Fembio Specials Pionierinnen der Frauenbewegung Alwine Wellmann
Fembio Special: Pionierinnen der Frauenbewegung
Alwine Wellmann
geboren am 24. Februar 1891 in Osnabrück
gestorben am 17. April 1966 in Osnabrück
deutsche Politikerin, preuß. Landtagsabgeordnete (SPD), Friedenskämpferin, Antifaschistin und frühe Frauenrechtlerin
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Alwine Wellmann: ein Arbeiterkind
Alwine Wellmann, 1891 geboren, ist ein typisches Arbeiterkind. Der Vater gehört zu jenen Facharbeitern bei den Osnabrücker Eisenbahnwerkstätten, die mit ihren rußgeschwärzten Gesichtern im Volksmund gern „Kameruner“ genannt werden.
In einer Zeit, als Frauen weder wählen noch gleichberechtigtes Mitglied in einer politischen Partei werden dürfen, startet sie, nach dem Volksschulabschluss, bereits als Handelsschülerin ihre Aktivitäten. Früh, mit 16 Jahren, schließt sie sich als Lehrling den sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften an. Mit 25 Jahren wird sie Mitglied der SPD. Als Frauenrechtlerin ist ihr schnell klar, dass die SPD zu jener Zeit weit und breit die einzige Partei ist, die für ein Frauenwahlrecht eintritt. Schnell macht sie journalistische Erfahrungen und schreibt vielbeachtete Artikel der SPD-Tageszeitung „Osnabrücker Abendpost“. Nach Beginn des 1. Weltkriegs wird sie aktive Friedenskämpferin und schließt sich konspirativ der damals verbotenen Deutschen Friedensgesellschaft an.
Rednerin, Schreiberin und Sängerin
Immer häufiger mischt sie sich mutig in politische Debatten ein. Emsig schreibt sie weiter politische Zeitungsartikel. Auch ihre rednerischen Fähigkeiten sprechen sich schnell herum. Als talentierte und gut ausgebildete Sängerin tritt sie ebenfalls immer häufiger in Erscheinung. Schon nach kurzer Zeit kann sie sich kaum noch davor retten, in Partei oder Gewerkschaft immer wieder als Versammlungsrednerin eingeladen zu werden.
In der Osnabrücker SPD gibt es in der Weimarer Zeit bis 1933 kaum jemanden unter den Männern, der ihr als Redner das berühmte Wasser reichen kann. Seit dem im November 1918 von der Sozialdemokratie durchgesetzten Frauenwahlrecht dürfen diese wählen – und auch gewählt werden. Kein Wunder, dass sie die Sozialdemokratie des Bezirks Weser-Ems bereits 1921, sie zählt da mittlerweile 30 Lebensjahre, zu ihrer Landtagskandidatin macht. 1924 rückt sie im nachrückverfahren nach und ist bis 1932 Abgeordnete des preußischen Landtags. In dieser Funktion hat sie als vielgefragte Rednerin immer wieder ein großes Gebiet zu bereisen, weil das damalige Preußen sich vom heutigen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bis weit nach Ostpreußen hin erstreckt. Als Rednerin wird die Osnabrückerin in ganz Deutschland, sogar bis hin ins ferne Bulgarien, angefordert.
Feindbild der Nazis
Als die Nazis auch in Osnabrück an Stärke gewinnen, finden sie schnell in der „Roten Alwine“ ihr Feindbild. Frauen, die mutig ihre Meinung sagen und Männern widersprechen, sind das exakte Gegenteil des Nazi-Frauenbilds. Alwine, von ihren Feinden auch als „Osnabrücker Jeanne d'Arc“ verspottet, ist sich nicht einmal zu schade, mutig in NSDAP-Versammlungen zu gehen und sich dort mit eigenen Redebeiträgen der braunen Propaganda entgegenzustellen. Noch im April 1933 verweigert sie im Osnabrücker Stadtrat unter der schon hängenden Hakenkreuz-Fahne mit einer mutigen Rede das „Sieg Heil“. Am 2. Mai wird sie wie alle führenden SPD-Genossen verhaftet und ins Gefängnis gesperrt.
Ende 1933, ihre Partei ist verboten, flieht die Sozialdemokratin nach Bulgarien. Dort schlägt sie sich inmitten weniger Gleichgesinnter mühsam mit Nachhilfestunden durch. 1940 verliert die „deutschblütige“ Alwine Wellmann, ebenso wie der weltberühmte Osnabrücker Literat Erich Maria Remarque, ihre Staatsangehörigkeit. In Bulgarien lebt sie 15 Jahre lang und geht eine „Scheinehe“ mit einem bulgarischen Sozialdemokraten ein, um sicher dortbleiben zu können. So entgeht sie der Auslieferung in ein deutsches KZ.
Arbeit für politisch Verfolgte
Nach ihrer Rückkehr wird sie ab 1950 bei der Bezirksregierung „Vertrauensmann für politisch, religiös und rassisch Verfolgte“ und kümmert sich in aufopfernder Weise um all jene, die, wie sie selbst, aktiv gegen die Nazis gekämpft haben. In einer Zeit, in der unter der Kanzlerschaft Konrad Adenauers immer mehr alte Nazis und sogenannte Kriegshelden in Amtsstuben, Schulen, Universitäten und Gerichten dominieren, wird Wellmanns Arbeit immer mühevoller.
Obwohl nur ein Bruchteil der Anträge Verfolgter bearbeitet wird und alte Nazis mittlerweile satte Renten und Pensionen einstreichen, wird Wellmanns Funktion 1953 ersatzlos abgeschafft. Ihr massiver Widerstand dringt nicht gegen die Kräfte der Reaktion durch.
Noch viele weitere Jahre kämpft die Osnabrückerin leidenschaftlich für Demokratie und soziale Gerechtigkeit, gegen Nationalismus, Militarismus und den wieder aufkeimenden Geist der braunen Vergangenheit an. Alwine Wellmann stirbt, noch immer von vielen verehrt, im Jahre 1966. (Text von 2019)
Verfasserin: Heiko Schulze
Literatur & Quellen
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