Yo-Mama-Jokes, das Original der Mutter-Witze
Zu meiner letzten Glosse „Mutter-Witze“ schickte meine Freundin Senta Trömel-Plötz mir einen erhellenden Kommentar über deren mutmaßlichen Ursprung in der Sprache der schwarzen Jugend (=Jungs) in den USA. Die deutschen „Deine-Mutter-Witze“ sind anscheinend ein verrohter Abklatsch eines verbalen Schlagfertigkeitswettbewerbs, Sounding genannt, unter männlichen schwarzen Teenagern. Die Praxis geht mindestens bis in die 60er Jahre zurück. Damals dokumentierte der Linguist William Labov sie als Beispiel für die Kreativität der Black Kids. Labovs zentrales und revolutionäres Anliegen war es, das verachtete Black English als eine eigenständige und gleichwertige Version des Englischen zu etablieren.
Senta schrieb:
Die Yo-Mama-Jokes sind also endlich in Deutschland angekommen. Ich frage mich, warum so spät. Labov hat sie schon in den 60ern analysiert. Stefan [Sentas Sohn] sagt, es gibt eine MTV Show, wo zwei Jungs gegeneinander mit Yo-Mama-Jokes antreten, und einer gewinnt. Er meint, dass es diese Show schon eine Weile gibt, und ich glaube, sie könnte der Grund dafür sein, dass sie nun auch in Deutschland auftreten, wie alle amerikanischen Kulturgüter. Vielleicht kamen sie auch mit dem Rap nach Deutschland. Sie waren ursprünglich nicht krude und abstoßend wie Deine deutschen Beispiele. Vielleicht haben sie sich in 50 Jahren geändert.
Deine Mutter ist übrigens auch absolut die falsche Übersetzung; besser wäre vielleicht Deine Mama - jedenfalls ist Mama ein endearing term [Kosewort] im BLack English, das macht die Witze nicht so "offensive" im Englischen, es ist etwas komplizierter, denke ich. Mama allein ist schon ein Indikator for einen Black speaker.
apropos fett: ich erinnere mich an einen thin joke, yo mama is so thin she went down with the bath water. Nicht frauenfeindlich ODER???
Das Muster ist immer : Yo mama is so ......
Ihre Mama ist für black Kids eine Herzensangelegenheit und das Wichtigste auf der Welt. Die Yo-Mama-Jokes, an die ich mich erinnere, waren wirklich lustig, wir haben über sie gelacht. Sie sind Teil eines verbalen Wettstreits unter Schwarzen, der Sounding genannt wird.
Stefan fand auch noch einen überzeugenden Grund für das Fehlen von Yo-Daddy-jokes: Daddy ist meistens gar nicht da [hat sich abgesetzt oder sitzt im Gefängnis, wie so viele schwarze Männer].
Nach diesen Hinweisen von Senta habe ich Labovs Ausführungen über das Sounding gelesen. Labov* schreibt, es handle sich um einen ritualisierten Beleidungs-Wettstreit zwischen zwei Kontrahenten, der vor und vom Publikum entschieden wird. Gewonnen hat der, der die besten Reaktionen erzielt, z.B. das lauteste Lachen oder totale Verblüffung.
Labov analysiert haarklein die dem Ritual zugrundeliegenden Regeln des Sounding. Die wichtigste ist die Übertreibung: Die Beleidigung muss dermaßen übertrieben sein, dass Ähnlichkeiten mit lebenden Personen unwahrscheinlich sind. Gibt es doch Ähnlichkeiten, zerfällt das Spiel alsbald, weil die Beleidigung „gesessen“ hat und der Beleidigte beginnt, sich "in echt" zu wehren.
Soweit, so gut. Was Labov nicht analysiert, ist die auffällige Tatsache (die er auch nicht leugnet), dass der Gegenstand der Verunglimpfung in der Regel die Mutter ist.
Bei aller Raffinesse und Elaboriertheit seiner feinziselierten Analyse - was ist mit dem „elephant in the room“, nämlich demjenigen Faktum, das auf der Hand liegt und sofort ins Auge springt, aber von niemandem angesprochen wird, weder von Labov vor 40 Jahren noch von Kümmel vor einer Woche?
Es wäre doch nicht unwichtig oder uninteressant gewesen, der Frage nachzugehen, warum ausgerechnet die Mutter Gegenstand all dieser kunstvoll aufeinander gehäuften Verunglimpfungen ist. Und warum sich Mädchen an dem Wettstreit nicht beteiligen.
Aber so war das damals, als die zweite Frauenbewegung noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen war. Über solche nebensächlichen, inhaltlichen statt formalen Fragen dachte mann nicht nach. Da fiel dem Linguisten gar nichts auf.
Insofern bleibt meine Analyse aus der Glosse "Mutter-Witze" wohl weiterhin gültig.
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Das Stichwort „Übertreibung“, das für diese rituellen Beleidigungen zentral ist, erinnerte mich an die große amerikanische Humoristin Erma Bombeck. Sie trat mit Vorliebe in der Rolle der entnervten Hausfrau und Mutter auf, die ihrem Unmut über den öden Gatten und die nervenden Sprösslinge in unsterblichen Sprüchen Ausdruck verlieh, welche ihre Leserinnen entzückten und bis heute das Internet als „Erma Bombeck Quotes“ beleben. Hier eine Auswahl:
Über Männer: Anybody who watches three games of football in a row should be declared brain dead.
God created man, but I could do better.
I haven't trusted polls since I read that 62% of women had affairs during their lunch hour. I've never met a woman in my life who would give up lunch for sex.
Über die Sprösslinge:
Never lend your car to anyone to whom you have given birth.
Why would anyone steal a shopping cart? It's like stealing a two-year-old.
It goes without saying that you should never have more children than you have car windows.
My kids always perceived the bathroom as a place where you wait it out until all the groceries are unloaded from the car.
I take a very practical view of raising children. I put a sign in each of their rooms: "Checkout Time is 18 years."
Being a child at home alone in the summer is a high-risk occupation. If you call your mother at work thirteen times an hour, she can hurt you.
Do you know what you call those who use towels and never wash them, eat meals and never do the dishes, sit in rooms they never clean, and are entertained till they drop? If you have just answered, "A house guest," you're wrong because I have just described my kids.
You become about as exciting as your food blender. The kids come in, look you in the eye, and ask if anybody's home.
Über Hausarbeit: Housework, if you do it right, will kill you.
My second favorite household chore is ironing. My first being hitting my head on the top bunk bed until I faint.
Genau wie sie den Gatten, die Kinder und die Hausarbeit mitleidslos aufs Korn nimmt, so karikiert sie auch sich selbst, am liebsten mit dem rhetorischen Mittel der Übertreibung (Hyperbel im Rhetoriklehrbuch).
Wir sehen, was die „kreativen black kids“ können, können wir schon lange. Und wir haben auch jede Menge Gründe und Ziele für solchen befreienden Humor. Wir sollten Erma Bombecks Kunst genau studieren und ihre Technik jederzeit parat haben.
Wenn also jemand sagt: "Deine Mutter ist so fett die benutzt ne Matratze als Tampon!" können wir das natürlich ignorieren (immer eine gute, weil energiesparende Taktik, sie ärgert den Beleidiger vielleicht am meisten und stoppt ihn am zuverlässigsten). Wenn uns aber grade nach Wettkampf zumute ist, können wir auch kontern.
Was würde Erma sagen? Vielleicht: "Deine Sprüche sind so doof, dass sie sich auch noch Matratzen in die Ohren stopft."
Oder so ähnlich. Vielleicht wissen die Leserinnen Sinnsprüche, Werkzeuge, Webseiten zur schwungvollen Bewältigung des verbalen Geschlechterkampfs. Bitte unten im Kommentarfeld der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.
•••••••••••••• *Labov, William. 1972. Language in the Inner City: Studies in the Black English Vernacular. Philadelphia, PA. University of Pennsylvania Press. (Teilweise online nachzulesen bei Google books)
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14 Kommentare
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25.01.2011 um 11:19 Uhr Evelyn
Vergessen wir niemals, dass die weltweite Machokrankheit faschistisch ist - wie Ingeborg Bachmann bereits vor einem halben Jahrhundert festgehalten hat. Womit wir uns beschäftigen, ist Faschismus, ein Faschismus, der bis heute keineswegs ausgestorben ist.
24.01.2011 um 19:34 Uhr Lena Vandrey
Zu den Yo-Mama-Jokes nach der “Schoß”-Geschichte
Erich Fried sprach am Grabe von Ulrike Meinhof Folgendes: “Die neue Barbarei, die Ulrike zu Tode gehetzt hat, kroch aus dem gleichen noch fruchtbaren Schoß”. Wessen Schoß ist hier “fruchtbar” und gemeint?
Männer, schwarz oder weiB oder gelb oder rot, sind VERHETEROHT. Zwischen Black-Jokes, Mama-Jokes und Nazi-Zynismus sehe ich keinen Unterschied. Die gleichen Täter und die gleichen Opfer, in welcher Sprache auch immer.
Der Schoß ist fruchtbar und furchtbar und der Mutter-Schoß lässt es zu als lachenden Teil seiner selbst??
Der Sohn ist der Phallus der Mutter und das Instrument gegen ihresgleichen.
Das war die Meinung von Niki de St-Phalle, und Christa Reinig schrieb: Nicht die Söhne sind das Problem, sondern die Söhnesmütter!
Das gilt für überall: einen Klatsch aufs Maul für die Yo-Mamas-Söhne, und die feministische Frage, WIE sich denn die MÄDCHEN dazu verhalten??
Nicht VERROHT ist das Wort, sondern VERHETEROHT heißt es.
Das Mordinstrument für alle Welt gilt weiter, auch in den sprachlichen Analysen.
Lena Vandrey.
24.01.2011 um 15:15 Uhr Amy
Es gibt ein Projekt “Kindermund” . Hier beziehen sich die Kinder selbst mit ein, formulieren Witziges über sich und ihre `Mama`. Auch unter “Witz-Atelier” ist viel Kreatives zu Satire, Kindermund, Stilblüten, Geschichten, Glossen zu finden. Kindermund bei Google eingeben, ergibt ein ganz anderes Spektrum als die teils bzw. überwiegend niveaulosen Eintragungen zu `Mutter-Witze`,die mit wenig Text als `SCHLAGzeile` Treffer bringen sollen.
Mutter-Witze beginnen gleich mit Beleidigungen , wie “fett, dumm, hässlich, sex” , während Kindermund noch in liebevollen Füssen steckt und mit kleinen Geschichten erheitert.
Nette Sachen gab es mal zur früheren NDR-Radio-Sendung “Papa, Charley hat gesagt” - eine deutsche Hörspielserie nach einem Konzept von Ingrid Hessedenz und Klaus Emmerich. Es ging um Rededuelle zwischen Vater und Sohn, in denen der Vater mit allen möglichen und unmöglichen zeitgemässen Fragen konfrontiert wurde und der Sohn letztendlich die Duelle für sich entschied. (Wiki). Die Texte dazu wurden überwiegend von Frauen geschrieben.
Etwas zum Porno-Rap: da diese Musik gerade bei männl. Pubertierenden so populär ist; in den Texten werden exakt die Wünsche transportiert, mit denen sich die Jungs beschäftigen, Anerkennung, Sex, Männlichkeit.
Keine positive Art (wie bei vielen Mutter-Witzen),die Jungs auf ihre Männlichkeit und Sexualität vorzubereiten. Aus einer männlich dominierten Perspektive transportieren die Porno-Rapper(Sido, Bushido u.v.m.) ihre Gewalt- und Sexfantasien (Arschficksong), werden v.d. MedienveranstaltERn noch mit Preisen überhäuft. Vertonte Vergewaltigungen von jungen Frauen für Kinderohren sind scheinbar salonfähig. Und wie ich in vielen Kommentaren dazu lese, kritisieren überwiegend Frauen/Mütter diesen Stil, während so manche Männer/Väter verharmlosen und ihre pubertierenden Sprösslinge noch in Schutz nehmen - daß es hier um extreme Frauenabwertung geht, kommt vielen Männern gar nicht erst in den Sinn. Die geistige Haltung zeigt hier ein negatives, patriarchales Männer-Väter-Konstrukt . Zu guter Letzt fällt es auf diese selbst zurück.
Heidi Kabel galt als Synonym für Mutter-Witz. Es ging auch ohne Zoten, Derbheit trat nur als Andeutung oder Ironie auf, nie als Obszönität.
Die Patriarchose ist (k)ein Witz? aber eine Krankheit, die sobald nicht als geheilt entlassen werden kann? Die Angst des Patriarchats vor Frauen (Feministinnen, Emanzen) macht vor der männl. Witzkultur nicht halt und reagiert mit Aggressionen und Frauenabwertung. Viele sog. `kluge` Männer haben misogyne Witze über Frauen (Feministinnen, Emanzen) verbreitet ..
Mutterwitz von Lisa Fischer http://www.wienerzeitung.at/Desktopdefault.aspx?tabID=3946&alias=wzo&lexikon=Frauen&letter=F&cob=6274
24.01.2011 um 12:14 Uhr Susanne Horst
Hallo,
ich verstehe den gar nicht. Gibt es den irgendwo mit Untertiteln? Der nuschelt ja dermassen, vielleicht ein Versuch, hochdeutsch zu rappen. Gangsta-Rap auf bayerisch klingt ja nicht toll.
viele Grüsse,
Susanne
24.01.2011 um 07:47 Uhr Evelyn
Mir ist noch nie aufgefallen, dass Männer witzig sind ... denn dies hätte ja etwas mit Esprit zu tun. Männer lieben es vollkommen verroht zu sein, weil sie sich darin suhlen können wie Wildschweine. Und sie lachen zusammen, weil eben gilt: Gleich und Gleich gesellt sich gern!
23.01.2011 um 21:15 Uhr Anne
das einzige was ich in der eile bieten könnte, ist ein hinweis zu “wirtschaftsvorträge und frauenwitze” - hier berichten frauen über ihre erfahrungen zu gewalt i.d. sprache (herabsetzung durch witze). häufig glänzen auch i.d. oberen unternehmensetagen männer mit ihrer männl. witze-un/kultur - altbackene frauenwitze sollen für aufheiterung sorgen und unwissende männer witzeln nach gleichem uralt-muster: wie - männer sind jäger, frauen sammlerinnen usw.
dagegen haben sich kluge frauen nette, wahrheitsgetreue witze einfallen lassen:
“elf leute hingen an einem seil. da das seil nicht stark genug war, um alle zu halten, beschlossen sie, daß einer loslassen musste, weil sie sonst alle abstürzen würden. sie konnten sich nicht entscheiden, wer das sein sollte, bis schließlich die frau eine sehr berührende rede hielt und sagte, sie würde freiwillig loslassen, weil frauen es so gewohnt seien, alles für ihre kinder und ihren mann aufzugeben, männern alles zu schenken und nichts dafür zurückbekommen. als sie damit fertig war, begannen alle männer zu klatschen. conclusio: unterschätze nie die macht einer frau.” weiteres s.u.
http://www.xing.com/net/erfolgdurchdiversity/rund-ums-thema-diversity-management-334486/wirtschaftsvortrage-und-frauenwitze-30768758/
die sog. mutter-witze , viele davon, die ich gelesen habe über dumme, fette, huren, schlampen als mütter etc. - pardon - sind nicht einfach nur doof, sondern dermassen verletzend - eigentlich spiegeln sie das wider, was wir in unserer pornofizierten/sexualisierten umwelt täglich zu gesicht bekommen : abgestumpftheit, lieblosigkeit, verbalattacken zu lasten anderer menschen. vor allem sind es ja frauen, die zur belustigung anderer verbal attackiert werden. ob das noch etwas mit humor zu tun hat, nach meinem geschmack muss ich daran zweifeln.
ich vermute mal, dass dieser trend ein ableger der vulgären porno-rap-kultur ist? die wird inzwischen kritischer beäugt und manches als frauenfeindlich entlarvt. wir (frauen) sind göttinseidank sensibel geblieben. wer es nicht glaubt, braucht nur nach dem song-text von k.i.z. “alles schlampen, ausser mutti oder hurensohn” zu googeln - unterste hefe, was männliche rap-texter so geni(t)al von sich geben. mit der verletzung der menschenwürde lässt sich halt viel geld verdienen!
auch ganz “oben” spielt die musik. nach neuesten meldungen glänzt der 19jährige politikersohn herrmann (bayr. innenminister) mit künstlernamen `jackpot` als gangsta-rapper, singt selbst von verbrechen und hartem sex. die videos mit seinen ordinären und pseudoharten texten sind im internet zu finden “ich hab` 1ooo frauen im bett und `nen schwanz, hart wie ein brett oder jede frau bückt sich`, wahrscheinlich noch die harmlosere art der selbstdarstellung. die videos wurden inszwischen aus dem internet gelöscht. sicherlich mit papas hilfe, der ja nun gegen kinderpornografie, komasaufen u. killerspiele zu felde zieht.
pardon, wenn ich etwas vom thema abschweife, aber ich stehe immer noch unter strom, wie elektrisiert, und zwar hochgradig aufgeladen…. ;-((
llg anne