Empfehlungen Luise Pusch über Bascha Mika, Die Feigheit der Frauen (2011)
Luise Pusch über Bascha Mika, Die Feigheit der Frauen (2011)
Rezension von Luise F. Pusch
„Geben wir es zu: Wir Frauen haben es vermasselt. […] Rhetorisch sind wir emanzipiert, doch in der Praxis versagen wir jämmerlich. Wir ordnen uns unter. Freiwillig. Weil es bequem ist, weil wir Konflikte scheuen, weil wir davon profitieren. Frauen sind zu feige.“ (Klappentext)
So redet Bascha Mika den Frauen ins Gewissen. Auf die Frage, weshalb sie die Frauen als feige beschimpfe, sagte sie während einer Buchvorstellung in Hannover, das sei ein Mutmachbuch.
Ermutigen wollten uns schon viele vor ihr, z.B. Olympe de Gouges, Mary Wollstonecraft, Hedwig Dohm, Simone de Beauvoir, Iris von Roten, Betty Friedan, Alice Schwarzer. Sie versuchten dies, indem sie die Männer als Urheber und Nutznießer des Patriarchats angriffen. Das tut Bascha Mika kaum mal. Gewalt erwähnt sie nur mit Bezug auf - Verbrecherinnen! Bei ihr sind die Frauen selbst schuld an ihrer Misere, weil sie den falschen Mann gewählt haben und/oder sich die Gemeinheiten der Männer bieten lassen.
Ob ihre Methode - „blaming the victim“ (dem Opfer die Schuld geben) - wirklich hilft? Oder ob sie nur hilft, das Buch zu verkaufen? Immerhin entscheiden meist Männer darüber, ob Bücher rezensiert werden. Die Rechnung ist anscheinend aufgegangen: Mikas Buch ist ein Renner.
Mika sagte in Hannover, sie wende sich an die Frauen, weil nur die etwas ändern könnten. Die Männer wären zwar an vielem schuld, sähen aber gar keinen Grund zur Änderung.
Das leuchtet ein. Aber selbst wenn ganz viele Frauen Mikas Appell individuell folgen und sich mutig in die „Fröste der Freiheit“ und todesmutig in „Konflikte“ mit dem tyrannischen und/oder faulen Partner stürzen, überleben die patriarchalen Strukturen völlig unbeschadet. Es bedarf weiterhin des gezielten kollektiven Kampfes gegen diese Strukturen, deren Fortbestand Mika ausgerechnet den Frauen zur Last legt: „Die Strukturen sind katastrophal, und Frauen leiden darunter. Aber warum sind sie so zählebig? Warum schaffen es Frauen nicht, sie in die Luft zu jagen? Weil wir es gar nicht wollen. Weil wir nicht nur leiden, sondern auch genießen.“
Mit Verlaub, das ist Blödsinn. Strukturen lassen sich eben leider nicht „in die Luft jagen“. Als feministische Linguistin und Theoretikerin kann ich ein Lied davon singen. Wie gerne würde ich mal ein paar grammatische Strukturen, frauenfeindliche Gesetze und patriarchale Denkmuster in die Luft jagen. Was not tut, sind geeignete Gegenstrukturen. Appelle, das eigene Verhalten zu ändern, können sicher mithelfen. Aber private Verhaltensänderung reicht in der Regel nicht, weil da erstens immer noch „die patriarchalen Strukturen“ sind und zweitens die Mitmenschen, die ihr Verhalten nicht ändern.
Frau wüsste auch gerne, wer denn mit diesem „wir“ eigentlich gemeint ist.
Gesellschaftlicher Wandel funktioniert nicht so, wie Bascha Mika sich das vorstellt. Nehmen wir mal die erfolgreiche Nichtrauchbewegung als Lehrbeispiel, auch wegen der Parallele des „nicht nur leiden, sondern auch genießen“. Da waren die einen, die genossen (das Rauchen) und litten (ihre Gesundheit nahm Schaden). Und da waren die anderen, die litten bloß (sie rauchten nicht und litten unter der Luftverpestung). Die beiden Gruppen als „wir“ zusammenzufassen, wäre wohl ein kapitaler Denkfehler. In Bascha Mikas Eintopf namens „wir“ fehlen vor allem die Widerständigen: Feministinnen, Lesben, alte Frauen, die das Spiel durchschaut haben. Auf sie, die vermutlich genau so viele sind wie die, die Mika im Visier hat und „wir“ nennt, trifft ihre Analyse nicht zu.
Trotz der Appelle, das Rauchen aufzugeben, rauchten die meisten weiter, und „die Strukturen“ blieben ein stabiles Hindernis: die mächtigen Tabakkonzerne, ihre raffinierte Werbung, das süchtig machende Nikotin, nicht zuletzt der Staat, der an der Tabaksteuer verdient.
Was diese Strukturen schließlich zerstört hat, sind nicht die bekehrten Ex-RaucherInnen. Es waren vielmehr die Gegenstrukturen: Gewiefte und entschlossene Organisationen, die die Tabakkonzerne durch Musterprozesse in die Knie zwangen - und immer mehr Rauchverbote.
Sicher haben RaucherInnen die „katastrophalen Strukturen“ mit aufrecht erhalten. Aber ihre Beteiligung war im Vergleich zu dem Anteil der wirklich Schuldigen minimal. Persönlicher Verzicht nützte wenig, solange die Tabakkonzerne mühelos Nachwuchs erzeugen konnten, der sie dann durch süchtigen Konsum am Leben erhielt. Genau wie unsere patriarchalen Massenmedien und Institutionen systematisch ihren Nachwuchs an Mädchen und Frauen heranbilden, die die Interessen des Patriarchats in einem noch wehrlosen Alter als ihre eigenen internalisieren und es so am Leben erhalten. Meine Empfehlung: Quote und Verbote!
Kommen wir von der erfolgreichen Nichtrauchbewegung zu unserer tapfer kämpfenden Frauenbewegung. Sie hat mit ihrer Aufklärungsarbeit, ihren Organisationen, Institutionen und Aktionen in der Gesellschaft Fuß gefasst und wird schließlich das Patriarchat zu Fall bringen. Aber vielleicht gelingt das ein bißchen schneller, wenn auch die „feigen Frauen“ durch Mikas Appell aufwachen und mithelfen.
(Die Rezension erschien zuerst in der Beilage "Bücher am Sonntag" der NZZ am Sonntag vom 24.4.2011, S. 18/19)
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