 17. Januar 2025
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Man mag sich das Gesicht des Verlegers George Smith vorstellen, als im Juli 1848 zwei junge Frauen vor ihm stehen und behaupten, sich zusammen mit ihrer Schwester hinter den Pseudonymen Acton, Ellis und Currer Bell zu verbergen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er geglaubt, mit dem Verfasser seines ein Jahr zuvor erschienen Verkaufsschlagers Jane Eyre einen männlichen Autor unter Vertrag zu haben. Und auch die anderen beiden Autoren, deren Romane Agnes Grey und Sturmhöhe beim Verlag Newby im selben Jahr erschienen waren, galten als männlich. Doch jetzt standen diese beiden zierlichen Frauen vor ihm – mit ängstlichem Blick und von ihrer langen Reise blass im Gesicht. Ihrer Durchsetzungskraft tat dies aber keinen Abbruch, denn mit Entsetzen hatten sie einen Tag zuvor erfahren müssen, dass die Öffentlichkeit dabei war, hinter ihren Pseudonymen einen einzigen Verfasser zu vermuten. Ein Irrtum, den sie umgehend richtigstellen wollten.
Dass es sich bei einer der beiden Schwestern um Charlotte Brontë gehandelt haben muss, dürfte an dieser Stelle niemanden überraschen. Und auch ihre zu Hause weilende Schwester Emily Brontë, für die eine Reise nach London zu anstrengend gewesen wäre, dürften heutzutage viele als Autorin von Sturmhöhe kennen. Bei der Dritten im Bunde sieht es allerdings anders aus. Anne Brontë galt lange Zeit als blasses Abbild ihrer Schwestern. Dabei legte sie, geboren vor genau 200 Jahren als jüngstes von sechs Pfarrerskindern, angesichts der Eintönigkeit der kargen Landschaft Yorkshires eine ebenso große Vorstellungskraft an den Tag wie ihre Schwestern – und ein ebenso starkes Bedürfnis zu schreiben. Doch anders als viele Schriftstellerinnen ihrer Zeit schrieb sie weniger romantisch verklärt als kompromisslos und unnachgiebig – was ihr bei ihrem ersten Roman Agnes Grey, in dem sie ihre Erfahrungen als Gouvernante verarbeitet, nicht gerade das Wohlwollen ihrer Leserschaft einbrachte. Besonders kritisiert wurde ihre schonungslose Schilderung verzogener Kinder. Ein Affront gegen die viktorianische Gesellschaft, die ungern einen Spiegel vorgehalten bekam. Auch in ihrem zweiten Roman Die Herrin von Wildfell Hall (1848) hielt sie allen Kritikern zum Trotz an ihrer Darstellungsweise fest. Auch hier ein unerbittlicher, detailgenauer Stil, auch hier ein Tabuthema jener Zeit. Erzählt wird die Geschichte einer Frau, die unter dem Verhalten ihres alkohol- und vergnügungssüchtigen Ehemanns leidet (eine Anspielung auf Annes Bruder, der alkoholabhängig war). Sie versucht, sich gegen seine Gewalt durchzusetzen, bleibt aber angesichts ihrer Angst und der beschränkten Mittel einer Frau ihrer Zeit machtlos. Der Roman ist im Kontext der #MeToo-Debatte aktueller denn je und liest sich als Plädoyer für die Gleichberechtigung der Frau nicht nur im viktorianischen Zeitalter.
Dieser Roman ist es nun auch, der uns wieder mitten in das zu Beginn erwähnte Gespräch bringt, denn eben jener Roman stand in Gefahr, dem Pseudonym Charlottes zugeschrieben zu werden. Schon länger war das Gerücht umgegangen, die Verfasser Acton, Ellis und Currer Bell seien eine Person – und das wollte sich Annes Verleger, Thomas Cautley Newby, nun zunutze machen, indem er ihren zweiten Roman als neustes Buch des Erfolgsautors Currer Bell nach Amerika verkaufte. Doch George Smith hatte als Verleger von Charlotte seinem amerikanischen Partnerverlag das neuste Currer-Werk versprochen, und dieser reagierte natürlich empört, als er annehmen musste, ein anderer hätte den Zuschlag bekommen. Smith schrieb umgehend an seinen vermeintlichen Autor – und zwar jenes Schreiben, das Anne und Charlotte nach London führte.
Smith beschrieb Anne später als sanften, ruhigen Menschen, sodass es schwer vorstellbar gewesen sein muss, dass diese zarte Person jenen Roman verfasst haben sollte, der aufgrund seines realistischen Stils von den Kritikern als grob, ja sogar brutal bezeichnet worden war. Doch in Anne steckten mehr Kraft und Willensstärke als ihr Auftreten verriet. Leider konnte ihre körperliche Kraft mit ihrer inneren Stärke nicht mithalten. Anne war schon immer von schwacher Konstitution, und ihr Zustand verschlimmerte sich nach dem Tod ihres Bruders Branwell im September gleichen Jahres und dem ihrer Schwester Emily im folgenden Dezember immens. Ihre Kräfte schwanden schnell und sie erkannte, dass ihr nur noch wenig Hoffnung auf ein langes Leben blieb, und so stellte sie sich auf den Tod ein. In einem ihrer letzten Briefe vom 29. März 1849 machte sie noch einmal ihre Leidenschaft deutlich und zeigt in ihrer gewohnten Zurückhaltung, dass bei einem längeren Leben nicht nur Agnes Grey oder Die Herrin von Wildfell Hall in ihr gesteckt hätten: »Ich habe viele Pläne für künftige Tätigkeiten im Kopf, bescheiden und begrenzt zwar, doch es täte mir leid, wenn nichts daraus werden würde und ich in meinem Leben so wenig bewirkt hätte.« (Text von 2019
Verfasserin: Janina Vogel
Zitate
Hätte Anne Brontë zehnJahre länger gelebt, stünde sie gleichrangig neben Jane Austen, vielleicht sogar höher.
(George Moore, in: Conversations in Ebury Street)
Links
http://www.bronte.brain-jogging.com/bell.htm
Link geprüft am 22. Januar 2020 (AN)
Literatur & Quellen
Brontë, Anne. 1993 (7. Auflage). Die Herrin von Wildfell Hall. Berlin, Insel Verlag.
Maletzke, Elsemarie & Christel Schütz. Hg. 1986. Die Schwestern Brontë. Leben und Werk in Texten und Bildern. Frankfurt a. M. Insel.
Traz, Robert de. 1984. Die Familie Brontë. Aus dem Französischen von Maria Arnold. Mit einem Beitrag von Mario Praz und zahlreichen Abbildungen. München. Matthes & Seitz.
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