Fembio Specials Frauenbeziehungen Abby Wambach
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Abby Wambach
(Mary Abigail Wambach)
geboren am 2. Juni 1980 in Pittsford bei Rochester, NY (USA)
US-amerikanische Fußballspielerin
40. Geburtstag am 2. Juni 2020
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Dresden, Rudolf-Harbig-Stadion, 10. Juli 2011: Im Viertelfinale der Fußball-WM zwischen Brasilien und den USA steht es 2:1. Die reguläre Spielzeit ist längst vorüber, und die Verlängerung bereits in der Nachspielzeit. Nur noch wenige Sekunden trennen die brasilianischen Frauen vom Halbfinale. Doch dann kommt plötzlich alles ganz anders: Megan Rapinoe flankt den Ball von der linken Außenlinie auf den langen Pfosten, die Torhüterin fliegt vorbei, Abby Wambach springt höher als die Verteidigerin und wuchtet den Ball mit dem Kopf ins Netz. Tor in der 122. Minute – das späteste reguläre Tor, das je bei einer Fußball-WeltmeisterInnenschaft erzielt wurde. Das anschließende Elfmeterschießen entscheiden die US-Frauen für sich und ziehen statt der schon siegessicheren Brasilianerinnen ins Halbfinale ein. Dies ist nicht das einzige spielentscheidende Tor der Nummer 20 bei dieser WM, aber zweifellos das spektakulärste. Als es im Finale gegen Japan erneut zum Elfmeterschießen kommt und den US-Spielerinnen die Nerven flattern, ist Abby Wambach die einzige, die ihren Elfer im gegnerischen Tor versenkt.
Einsatzwille, Nervenstärke, Fitness, eine robuste Konstitution, Reflexionsvermögen, die Fähigkeit, ihre Teamkolleginnen auch in aussichtslos erscheinender Lage noch einmal anzuspornen – und nicht zuletzt ihre Körpergröße von 1,81 m und die athletische Statur – haben Abby Wambach zu einer unverzichtbaren Figur im US-Nationalteam der vergangenen Jahre gemacht. Sie ist in der Lage, ein Match allein zu entscheiden. Als »Sprungwunder«, »Kopfballungeheuer« oder auch unschön als »Wuchtbrumme« oder »Dampframme« wird Wambach gelegentlich bezeichnet. In männlichen Zusammenhängen gälte ihr Stil als zielstrebig und durchsetzungsfähig, zumal sie sich nicht mal der männlichen Untugenden des Hineintretens oder der »Fallsucht« befleißigt. Deutlich respektvoller trifft es »Her Airness«, denn fast die Hälfte ihrer Tore im Nationalteam hat sie per Kopf erzielt.
Der Schlüssel zu dieser Stärke und Durchsetzungsfähigkeit liegt in ihrer Kindheit. Abby wird als jüngstes von sieben Kindern geboren, neben zwei Schwestern hat sie vier Brüder. Ihre Eltern Judy und Peter Wambach betreiben in Rochester ein Gartencenter. Tagsüber werden die Kinder buchstäblich aus dem Haus ausgesperrt, mit der lakonischen Bemerkung der Mutter: »Geht spielen.« Als Kleinste der großen Familie lernt Abby beizeiten, die Ellbogen zu gebrauchen. Ihre Brüder stecken sie in eine Eishockey-Ausrüstung und feuern Pucks auf sie. Selbst beim Essen muss sie sich verteidigen: Gibt es Pommes frites, beißt sie jede einzelne schnell in zwei Teile, damit ihr Teller von den Großen nicht geplündert wird.
Über ihre älteste Schwester Beth, die sich für Fußball interessiert, kommt Abby zu diesem Sport. Mit 5 Jahren tritt sie einem Freizeitteam bei und schießt 27 Tore in drei Spielen. Als Reaktion darauf wird sie als einziges Mädchen in ein Jungenteam gesteckt. Wenn Abby voller Stolz erzählt, sie habe in einem Spiel drei Tore geschossen, fragt ihr Vater, ein ehemaliger Läufer und Ringer: »Warum nicht vier?« Mit zehn Jahren beginnt Abby mit dem Kopfballspiel – zunächst nicht, um Tore zu erzielen, sondern die gegnerischen Verteidiger auszuspielen. Und sie beginnt ihren Körper einzusetzen, denn die Jungs sind alle viel kräftiger als sie. In ihrer Schule, der Our Lady of Mercy High School in Rochester, einer Mädchenschule, spielt Abby neben Fußball auch Basketball. Hier lernt sie die Flugkurve des Balls einzuschätzen, was ihr später beim Kopfballspiel unschätzbare Vorteile einbringt.
An der University of Florida in Gainesville spezialisiert sie sich auf den Fußball und gewinnt gleich in ihrem ersten Jahr mit ihrem Team »The Gators« die Collegemeisterschaften. Sie erhält mehrere Preise als beste Spielerin und wird mit ihren 96 Toren bis heute an der Universität als erfolgreichste Torschützin geführt. Noch vor ihrem Abschluss wechselt sie 2002 als Profi zum Team von Washington Freedom, wo sie neben der Fußball-Legende Mia Hamm spielt. Mit Mia als Mentorin lernt Abby ihre Talente einzusetzen, viel über Ernährung und die richtige Einstellung zum Wettkampf. Die Erfolge bleiben nicht aus: Mit Washington Freedom wird Abby einmal US-Meisterin und einmal Vizemeisterin; 2003, 2004, 2007 und 2010 wird sie zur US-Fußballerin des Jahres gewählt. Mittlerweile liegt sie in der Rangliste der besten US-Torschützinnen aller Zeiten auf dem dritten Platz.
Ihr Debüt im US-Nationalteam gibt Abby Wambach 2001 gegen Deutschland. Der Durchbruch gelingt ihr aber erst 2003 bei den Weltmeisterinnenschaften im eigenen Land. Sie gewinnt mit ihrem Team die Bronzemedaille, ein Jahr später bei den Olympischen Spielen in Athen die Goldmedaille; im Endspiel gegen Brasilien schießt sie per Kopf das Siegtor zum 2:1. Bei der Wahl der Weltfußballerin des Jahres 2004 belegt sie den vierten Platz (ebenso 2007). Der nächste große Auftritt erfolgt bei der Fußball-Weltmeisterinnenschaft 2007 in China, wo Abby ihr 100. Länderspiel absolviert. Gleich im ersten Spiel macht sie spektakulär auf sich aufmerksam: Nach ihrem 1:0 gegen Nordkorea zieht sie sich bei einem Zusammenprall eine blutende Platzwunde am Kopf zu, die mit elf Stichen genäht werden muss. Dennoch steht sie nach zehn Minuten wieder auf dem Platz. Bei dieser WM gewinnt sie mit ihrem Team abermals die Bronzemedaille. Mit sechs Toren in sechs Spielen wird ihr der Silberne Schuh als zweitbeste Torschützin hinter Marta verliehen.
Der Olympiasieg wiederholt sich für sie 2008 nicht. Beim letzten Vorbereitungsspiel vor den Olympischen Spielen bricht sie sich gegen Brasilien das Bein und muss vor dem Fernseher zuschauen, wie sich ihre Teamkameradinnen die Goldmedaille holen. Die letzte Chance auf den Gewinn der Weltmeisterinnenschaft – der einzige Titel, der Abby Wambach noch fehlt – gibt es 2011 bei der WM in Deutschland. Allerdings muss sie sich unter der neuen Trainerin Pia Sundhage an ein neues Spielsystem gewöhnen: Sie steht nun nicht mehr wie ein Wellenbrecher im Strafraum und wartet auf Bälle, sondern soll aktiv mitspielen. Die Qualifikation für dieses Turnier wird denn auch nur mit Ach und Krach und nach zwei Play-Offs geschafft: Die Tormaschine Wambach stottert, und die ersten Presseleute sehen sie schon während der WM auf der Bank schmoren. Sie schießt jedoch das US-Team ins Finale. Sie will den Titel unbedingt. Es bräche ihr das Herz, gewänne sie ihn nicht, läßt sie durch die Presse mitteilen. Als es dann doch zur großen Enttäuschung kommt, zeigt sie sich als großherzige Sportsfrau und gratuliert den siegreichen Japanerinnen als eine der ersten. Neben der Silbermedaille wird ihr der Silberne Ball als zweitbeste Spielerin der WM und der Bronzene Schuh als drittbeste Torschützin überreicht.
Nach Verkauf und Umbenennung von Washington Freedom in Boca Raton magicJack spielt sie nach dem Umzug des Clubs nun wieder in Florida. Die Spielsaison dauert von März bis Ende August. Nach der WM 2011 fungiert Abby Wambach auch als Trainerin für ihr Team. Außerhalb der Spielsaison wohnt sie in einem Strand-Vorort von Los Angeles, wo sie vor allem für sich trainiert – Laufen, Mountainbike fahren und natürlich Krafttraining. Das nächste und vielleicht letzte große Ziel sind die Olympischen Spiele 2012 in London. Neben ihrem Sport gibt sie u.a. in Werbespots Kindern Fußball- und Ernährungstipps. 2005 besucht sie als Botschafterin der NGO »Right to Play« Uganda und Ruanda, um vor allem Mädchen für den Sport allgemein und für das Fußballspielen zu gewinnen.
Abby Wambach fällt gelegentlich durch patriotische Gesten nach dem Spiel und entsprechende Äußerungen in Interviews auf. Ob dies tatsächlich einer konservativen Haltung entspringt, sei dahingestellt. Bei der Präsidentschaftswahl 2008 spricht sie sich für Barack Obama aus; auch setzt sie sich kritisch mit dem Afghanistankrieg auseinander. Ansonsten hält Abby Wambach ihr Privatleben strikt unter Verschluss. Spekulationen und Mutmaßungen werden von ihr weder bestätigt noch dementiert. Sie verrät nur, sie würde nach Beendigung ihrer Karriere gerne mal den Appalachian Trail erwandern und später am liebsten Restaurantbesitzerin werden.
Verfasserin: Christine Schmidt
Zitate
Die wirklich beste Sache auf der Welt ist, wenn du etwas zurückgeben kannst – wenn du etwas von dir gibst, das du am besten kannst.
Ich versuche, in der Gegenwart zu leben.
Es ist ein schmaler Grat, ob du das Richtige tust oder nicht. Bei allem Abwägen erinnere dich aber immer daran: Was zählt, ist das, was vorn auf dem Trikot ist und nicht auf der Rückseite.
Ich denke, dass Unerschrockenheit meine größte Stärke ist. Ich habe keine Angst, in Zweikämpfe zu gehen und mich dabei auch schmutzig zu machen.
Ich möchte nicht unbedingt im Rampenlicht stehen. Mein einziges Ziel ist es, zu gewinnen.
Ally [= Alexandra Krieger, US-amerikanische Nationalspielerin beim 1. FFC Frankfurt] hat mir viele Geschichten erzählt und es wäre toll, einmal in einem anderen Land zu spielen und neue Dinge zu lernen.
Ihr Geheimnis ist, dass sie liebt, was sie tut. Sie feiert die Erfolge – nicht nur ihre eigenen, sondern auch die ihrer Teamkameradinnen. Sie gibt ihnen das Gefühl, dass das, was sie für das Team tun, etwas ganz Besonderes ist. […] Sie freut sich über deine Erfolge mehr als du selbst. (Carli Lloyd, US-amerikanische Nationalspielerin)
Sie ist eine unglaubliche Persönlichkeit. Es ist eine Ehre, mit ihr spielen und von ihr lernen zu dürfen. (Alex Morgan, US-amerikanische Nationalspielerin)
Wenn du sie stoppen willst, musst du sie am Trikot packen, noch bevor sie losläuft. Wenn sie erst mal in Bewegung ist, ist sie nicht mehr aufzuhalten. (Sonia Bompastor, französische Nationalspielerin)
Abby Wambach ist natürlich sowas wie ein kleiner Elefant im 16-m-Raum, da könnte man auch in Eishockey-Ausrüstung als Torwart auftreten. (Nadine Angerer, deutsche Nationaltorhüterin)
Wenn du weißt, auf dich rollt ein Güterzug zu, dem es nichts ausmacht, ob er selbst was abkriegt – dann entspricht es der menschlichen Natur, ihm aus dem Weg zu gehen. (Jim Gabarra, Ex-Trainer Washington Freedom)
Abby Wambach aus 20 Metern krachend an die Latte. Ein Wunder, dass das Tor noch lebt. […] Tue Gutes und dir wird Gutes getan. Der Ausgleich durch Abby Wambach. Ekstase im Stadion. (11FREUNDINNEN WM-Ticker 2011)
Links
Abby Wambach. Offizielle Seite. (Link aufrufen)
Biography of Abby Wambach for Appearances, Speaking Engagements, Endorsements Talent Agent. AllamericanSpeakers.com. (Link aufrufen)
Abby Wambach: World Cup Stardom Puts Spotlight on USA Striker's Personal Life. Bleacher Report. (Link aufrufen)
Video: Mel und Abby – Interview mit US-Star Abby Wambach – News Frauenfußball (2009). 26.10.2009. FC Bayern München. (Link aufrufen)
FIFA Women's World Cup: Abby WAMBACH – Profile. FIFA.com. (Link aufrufen)
Hellmann, Frank (2011): US-Spielerin Abby Wambach: Die amerikanische Wucht. Frankfurter Rundschau. (Link aufrufen)
Juchem, Markus (2011): Abby Wambach: »USA gegen Deutschland wäre bestes Finale«. womensoccer.de, 18. März 2011. (Link aufrufen)
Labbert, Astrid: Fußball-WM 2011 – US-Stürmerin Abby Wambach im Porträt – »Ich bin Old School«. 11FREUNDE.de. (Link aufrufen)
Longman, Jeré (2011): Women’s World Cup - Abby Wambach Stands Tall for U.S. July 16, 2011. NYTimes.com. (Link aufrufen)
Memmott, Jim: Wambach, a Runner-Up, Returns to a Champion’s Welcome. July 20, 2011. NYTimes.com. (Link aufrufen)
Munzinger Biographie: Abby Wambach (Link aufrufen)
Wambach Is a Target, and She Likes It That Way. July 8, 2007. New York Times. (Link aufrufen)
US-Girl mit Torriecher: Kraftpaket Wambach – eine Frau mit Charakter (2011)RP ONLINE. (Link aufrufen)
Rüttenauer, Andreas (2011): Kopfballspielerin Abby Wambach: Und es hat rumms gemacht. In: TAZ, 14.07.2011. (Link aufrufen)
sportschau.de (2011): US-Stürmerin Abby Wambach. Die instinktive Kopfballjägerin – FIFA Frauen-WM 2011 (Link aufrufen)
Steinbichler, Kathrin (2011): WM 2011: Abby Wambach – Das Strafraumbiest beißt. sueddeutsche.de. (Link aufrufen)
U.S. Soccer: Abby Wambach (Link aufrufen)
Exclusive Abby Wambach Interview (2008) Zimbio. (Link aufrufen)
YouTube: Abby Wambach's life (Link aufrufen)
YouTube: Chillin' With Abby Wambach (Link aufrufen)
YouTube: Inside the Edge – Abby Wambach (Link aufrufen)
YouTube: Wambach hat Respekt vor »Germany« (Link aufrufen)
YouTube: WNT Player Profiles Heather Mitts and Abby Wambach (Link aufrufen)
YouTube: WNT Player Profiles: Heather O'Reilly and Abby Wambach (Link aufrufen)
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Letzte Linkprüfung durchgeführt am 05.10.2011 (AN)
Literatur & Quellen
Editors of Salem Press (Hg.) (2009): Great Athletes. Boxing & Soccer-1 Volume. E-Book. Salem Press. ISBN 6612277300. (WorldCat-Suche)
Frauen-Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2011. (2011) München. Copress Sport. ISBN 9783767909687. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Orr, Tamra (2008): Abby Wambach. Hockessin Del. Mitchell Lane Publishers. ISBN 9781584156017. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Shea, Therese (2007): Soccer stars. New York. Children's Press. ISBN 1428729364. (WorldCat-Suche)
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