Wir sind schwanger?
Wenn frau sich das Zeit-Magazin Nr. 8 vom 12.2.2009 zur Brust nimmt, kann sie was erleben. Da ich normalerweise weder die Zeit noch das Zeit-Magazin lese, blieb ich verschont, bis meine Freundin Gertrud es mir mit wütenden Kommentaren schickte.
Das Titelbild ist eine Reproduktion der berühmten Kampagne “Wir haben abgetrieben” im Stern, 1971. Beim Umblättern des Titelbilds sehen wir neun Männerporträts, darüber ein schräges Banner: “Wir auch!” Innendrin ein langer Artikel (der inzwischen auch online nachzulesen ist) über die Leiden der Männer von Frauen, die abgetrieben haben.
Gertrud schreibt dazu: So eine heimtückische Manipulation! Ich bin sauer und wütend. Von Jugend an kenne ich viele "Fälle", da es die Männer waren (im besonderen Professoren und Chefs aller Arten), die auf einer Abtreibung bestanden, wohingegen die Frauen/Mädchen nichts gegen ein Kind gehabt hätten.- Hier in der "Zeit" leiden und schluchzen die verhinderten Väter ein Leben lang und die Frauen sind eine herzlose Meute, die ohne Skrupel einen Mord begeht...
Ich kann ihr nur zustimmen, und die inzwischen 236 Kommentare, die zu dem Artikel eingegangen sind, zeigen, dass die meisten Gertruds Meinung teilen und einfach sauer und wütend sind.
Mich interessiert an der Geschichte auch ein verräterischer sprachlicher Aspekt. “Wir haben abgetrieben”, sagen diese Männer. Ja können sie das denn überhaupt? Müssten sie dazu nicht erstmal schwanger sein? (Ich lasse das medizinische Personal, das Abtreibungen vornimmt, hier mal außer acht. Darunter sind natürlich auch Männer, die dann rechtens von sich sagen können “Wir haben abgetrieben.”)
Die neue männliche Redeweise “Wir haben abgetrieben” ist die logische Fortführung jener anderen neuen Redeweise “Wir sind schwanger”, die inzwischen sogar Titel einer Doku-Soap und einer Online-Schwangerschaftsratgeberin wurde. Zuerst hörte ich das in den USA. Ein junger Mann erzählte stolz von sich und seiner Partnerin: “We are pregnant”. Und sie redete auch so.
Damals fand ich das zwar seltsam, aber sympathisch, ja richtungweisend und feministisch. Die neuen Väter kümmern sich liebevoll, dachte ich, sie übernehmen Verantwortung, auch sprachlich.
Inzwischen bin ich nicht mehr so naiv, und dazu hat der larmoyante Zeit-Artikel entscheidend beigetragen. Der rote Faden, der sich durch den Artikel zieht, ist nämlich das Gefühl männlicher OHNMACHT. Ohnmacht gegenüber einer Frau? Das erträgt er nicht gut, und folglich findet er, er müsse an der Abtreibungsentscheidung beteiligt werden, möglichst mit Rechtsanspruch.
Das fehlte uns gerade noch, dass sie nur abtreiben darf, wenn es auch ihm passt.
Auffällig ist, dass die Wir-Formeln sich nur auf die Schwangerschaft bzw. ihren Abbruch beziehen. Kein Mann hat je gesagt “Wir haben unsere Tage”, “Wir sind in der Menopause”. Auch “Wir haben Gebärmutterhalskrebs” wird er kaum sagen, obwohl er doch durch seine Papilloma-Viren dafür weit mehr Verantwortung trägt als für eine Schwangerschaft.
Aber - wenn Frau und Mann “gemeinsam schwanger” sind, dann muss die Entscheidung über die Abtreibung auch von beiden gefällt werden.
Und so kommt die Kontrolle der Männer über den Bauch der Frau durch die Hintertür der “neuen Väterlichkeit” und scheinbar liebevoller männlicher Empathie wieder ins Spiel und bedroht wichtige Rechte und Freiheiten, die Frauen sich mühsam erkämpft haben.
Männer haben immer versucht, die Sexualität der Frau zu kontrollieren, durch männliche Gesetzgebung, Vergewaltigung in und außerhalb der patriarchalen Familie, durch Frauen- und Mädchenhandel, Pornographie und männliche Gynäkologie. Derzeit schreiben die Männer der katholischen Kirche Millionen von Frauen die Zwangerschaft vor, die fundamentalistischen “Lebensschützer” anderer Religionen eifern ihnen nach und gewinnen rapide an Boden.
“Wir sind schwanger?” Komm zu dir, Mann! Das finden auch die Bloggerin Crabmommy und viele ihrer Leserinnen: “Sie ist schwanger, nicht du”, erklärt Crabmommy dem werdenden Vater streng, “es sei denn, du bist ein Seepferdchen.”
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7 Kommentare
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19.12.2010 um 16:24 Uhr VIVIANSanford
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24.04.2009 um 18:46 Uhr Daniela
Ich weiß gar nicht warum ihr euch hier so aufregt…Wenn Männer sagen “Wir sind schwanger”, was nichts anderes heissen soll als “Wir beide bekommen gemeinsam ein Kind”, dann bringen sie damit zum Ausdruck das der ganze Prozess sie genauso etwas angeht wie auch die Frauen.
Ähnlich sieht es mit der Aussage “Wir haben abgetrieben” aus. Von feministischer Seite wird zurecht eingefordert das die Männer sich mit der Frau gemeinsam um den Nachwuchs kümmern!
Man kann aber nun nicht hingehen und dem Mannn nur die gemeinsamen Pflichten auferlegen, während die Entscheidung für oder gegen ein Kind allein Sache der Frau ist. Selbstverständlich sollte sie das letzte Wort haben, da es letztenendes ihr Körper ist, aber was viele gern vergessen ist die Tatsache das jenes Leben welches da in ihrem Körper heranwächst, und nun vernichtet werden soll, nicht allein das Produkt der Frau ist.
Wird es geboren so muss der Mann wie selbstverständlich den Unterhalt bezahlen, mit der Begründung das er genauso in der Verantwortung ist (was korrekt ist), wird das Leben aber vernichtet, soll er nichts mitentscheiden dürfen. Jedem Menschen der ein einigermassen ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl hat, und sich den Sachverhalt völlig emotionslos vor Augen führt, wird klar, das dies keine “gerechte” Lösung ist.
02.03.2009 um 21:42 Uhr Katja
Davon mal abgesehen, dass es die Frauen sind, die den Embryo und Fötus mit dem Einsatz ihres Körpers am Leben halten und ich auch noch nie einen Mann habe sagen hören “Wir haben Schwangerschaftsstreifen”, “Wir haben Hämorrhoiden” oder “Wir haben einen Nabelbruch erlitten”:
Wenn ein Mann die Kontrolle über seinen potentiellen Nachwuchs behalten will, gibt’s einen ganz einfachen Trick: Kondome benutzen. Und zusätzlich nur mit Frauen schlafen, mit denen man sich vor dem Sex geeinigt hat, wie man mit einer Schwangerschaft denn wohl umgehen will.
Aber so viel Verantwortung für ihre Spermien ist den meisten Männern eben schon zu viel. Wer dann von den Frauen “vollen Körpereinsatz” fordert, hat sich doch schon als doppelzüngig geoutet.
02.03.2009 um 18:45 Uhr Anne
In diesem Zeit-Artikel wird mir besonders deutlich, wie unbeeindruckt und egoistisch sich der ach so `leidende` Vater Tomas Schramm von den Kümmernissen seiner FRAU zeigt. Inzwischen ist sie 35 Jahre alt, hat innerhalb von 7 Jahren drei Zwangerschaften hinter sich und kann endlich wieder in ihren Beruf als Chefsekretärin zurückkehren. Ist ihm völlig entgangen, was seine Frau in diesen 7 Jahren alles geleistet hat - abgesehen von den körperlichen und seelischen Veränderungen, die schwangere Frauen durchmachen?
Gut vorstellen kann ich mir aber, wenn Männer mal die Bürde der Zwangerschaften und die Qualen des Geburtsvorganges am eigenen Leib erleben könnten (und das mehrmals im Leben), dann hätten wir mit Sicherheit keine Überbevölkerung.
Die Selbstbestimmung für uns Frauen über den eigenen Körpa ist ein Menschenrecht und bedeutet auch Freiheit statt Unterwerfung, was gerade die religiösen Männerbünde den Frauen liebend gerne wieder vorenthalten wollen. Ebenso kann mir niemand das Recht nehmen, im Ernstfall meinen Todeszeitpunkt selbst zu bestimmen.
Inhuman und frauenfeindlich dagegen empfinde ich die ständigen Vorwürfe und Anklagen, wenn Frauen selbstbestimmt handeln.
Was geschieht eigentlich bzw. welche Konsequenzen ergeben sich, sollte eine Abtreibung nicht mehr alleiniges Entscheidungsrecht der Frauen bedeuten - will mann sie wieder zur `Zwangerschaft` zwingen?
Viele Männer machen es sich besonders leicht, indem sie keine konsequente Verantwortung zur Empfängnisverhütung übernehmen - hier überlassen sie meistens aus Egoismus den jungen Mädchen, Frauen, Ehefrauen die Last. Hauptsache mann hat sein Vergnügen.
Wie wahr, liebe Luise, Männer haben immer versucht, die Sexualität der Frauen zu kontrollieren mit den schrecklichen Folgen - denn auch sexuelle Gewalt ist männlich und diesen verschiedenen Gewaltformen liegt nachweisbar eine ambivalente feindselige Einstellung zu Frauen zugrunde.
Der frauenfeindlichen kath. Männerreligion sollte frau schnellstens den Rücken kehren. Das wäre noch das Letzte, müsste ich mir als Frau von diesem Männerbund hinsichtlich meiner Lebensführung auch noch Vorschriften machen lassen.
Viele Grüsse - Anne
02.03.2009 um 09:02 Uhr schubidu
...und erblickt das Kind das Licht der Welt, werden die Männer zuerst gefragt, wie ihre Entbindung war. Wäre ich eine Frau, wäre ich sauer, würde mein Partner den anderen erzählen, wie’s mir bei der Entbindung gegangen ist. Wie in der Arbeits- und Haushaltswelt,... sie hackelt und für ihn war’s anstrengend :)
Meine Meinung dazu: “Die Frau entscheidet!”
Männer können, durch entsprechende Zuverlässigkeitsbeweise, entscheidungsunterstützend sein, aber sicher nicht mitentscheidend.
01.03.2009 um 16:53 Uhr Alison
“Auch “Wir haben Gebärmutterhalskrebs” wird er kaum sagen, obwohl er doch durch seine Papilloma-Viren dafür weit mehr Verantwortung trägt als für eine Schwangerschaft.”
Weit mehr? das ist schon sehr übertrieben. “Genau so viel” ist das Höchste was frau hier sagen kann.
“Wir haben unsere Tage” wird schon gesagt, in ein herablassenden Art (patronizing - the options in German do not do the English word justice).