Empfehlungen Janet Flanner – Darlinghissima
Janet Flanner – Darlinghissima
Darlinghissima: Briefe an eine Freundin. von Janet Flanner
Herausgegeben und kommentiert von Natalia Danesi Murray Antje Kunstmann Verlag 1995 EUR 24,54. (Englische Ausgabe "Darlinghissima: Letters to a Friend" Harvest Books, 1986, ca. EUR 31,21)
Mein Kommentar:
Darlinghissima ist eine interessante Parallele zu dem Briefwechsel zwischen Rachel Carson und Dorothy Freeman, den ich neulich vorgestellt habe. Obwohl Carson 15 Jahre NACH Flanner geboren wurde, wirkt der Flanner-Band moderner, politisch viel wacher und engagierter. Aber wer schrieb das politisch radikale und folgenreiche Werk? Die "politikferne" Naturfreundin Rachel Carson. Carson und Flanner lebten 1907-64 in derselben Zeit, aber nicht in derselben Welt. Obwohl sie beide im New Yorker publizierten, erwähnt keine die andere in ihren Briefen. Wieder geht es um die Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen, die in ihren mittleren Jahren beginnt und bis zum Tod anhält. Janet Flanner, Autorin der berühmten Letters from Paris für den New Yorker, ist 48, als sie 1940 die zehn Jahre jüngere Natalia Danesi Murray kennen- und liebenlernt. Nur während der ersten vier und der letzten drei Jahre ihrer 38 Jahre währenden Beziehung leben die beiden zusammen. Die Italoamerikanerin Natalia arbeitet in New York als Repräsentantin der Verlage Mondadori und Rizzoli, und Janet weiter für den New Yorker in Paris. Was wir auf 500 Seiten (des engl. Originals) zu lesen bekommen, sind Janets Briefe und Natalias ausführliche Erläuterungen dazu. Natalia stellt sich bescheiden als "Herausgeberin" in den Hintergrund, tatsächlich ist sie aber gleichberechtigte Mitautorin, und ihre ruhige Stimme der Weisheit und Liebe (wie Janet so oft bewundernd schreibt) ist wichtig im Gesamtbild dieses schönen Buches. Janet hat den Gegenpart der reizbaren, kritischen Intellektuellen, bekannt für leidenschaftliches Engagement und äußerst pointierte Urteile. Die Liebe zwischen den beiden bildet in diesem Briefwechsel den Hintergrund (Natalia wird vieles als "zu privat" weggelassen haben), im Vordergrund steht Janets fortlaufender eigenwilliger und bestinformierter Kommentar zur Kultur und Politik der Jahre zwischen 1944 und 1975. Überraschenderweise allerdings kein Wort zur beginnenden zweiten Frauenbewegung ... Apropos Frauenbewegung: In den dunklen Jahren zwischen 1940 und 1970, als die erste Frauenbewegung lange vorbei und die zweite noch nicht da war, haben diese beiden den Feminismus kühn und selbstverständlich gelebt. Flanners Äußerungen über die Männerkultur sind radikaler als das meiste, was heute als Feminismus verkauft wird.
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