Empfehlungen Mein verwundetes Herz. Das Leben der Lilli Jahn
Mein verwundetes Herz. Das Leben der Lilli Jahn
Martin Doerry (Hg.): Mein verwundetes Herz. Das Leben der Lilli Jahn 1900 -1944. dtv. München 2004 (Erstausgabe 2002) EUR 10
Gastkommentar von Birgit Rühe
Von all den Veröffentlichungen zum Holocaust sind die Briefe zwischen Lilli Jahn und ihren Kindern wohl eines der ergreifendsten Zeitdokumente. Lilli Schüchterer, aus wohlhabender jüdischer Familie stammend, wurde Ärztin. Sie heiratete ihre große Liebe, den protestantischen Studienkollegen Ernst Jahn und gründete mit ihm eine erfolgreiche Praxis in Immenhausen bei Kassel. Mit dieser Lebensentscheidung legte sie den Grundstein für ihr tragisches Schicksal. Ihr Mann ließ sich 1942 von ihr scheiden und heiratete eine 'arische' Kollegin, obwohl das Paar fünf gemeinsame Kinder hatte. Lilli wurde am 30. August 1943 durch die Gestapo verhaftet und in das Arbeitserziehungslager Breitenau bei Kassel gebracht. Im Juni 1944 starb sie im Konzentrationslager Auschwitz. Es waren die Kinder, vor allem ihre Töchter Ilse, Johanna und Eva, die in liebevollen, hilflosen, erschütternden Briefen den Kontakt zu ihrer Mutter aufrecht erhielten und ihr das Leben im Lager auf alle nur erdenkliche Weise zu erleichtern suchten. Dagegen stand die Gleichgültigkeit der Erwachsenen. Lilli Jahn gelang es, vor ihrer Deportation nach Auschwitz die Briefe aus dem Lager zu schmuggeln, wahrscheinlich durch eine Aufseherin, die ihr diesen letzten Gefallen tat. 1999 fanden sich die Briefe dann im Nachlaß ihres ältesten Sohnes Gerhard Jahn (Bundesjustizminister im Kabinett Willly Brandt). Er hatte zeitlebens eine Veröffentlichung der Briefe scharf angelehnt und auch unterbunden. Martin Doerry, ein Enkel Lillis, (Sohn ihrer ältestenTochter Ilse, heute stellvertretender Chefredakteur beim 'Spiegel') hat das Leben der Lilli Jahn rekonstruiert und ihren Briefwechsel mit den Kindern aufgezeichnet: 'Aber die Zeit scheint reif für eine Rekonstruktion dieser - nur auf den ersten Blick - privaten Katastrophe.' (Martin Doerry). Entstanden ist ein Dokument, das neben dem Tagebuch der Anne Frank seinen Platz hat.
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