Fembio Specials Frauen aus Lateinamerika Alba de Céspedes
Fembio Special: Frauen aus Lateinamerika
Alba de Céspedes
geboren am 13. März 1911 in Rom
gestorben am 14. November 1997 in Paris
italienische Schriftstellerin, Dichterin und Journalistin
25. Todestag am 14. November 2022
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Zwei große Themen bestimmen das Leben von Alba de Céspedes: die Emanzipation der Frau und der Protest gegen politische Missstände. Als Kind einer Italienerin und eines Kubaners wächst sie zunächst bei ihrer Tante in Rom auf, da die Eltern wegen der diplomatischen Tätigkeit ihres Vaters ein paar Jahre in den USA leben. Von Anfang an spricht sie drei Sprachen, Französisch lernt sie in Paris, wo sie die Sommer bei Verwandten verbringt. Ihre Ausbildung wird vernachlässigt. Sie besucht keine Schule, erhält nur unregelmäßig Privatunterricht, schreibt aber siebenjährig ihr erstes Gedicht. Mit fünfzehn ist Alba De Céspedes bereits verheiratet, zwei Jahre darauf wird ihr Sohn Franco geboren. Die Ehe lässt sie später annullieren. Von nun an will sie sich ihren Studien widmen, besucht Kurse am Istituto Ravasco und mietet sich, nachdem sie beschlossen hat, das Schreiben zu ihrem Beruf zu machen, eine eigene Wohnung in Rom. Schnell gelingt es ihr, sich als Journalistin zu etablieren. Bereits 1935 publiziert sie ihre ersten Gedichte und den Erzählband Die Seele der anderen.
Für ihre antifaschistischen Artikel im Messaggero (1935) wird de Céspedes fünf Tage lang inhaftiert. Ihren ersten bei Mondadori veröffentlichten Roman Der Ruf ans andere Ufer zensieren die Faschisten. Die Protagonistinnen, studierende Frauen, die ihren eigenen, selbstbestimmten Weg suchen, entsprechen nicht dem Ideal der kochtüchtigen Gebärmaschine. Dem Verlag wird nahegelegt, die Ausgabe zurückzuziehen. Mondadori lehnt dies ab – und kann sich durchsetzen. Der Roman wird – wie andere auch – ein internationaler Bestseller und später verfilmt.
Während der Zeit der deutschen Invasion schließt sich Alba de Céspedes der Resistenza an. Zusammen mit ihrem späteren zweiten Ehemann flüchtet sie aus dem besetzten Rom, lebt einen Monat lang versteckt im Wald und schlägt sich bis nach Bari durch, wo sie unter dem Pseudonym Clorinda die Radiosendung Italien kämpft moderiert. »Ihr glaubt, Ihr könnt nichts tun«, ruft sie Italiens Sekretärinnen zu, »Ihr, die Ihr in Eurem Alltag gefangen seid. […] Ich hingegen sage Euch, dass gerade Ihr mit Eurem schwarzen Kittel an Eurer Schreibmaschine genauso nützlich sein könnt wie ein Patriot oder Soldat. Es gibt sogar Dinge, die jene gern machen würden aber nicht können, Dinge, die nur Ihr tun könnt.« (Zit. in: Zancan, Approfondimenti, S. 292)
In der 1944 von ihr gegründeten Monatszeitschrift Mercurio führt de Céspedes lebhafte Debatten mit Natalia Ginzburg, die in ihrem Artikel Diskurs über die Frauen die mangelnde geschichtliche Bedeutung der Frauen beklagt. Diese würden durch ihr Innenleben wie in einen Brunnen hinabgezogen. De Céspedes hält dagegen, dass es genau dieser Brunnen sei, aus dem die Frauen ihre besondere Kraft schöpften. Es käme darauf an, das Widerstandspotenzial ihres Innenlebens für äußere Veränderungen zu nutzen.
Nach Kriegsende schreibt de Céspedes für diverse Zeitschriften über aktuelle politische Themen, ab 1952 vor allem für die Wochenzeitschrift Epoca unter dem Titel Auf ihrer Seite, den sie von ihrem 1949 veröffentlichten Roman (deutscher Titel: Alexandra) übernommen hat. Nach wie vor wählt sie als Stoff die Situation der Frau, so auch in Das verbotene Tagebuch (1952), wo die Ich-Erzählerin Valeria darüber klagt, dass Ehemann, Sohn und Tochter ihr keine autonome Rolle zugestehen. Ihre Arbeit im Büro zähle nicht, ein namenloses, untergeordnetes Wesen sei sie, das der Ehegatte rigoros »Mamma« nenne. Valerias Bemühen um Selbstbestimmung scheitert, das Tagebuch verbrennt sie, der Brunnen, aus dem sie Kraft schöpfen könnte, versiegt. In Italien, wo viele Mädchen davon träumen werden, als aufreizende, silikonbrüstige Velina vor der Fernsehkamera zu stehen, wird Das verbotene Tagebuch 1962 als Theaterstück und 1980 als Fernsehspiel aufgeführt.
De Céspedes sieht ihre Hoffnungen auf eine neue, gerechte Gesellschaft enttäuscht, die Ideale der Resistenza werden in ihren Augen verraten, was sie in zahlreichen Artikeln, aber auch in ihren Romanen (Die Reue, 1963) beschreibt. Zusammen mit ihrem zweiten Ehemann, Diplomat von Beruf, hält sie sich für längere Zeit in den USA, der Sowjetunion und in Pakistan auf. Immer wieder reist sie nach Kuba, verfolgt mit Spannung die kubanische Revolution und wird eine große Anhängerin Fidel Castros.
1967 erscheint ihr Roman Die Bambolona. Der Protagonist, gewohnt, die Frauen wie eine käufliche Puppe (bambolona) zu ergattern, scheitert hier am Widerstand einer Siebzehnjährigen, die nicht daran denkt, sich auf ihre körperlichen Reize reduzieren zu lassen.
Tag für Tag, pünktlich um 21 Uhr, setzt sich de Céspedes an ihre Schreibmaschine, raucht eine Chesterfield nach der anderen und arbeitet bis zum Morgengrauen. Dies wird sie auch in Paris beibehalten, wo sie ab 1967 lebt und von nun an ihre Bücher auf Französisch schreibt. Eines Nachts treiben sie Detonationen, Protestschreie und Fußgetrappel nach draußen – sie wird Zeugin der Straßenschlachten zwischen Polizisten und StudentInnen. Sie mischt sich unter die Leute, redet und diskutiert mit ihnen. In ihrem Gedichtband Lieder der Maifrauen (1968) verarbeitet sie diese Erlebnisse. Die wahren Protagonistinnen der Studentenbewegung, schreibt sie, seien die Frauen, »vielleicht, weil sie von Natur aus die eigenen Ideen, die eigenen Gefühle mit Leidenschaft zum Ausdruck bringen und jede Angelegenheit ihres Lebens mit einem gewissen Heroismus anpacken«(Zit. in: Zancan, S. 68). In ihrem letzten vollendeten Werk, dem Roman Keinen anderen Raum als die Nacht (1973), experimentiert de Céspedes mit neuen Erzählformen. Stimmen einer einzigen Pariser Nacht werden hier auseinandergerissen und wieder zusammengesetzt, eine Collage von Versatzstücken aus Artikeln, Briefen, Kommentaren, Dialogen und Radiosendungen.
De Céspedes’ größte Liebe gilt Kuba. Hier fühlt sie sich am meisten heimisch, wird mit Preisen und Auszeichnungen geehrt. Ihr Großvater war der erste kubanische Präsident nach der Befreiung von den Spaniern. Für ihr letztes Werk, einen autobiografischen Roman, wählt sie den Titel Mit viel Liebe, ein Zitat Fidel Castros, dem sie das Buch auch widmen will. De Céspedes wird es in über zwanzig Jahren nicht vollenden. Vielleicht, weil ihre letzte, in Fidel Castro gesetzte Hoffnung an der Realität des kubanischen Sozialismus zerbricht. Sechsundachtzigjährig stirbt sie nach schwerer Krankheit in ihrem Haus in Paris. Ihr umfangreiches persönliches Archiv hat sie der Unione Femminile Nazionale vermacht. Es wird derzeit in Mailand (Archivi Riuniti delle Donne) archiviert und erforscht.
Verfasserin: Uta Ruscher
Zitate
»Die Frauen sind dumm, sonst wären sie keine Frauen.« (Alba de Céspedes, La bambolona, S. 155)
»Dabei war es genau das, was Mussolini Euch verhieß, Angriffe, Zerstörungen, in Schutt und Asche gelegte Häuser, vermisste oder gefangen genommene Männer. Und Ihr habt Beifall geklatscht, habt Duce, Duce geschrieen. Es war, als hättet Ihr dem Bild Eures toten Sohnes applaudiert, der auf einem fernen, unbekannten Schlachtfeld verblutet.« (Zit. in: Zancan, Approfondimenti, S. 282)
»Alle sprechen zu den Männern, denn sie sind es, die kämpfen und etwas riskieren, aber zu den Frauen, die warten, ist bis jetzt nicht gesprochen worden. Viel Mut ist zum Warten nötig: Kolonnen von einsamen Tagen im kalten Haus, wo die geliebte Stimme nicht mehr widerhallt, jeder Tag dem anderen gleich.« (Zit. in: Zancan, Approfondimenti, S. 291)
»Ich teile diese Trennung zwischen Männern und Frauen nicht, die Bücher werden für Mann und Frau geschrieben. Warum akzeptieren die Frauen diese Bücher, diese Frauenzeitschriften? Ich finde das nicht richtig.« (Zit. in: Zancan, Approfondimenti, S. 296)
»Der Roman von Signora Alba de Céspedes ist das Werk eines scharfen, variablen, erfindungsreichen Verstandes. […] Die vielfältigen Fäden des Werkes sind gut miteinander verflochten, hinterlassen in der Erinnerung, ich würde sagen im Tastsinn, ein brennendes Sehnen und ein süßes Bedauern, die einen nachdenklich stimmen.« (Sem Benelli in einem Brief an Arnoldo Mondadori über Der Ruf ans andere Ufer, Zit. in: Zancan, Approfondimenti, S. 351)
»Die Neuheit war sensationell: eine Zeitschrift, geführt von einer Frau, die sich aber nicht ausschließlich an Frauen wandte, auch wenn sie auf sehr ungewöhnliche Weise die weibliche Mitarbeit anmahnte.« (Vittorio Spinazzola über die von Alba de Céspedes gegründete Zeitschrift Mercurio, Zit. in: Zancan, Approfondimenti, S. 265)
Links
Internet Movie Database: Alba De Cespedes. Filme. (Link aufrufen)
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Alba de Céspedes. Bücher und Medien. (Link aufrufen)
Links geprüft und korrigiert am 1. März 2021 (AN)
Literatur & Quellen
Werke
De Céspedes, Alba (1940): Der Ruf ans andere Ufer. Roman. (=Nessuno torna indietro) Herausgegeben von Hanns Floerke. Leipzig. Schaffrath. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
De Céspedes, Alba (1943): Flucht. Erzählungen. (=Fuga) Herausgegeben von Hanns Floerke. Leipzig. Schaffrath. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
De Céspedes, Alba (1950): Alexandra. Roman. (=Dalla parte die lei) Herausgegeben von Lieselotte Loos. Köln. Schaffrath. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
De Céspedes, Alba (1955): Das verbotene Tagebuch. Roman. (=Quaderno proibito) Herausgegeben von Percy Eckstein. Köln. Schaffrath. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
De Céspedes, Alba (1965): Die Reue. Roman. (=Il rimorso) Ins Deutsche übersetzt von Gerda von Uslar. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
De Céspedes, Alba (1970): Die Bambolona. Roman. (=La bambolona) München. Desch. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
De Céspedes, Alba (1973): Allein in diesem Haus. Roman. (=Quaderno proibito) Zürich, Köln. Benziger. ISBN 3-545-36194-2. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Schumacher, Theo (1986): Amore all'italiana – Italienische Liebesgeschichten. Italienisch-Deutsch. dtv. ISBN 9783423092258. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Quellen
De Céspedes, Alba (1967): La bambolona. 2. Aufl. Verona. Mondadori. (Narratori italiani, 156)
Zancan, Marina (Hg.) (2001): Alba de Céspedes. Palazzo delle Esposizioni Milano. Fondazione Arnoldo e Alberto Mondadori. (Women writers' words, 2) ISBN 8842812862.
Zancan, Marina (Hg.) (2005): Alba de Céspedes. Approfondimenti. Milano. Fondazione Arnoldo e Alberto Mondadori.
Ciminari, Sabina Ciminari: Alba de Céspedes. Fondazione Arnoldo e Alberto mondadori. (Link aufrufen)
Weiterführende Literatur
Gallucci, Carole C. (Hg.) (2000): Writing beyond fascism. Cultural resistance in the life and works of Alba de Céspedes. Madison, London. Fairleigh Dickinson University Press; Associated University Presses. ISBN 0-8386-3829-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Merry, Bruce (1990): Women in modern Italian literature. Four studies based on the work of Grazia Deledda, Alba De Céspedes, Natalia Ginzburg, and Dacia Maraini. Townsville Australia. Dept. of Modern Languages James Cook University of North Queensland. (Capricornia, 8) ISBN 0864433182. (WorldCat-Suche)
Joumana Khatib. 2023. “The Transgressive Power of Alba de Céspedes”, New York Times 13.1.2023 (https://www.nytimes.com/2023/01/13/books/review/forbidden-notebook-alba-de-cespedes.html?)
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