Winnenden-Berichterstattung fördert zukünftige Gewalttaten
“Offener Brief der Opferfamilien aus Winnenden”. Auch die TV-Nachrichten berichteten darüber ausführlich.
Im Vorspann zu dem Brief heißt es: “Die Familien von fünf beim Amoklauf getöteten Schülern (m.H) haben in einem offenen Brief Konsequenzen gefordert. Die Familien schreiben an Bundespräsident Köhler, Kanzlerin Merkel und Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger.“
Wahr ist, dass die Familien von fünf ermordeten Schülerinnen den Brief verfaßt haben: Die Schülerinnen heißen: Steffie Kleisch, Selina Marx, Viktorija Minasenko, Nicole Nalepa und Jana Schober.
Die Familien fordern viele wichtige und überfällige Maßnahmen: bessere Waffengesetze, weniger Gewalt im Fernsehen, Verbot der Killerspiele, besseren Jugendschutz im Internet. Hoffentlich finden sie Gehör.
Neu im Katalog ist das, was die Familien unter der Überschrift “Berichte über Gewalttaten” fordern:
Wir wollen, dass der Name des Amokläufers nicht mehr genannt und seine Bilder nicht mehr gezeigt werden. Am aktuellen Beispiel von Winnenden zeigt sich, dass die derzeitige Berichterstattung durch unsere Medien nicht dazu geeignet ist, zukünftige Gewalttaten zu verhindern. Auf nahezu jeder Titelseite finden wir Namen und Bild des Attentäters. Diese werden Einzug finden in unzählige Chatrooms und Internet-Foren. Eine Heroisierung des Täters ist die Folge.
Bei Gewaltexzessen wie in Winnenden müssen die Medien dazu verpflichtet werden, den Täter zu anonymisieren. Dies ist eine zentrale Komponente zur Verhinderung von Nachahmungstaten.
Genau dies folgt auch aus Dr. Brigitta Huhnkes Medienanalyse zur Bericherstattung über den Frauenmord in Winnenden.
In der letzten Woche ist die neue Studie über die sogenannte “Jugendgewalt” erschienen. Frohe Botschaft und Balsam für das verschreckte Volk: Die Gewalt habe abgenommen. Alle möglichen Faktoren wurden untersucht, Herkunft, Wohnort, Migrationshintergrund usf. Den Faktor Geschlecht konnte ich lange nicht finden. Ganz zufällig stieß ich schließlich auf den Satz: “Jungen begehen 7,3 mal so viele Straftaten wie Mädchen.” Sie begehen also 86% der Straftaten. Aber das ist weiter kein Thema. Ist ja alles Jugend, so oder so.
Wir können mit den Familien der ermordeten Schülerinnen nur betonen, “dass die derzeitige Berichterstattung durch unsere Medien nicht dazu geeignet ist, zukünftige Gewalttaten zu verhindern.” Die Medien vermehren die Gefahr allerdings nicht nur durch die Heroisierung des Täters, sondern auch durch die Leugnung des Geschlechterkonflikts: Der Täter ist männlich, die planmäßig ermordeten oder verletzten Opfer in der Schule zu 95 Prozent weiblich. Wieso da weiter über das Motiv angestrengt gerätselt wird, statt den Frauenhaß beim Namen zu nennen und endlich Maßnahmen dagegen zu ergreifen, wird Frauen immer unheimlicher.
In seiner Trauerrede hat Horst Köhler immerhin die Opfer korrekt benannt: “Wir trauern um acht Schülerinnen, einen Schüler und drei Lehrerinnen der Albertville-Realschule in Winnenden. Wir trauern um drei Männer, die der Täter auf seiner Flucht wahllos tötete, ehe er sich selbst das Leben nahm.”
Von Frauenhaß spricht aber immer noch niemand außer ein paar Feministinnen und tapferen Männerforschern. Warum nicht? Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen:
A) Korruption und Kollusion: Die Täter liegen mit den Ermittlern, der Politik und den Medien im Bett, sie sind Komplizen, ähnlich wie wenn die Mafia die Machteliten infiltriert hat. Dann erfährt das Volk auch nichts mehr über wahre Beweggründe von Verbrechen, sondern nur noch gezielte Desinformation. Was hier abgeht, habe ich schon vor 20 Jahren in meinem Aufsatz: “Wie mann aus seiner Mördergrube ein Herz macht: Strategien männlicher Imagepolitik”* analysiert. Die Strategien sind: Ignorieren, Leugnen - und wenn das nicht mehr geht: Verschleiern bis hin zur Verkehrung ins Gegenteil, heute auch gern “Spinning” genannt. Das erledigen gewiefte “spin doctors”. Zur Zeit spinnen sie aus einem Massenmord an Frauen eine Benachteiligung junger Männer, der “Bildungsverlierer”.
B) Genau wie es eine gute Idee ist, den Täter zu anonymisieren, könnte die Anonymisierung der Opfer dem Schutz von Mädchen und Frauen dienen, damit nicht die gezielte Auslöschung des weiblichen Geschlechts zum neuen Schießsport wird.
Die Erklärung (B) halte ich für eher unwahrscheinlich. Falls sie doch zutrifft, wäre außerdem abzuwägen, ob das, was durch die Verschleierung der Stoßrichtung des Massenmords gewonnen wird, nicht mit fortgesetzter Desorientiertheit und Zahnlosigkeit bei der Verbrechensverhütung zu teuer erkauft ist.
••••••• Hier noch ein wichtiges Interview mit Douglas Kellner, dem Autor von Guys and Guns Amok, zum Thema Waffen, Männlichkeiten und School Shootings.
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*Pusch, Luise F. 1990. “Wie mann aus seiner Mördergrube ein Herz macht: Strategien männlicher Imagepolitik”, in: Pusch, Luise F.1990. Alle Menschen werden Schwestern: Feministische Sprachkritik. Frankfurt/M. edition suhrkamp 1565. S. 112-120.
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57 Kommentare
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30.03.2009 um 00:15 Uhr Hansjörg
Von ganz großer Wichtigkeit ist hier offensichtlich, dass etwas “manchen gar nicht gefallen wird”. Das spricht für sich bzw. bedarf keines weiteren Kommentars. Damit verabschiede ich mich von diesem Forum und wünsche noch allen hier viel Glück für die ungewisse Zukunft! Eines ist freilich sicher: Exzessive geistige Inzucht, wie frau sie hier betreibt, wird dem Feminismus mehr schaden als nützen. Find ich eigentlich schade.
29.03.2009 um 22:30 Uhr Anne
Prima und danke, liebe @ Ricky, D., für die Tipps - ich habe schon einiges von Christa Mulack gehört - interessiert mich ;-) Das wird so manchen ... ja gar nicht gefallen :-(
Ganz viele Ärmelungen von mir, einen prima Auftakt zum Wochenbeginn viele Grüsse von Anne
29.03.2009 um 20:26 Uhr Hansjörg
Ricky D.,
“Die erste Sklavin des Mannes ist die eigene Mutter - und das alles nur, weil ein Muttergen nicht bedenkt, dass aus Buben Männer werden…”?
Erstens hab ich noch nie einen so großen Schwachsinn gelesen, auch was den hier implizierten, angeblichen Gendefekt der Mütter betrifft.
Zweitens: Wenn es so wäre, was läge dann für die Mütter näher, als sich von diesem Sklaventum zu befreien oder wenigstens entlasten zu lassen. Wie? Nichts einfacher als das: die vielen bereitwilligen Väter gerne in den Umgang und die Erziehung mit einbeziehen, statt sie zum Teil mit den schäbigsten Mitteln nicht ranzulassen.
Wo bleibt hier das angebliche Vermögen der Frauen, in ungleich größeren Zusammenhängen zu denken als Männer?
29.03.2009 um 19:46 Uhr Ricky D.
sorry,
hatte vorhin vergessen mich bei Luise zu bedanken- aber jetzt um so herzlicher !!!
ja liebe @anne - übergehen und Themen auf seine gewohnte Plattform zu bringen ist eine alte männl. Methode !
die Mead-Analysen sollte Grundlage für alle Buben_ Mütter werden - besser, es müsste ein fem. Erziehungs_Handbuch für männliche Kinder geben;-)
Die erste Sklavin des Mannes ist die eigene Mutter-und das alles nur,weil ein Muttergen nicht bedenkt, dass aus Buben Männer werden:-(
Für wissbegierige ein Tipp:
Dr.Christa Mulack hat zu diesen Thema einige gute Bücher geschrieben.
Ebenfalls liebe Grüße an lfp & dich zurück
29.03.2009 um 19:33 Uhr Hansjörg
Mit Luise Puschs geistiger Souveränität, die auch zu Selbstironie fähig ist und darin keinerlei Gefahr sieht, hat Annes giftige, sich selbst vereinsamende Männerhass-Suada rein gar nichts zu tun.
29.03.2009 um 18:37 Uhr Papierschiff
man ist das traurig hier.
wer sich seine eigene welt bastelt und unter sich bleiben will schaufelt das grab für die idee, für die gekämpft werden soll. warum redet ihr dann überhaupt noch mit männern, wenn swieso alles verloren ist? ist ja echt ekalhaft.
wer der meinung ist, dass eine diskussion keinen sinn hat und am ende stattdessen mit eher hohle phrasen, beleidigungen und verallgemeinerungen kommt, kann nur nicht eingestehen, dass es neben der eigenen meinung vielleicht auch andere gibt, die ebenso ihre berechtigung haben. aber stimmt ja, wenn ihr eure verbündete überzeugt, schafft ihr eine bessere welt.
ist fast wie mit diskussionen mitm bischof oder pristern. irgendwann wird abgeriegelt, die andere position als sowieso falsch dargstellt und fertig ist.
ich hoffe es fühlen sich manche angesprochen.
ach ja, danke an lfp für diesen text. da bleibt ja zumindest ne hoffnung auf eine bessere welt, aber ob die mit dem hier propagierten feminismus zustande kommt? ich glaubs nicht.
29.03.2009 um 18:15 Uhr Anne
Liebe Luise, vielen Dank für die tollen und wichtigen `Worte und Mead-Analysen` zum Sonntag und ein gutes Gelingen mit Benedict und Mead!
@ Ricky, D.
Vielen Dank und absolute Zustimmung. Deshalb auch meine Überzeugung `Nur im Verbund mit Feministinnen kommt frau am schnellstens voran, spart Zeit und Kraft! Mit Männern handeln, so bleibt`s eh beim alten. Ihnen gefällt doch ihre zementierte patriarchale Kurzsicht, die voller Gewalt, Ellenbogen, Ausbeutung, Sexismus, Dominanz, Frauenhass - auch in den Medien und der virtuellen Welt vorgelebt - und einem Männlichkeitswahn konstruiert ist. Nur so langsam zeigt sich immer mehr , wie Feministinnen beim Zerbröseln des männlich dominierten Konstrukts das hässliche Gesicht zum Vorschein bringen.
Deshalb `Feminismus ohne Kuschelkurs` ist wichtiger denn je. “Ein Feminismus, der nichts ändern will, ist keiner ” Rolf Pohl
Schade, auch das Interview von B. Huhnke mit Robert Jensen zu Pornografie und Männlichkeit scheint hier Männer nicht zu interessieren.
Weiterdenken schafft mann nicht.
Sollen Sie sich doch bei MANNdat ausheulen !
Meine Frage, ob Männer sich ihre Mütter, Ehefrauen, FRäundinnen, Schwestern oder Töchter in Pornos und Pornofilmen wünschten, die von Männern i. aller Welt zur sexuellen Stimulanz wie eine käufliche Ware und als Fußabtreter benutzt werden - geht völlig unter - gleiches gilt für die Prostitution. Einfach nur widerlich, was mann so braucht, um sein `Hoch` zu bekommen!
Liebe Grüsse an Luise und Ricky. D.
29.03.2009 um 16:43 Uhr Hansjörg
Ein Evolutionsrätsel bleibt jedenfalls auch, warum es trotz der laut Ricky D. im Vergleich zu den Frauen “kleinteiligen männlichen Gehirnwindungen” den Frauen nicht schon längst gelungen ist, die Männerwelt eindeutig zu dominieren.