Fembio Specials FemBiografien von Adelheid Steinfeldt (1925-2014) Adelheid Amalie Fürstin von Gallitzin
Fembio Special: FemBiografien von Adelheid Steinfeldt (1925-2014)
Adelheid Amalie Fürstin von Gallitzin
(geb. Gräfin von Schmettau)
geboren am 28. August 1748 in Berlin
gestorben am 27. April 1806 in Münster
deutsche Schriftstellerin und Salonière
275. Geburtstag am 28. August 2023
Biografie
Amalie wurde nach dem Tod des Vaters von der Mutter, die keinen Kontakt zu ihren Kindern fand, in ein katholisches Kloster gegeben, von wo sie mit 13 Jahren nur ungenügend gebildet und völlig weltfremd nach Berlin zurückkam. Sie wurde in griechischer Mythologie, eleganter französischer Konversation, in Tanz und Musik „nachgeschult“, um am preußischen Hof den lästigen Dienst einer Hofdame anzutreten.
Das stille, scheue junge Mädchen wurde belächelt und fühlte sich in dem oberflächlichen, intriganten Treiben unglücklich. Deshalb nahm sie die Werbung des unermesslich reichen, gebildeten (er zählte Voltaire und die Enzyklopädisten zu seinen Freunden) russischen Fürsten Dimitri Gallitzin an. Der Schock der Brautnacht (sie floh weinend aus dem Hause, wurde aber mit dem Hinweis auf ihre „ehelichen Pflichten“ zurückgebracht) löste in ihr einen Abscheu gegen ihren Mann aus, sie kamen sich auch geistig-seelisch nicht näher. Nach der Geburt einer Tochter und eines Sohnes willigte der Fürst, inzwischen Gesandter in Den Haag, in die Scheidung ein.
Amalie, zu einer schönen Frau erblüht, war bildungsgierig und lesehungrig im Übermaß. Sie wollte lernen, um zu lehren, und zog sich mit den Kindern in ein Dorf zurück. Entgegen den damaligen Gepflogenheiten erzog sie ihre Kinder selbst, Sohn und Tochter in den gleichen Fächern, spartanisch einfach und sehr sportlich. Allerdings wollte sie Elitemenschen aus ihnen machen, wie auch aus späteren Schülern, so dass die Kinder stets überfordert wurden, durch Tadel und Strafen Minderwertigkeitskomplexe bekamen und in Ihrer menschlichen Entwicklung gehemmt blieben.
Amalies bewunderter Lehrer, Frans Hemsterhuis, bekannter Staatsrat und und Philosoph, besuchte sie fast täglich und schrieb ihr regelmäßig. Auch von anderer Seite empfängt Amalie Huldigung, Verehrung, fast Anbetung.
Sie besucht den Domherrn Franz Friedrich Wilhelm von Fürstenberg, den Begründer der Universität Münster, um sein Schulsystem kennenzulernen, das er im Hochstift Münster geschaffen hat. Sie hatte seine Schulordnung von 1776 ins Französische übersetzt. Zwischen diesen beiden außergewöhnlichen Menschen entsteht eine spontane Anziehung. Amalie bezieht In Münster eine Wohnung, wo sie 27 Jahre bis zum Tode bleiben wird. Sie zieht Wissenschaftler, Gelehrte und Politiker in ihr Haus, so dass ihr Salon eher einer Akademie glich.
Dort lernt sie auch Friedrich Heinrich Jacobi, Goethes Seelenbruder, kennen. Er ist auf dem Weg nach Wolfenbüttel zu Lessing. So wird vorwiegend über Literatur gesprochen.
Jacobi bleibt ihr Freund und Berater.
Weil Amalie Bildung und Selbstverwirklichung radikal einfordert, weil sie durch die Verletzungen ihrer Jugend leicht verletzbar bleibt, aber auch verletzen kann und beherrschende Ansprüche geltend macht, befremden ihre Besuche in Göttingen (1781), wo sie sich an der Universität einschreiben lässt, und in Weimar (1785) im Goethekreis zunächst. Goethe schreibt an Frau von Stein in Kochberg: „... mit der Gallitzin und uns will es noch nicht fort. Ich weiß nicht, sie ist unter uns nicht am Platze. Mit den Männern geht es schon besser (Hemsterhuis und Fürstenberg).“ Erst später urteilt Goethe: „...Sie hat eine kostbare Seele. Es wundert mich nicht, dass sie die Menschen so anzieht ...“
Ihr unkonventionelles Äußeres, die schlichte, legere Kleidung, die abgeschnittenen Haare, die sportlichen Aktivitäten (sie läuft und springt mit den Kindern um die Wette, sie reitet, sie schwimmt in den Flüssen) ist besonders den Damen Anlass für spitze Bemerkungen. Aber Amalie lässt sich von dem Klatsch nicht beeindrucken. Wieder sucht sie ein stilles Refugium und mietet sich in einem Bauernhof in Angelmodde bei Münster ein. „Ein paar Stunden Einsamkeit an jedem Tag sind mir nötig für mein Glück, um mich zu regeln.« Hier widmet sie sich auch den einfachen Menschen, besonders Kindern, um sie „zu bilden und zu erheben“.
1783 entwickelt Amalie Pläne zur Frauenausbildung. „Es ist gar nicht so schwer, wie man denken mag, in der Frauenausbildung eine Revolution anzuzetteln ...“ schreibt sie an Hemsterhuis.
1802 wird Münster von den Preußen besetzt. Amalie bleibt im Hintergrund, wird aber zum Mittelpunkt des passiven Widerstandes.
Sie wird immer wieder von seelischen Krisen und körperlichen Schmerzen geplagt, da sie sich ständig verausgabt. Sie stirbt im April 1806 „und wird, wie sie es gewünscht hatte, in Angelmodde beerdigt, an dem Platz, wo man die Armen begräbt“.
(Text von 1997)
Verfasserin: Adelheid Steinfeldt
Zitate
Ein paar Stunden Einsamkeit an jedem Tag sind mir nötig für mein Glück, um mich zu regeln.
Es ist gar nicht so schwer, wie man denken mag, in der Frauenausbildung eine Revolution anzuzetteln.
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