Empfehlungen Elke Heidenreich – Der Welt den Rücken
Elke Heidenreich – Der Welt den Rücken
Elke Heidenreich Der Welt den Rücken. Erzählungen. Carl Hanser Verlag, München 2001. 192 Seiten EUR 15,90
Gastkommentar von Birgit Rühe:
Natürlich erzählt sie wie immer mit Tempo, Charme und einem genauen Blick fürs Tragikomische. Unterhaltsam zu lesen sind diese Erzählungen allemal. Aber es bleiben eben die Befindlichkeiten einer alternden Toskana-Generation in einer priviligierten Republik, deren Tragödien, Trennungen, Glücksmomente sich ein bißchen angestaubt anfühlen und nicht wirklich ergreifen (vielleicht auch nicht ergreifen sollen ...?). Da ist zum Beispiel dieses bis ins Kleinste inszenierte Silberhochzeits-Essen, an dessen Ende die Trennung steht, oder jene langweilige, verlogene Feier zum fünfzigsten Geburtstag eines Senders... (Hier vor allem mögen autobiographische Erfahrungen der Autorin einfließen, denn eine so doppelbödige Atmosphäre lässt sich kaum erfinden.) Boris Becker oder Bob Dylan sind es, an denen sich die Erinnerungen, die Nostalgie, das nie ganz glückliche und nie ganz unglückliche Leben dieser Generation festmachen. Wie ein Rahmen umgeben die erste und die letzte Erzählung (sie gab dem Buch seinen Titel) die anderen, übertreffen sie meiner Ansicht nach an Tiefe und Originalität. Vor allem die erste Erzählung "Die schönsten Jahre" setzt neue Maßstäbe, zeigt, dass Elke Heidenreichs Schreiben noch Möglichkeiten birgt, die über das Bisherige hinausweisen: Im Mittelpunkt steht eine dieser sperrigen Nachkriegsmütter, denen die selbstbewussten Töchter nie etwas recht machen können. Erst nach ihrem Tod gibt die Mutter das Geheimnis ihres Lebens preis: eine glückliche Beziehung zu einer Frau. Auch für die Tochter ist die große Liebe ihres Lebens eine Frau. Nie haben sie sich einander anvertraut.
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