Wider den Sexismus im Paarlauf
Der Paarlauf ist eine Disziplin der Sportart Eiskunstlauf, bei der die Programme von einem Paar, also einer Dame und einem Herrn, ausgeführt werden. Paare zeigen synchron Einzellaufelemente und spezielle Paarlaufelemente wie geworfene Sprünge, Hebungen, Paarlaufpirouetten, Spiralen und Todesspiralen. (Wikipedia).
Diese Ausführungen der trefflichen Wikipedia sind sprachlich wieder mal sehr interessant:
Erstens hält Wikipedia es für angebracht, uns zu erläutern, was hier mit „Paar“ genau gemeint ist. Schließlich gibt es heutzutage alle möglichen Arten von Paaren, bis hin zu gleichgeschlechtlichen Ehepaaren, eine Erscheinung des 21. Jahrhunderts, die rasant um sich greift, sogar bis ins katholische Irland und in die evangelikal unterwanderten USA. Damit verglichen ist der Paarlauf eine Bastion der Rückständigkeit - und daran muss Wikipedia uns durch die umständliche Definition von „Paar“ erinnern.
Zweitens die „Paarlaufelemente“: geworfene Sprünge - wer wird da geworfen und wer wirft? Hebungen - wer hebt, wer schwebt? Todesspiralen - wer wird da absichtlich der Todesgefahr preisgegeben? Wikipedia verliert darüber kein Wort. Sie setzt hier wohl voraus, dass alle es wissen: Geworfen wird im klassischen Paarlauf die Frau. Wie im richtigen Leben. Sie ist es auch, die vom Herrn erhoben wird und deren Haare in der Todesspirale am Boden schleifen.
Neulich brachte die Tagesschau ein Interview mit dem mehrfachen deutschen Medaillengewinner im Paarlauf, Robin Szolkowy, der inzwischen den deutschen Paarlauf-Nachwuchs trainiert. Er gab Auskunft über die Voraussetzungen für diesen Beruf: Die Mädchen können nicht klein genug sein und die Jungen nicht groß und kräftig genug, da die Mädchen ja gestemmt werden müssten.
Auf dem Bild sehen sie Buster Keaton mit seiner Spielkameradin. Beide stinksauer, weil sie nicht zum Paarlauf zugelassen wurden.
Recht haben sie! Der Paarlauf ist wohl die sexistischste Sportdisziplin überhaupt und gehört reformiert. Und: Die überfälligen, unten erläuterten Neuregelungen sollten umgehend auf andere sexistisch organisierte Sportarten wie Eistanz und Gesellschaftstanz übertragen werden.
1. Im Zeitalter der gleichgeschlechtlichen Ehe sollten auch zwei Damen und zwei Herren ein Eislaufpaar bilden können. Gerne kann das dann auch ein besonders kleiner mit einem besonders großen Herrn sein oder eine besonders große Dame mit einer besonders kleinen.
2. Dass sich immer eine winzige Dame mit einem riesigen Herrn paaren muss, ist auch widerlich diskriminierend und schon lange nicht mehr zeitgemäß. Große, starke Damen, die eine unbezähmbare Leidenschaft für Paarlauf entwickeln, dürfen nicht einfach ausgeschlossen werden. Sie paaren sich am besten mit kleinen Herren, die nun endlich auch ihrer Berufung folgen können und nicht als Jockeys auf dem Pferderücken ein denkbar eislauffernes Dasein fristen müssen. Wie viele kleine Herren träumen nicht davon, von großen Damen hochgehoben und schwungvoll weggeworfen zu werden und sich in der Todesspirale vor ihnen am Boden zu winden! •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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10 Kommentare
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12.08.2015 um 09:30 Uhr Amy
Wider den Sexismus: Beim Schachspiel gibt es ihn, den Sexismus, und zwar heftig. Frauen müssten sich bei Turnieren oft sexistische Witze und Sprüche anhören. Es scheint für einige Männer qualvoll zu sein, wenn Frauen - wie beim Fußballsport - gute Ergebnisse erziel(t)en. Etliche Männer sind dafür bekannt, dass sie mit allen unsportlichen Mitteln versuch(t)en, Frauen ... im Wege zu stehen und dazu zählt ausgerechnet der Großmeister Short, der von der ehemaligen Schach-Großmeisterin Polgar mehrmals besiegt wurde. Ja, ja, die Unvollkommenheiten der weiblichen Psyche. Frauen könnten von Natur aus nicht so gut Schach spielen wie Männer , ihrer Gehirnstruktur wegen . Noch ein Zitat eines Schach-Über-Meisters Kasparov: ” Frauen sind von Natur aus keine außergewöhnlichen SchachspielER , weil sie keine guten KämpfEr seien. ” http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/judit-polgar/
Die Schachspielerin Jennifer Shahade hat ein Buch (Chess Bitch) über den von Männern dominierten `Denksport` verfasst. Darin erzählt sie, wie Frauen versuchen, sich in diesen von Männern dominierten Sport durchzusetzen, und wie die Geschlechterbilder im Schach gesellschaftliche Rollenverteilungen spiegeln. So müssen sie sich immer wieder gegen Sexismus zur Wehr setzen. Die Physis von Spielerinnen werde in den Medien immer wieder hervorgehoben , dabei schreibe doch auch niemand über die `Schwanzgröße Garry Kasparovs`, so die Autorin.
Der Großmeister Schabalow erklärt, was den meisten Männern während einer Schachpartie durch den Schwanz, äh - pardon - durch den Kopf gehe: Bis zu 75 Prozent meiner Bedenkzeit verbrauche ich für Gedanken an Sex, und während der restlichen Zeit rechne ich. (Zitiert aus Schach, nicht sehr damenhaft/Zeit Online vom 1.12.2005)
Übrigens auch beim Schwimmsport, Biathlon, Badminton , TischTennis gibt es heutzutage Mixed-Staffeln. Gemeinsame Wettbewerbe ebenfalls beim Reitsport.
http://www.spiegel.de/panorama/leute/schach-grossmeister-nigel-short-veraergert-frauen-mit-aeusserung-a-1029487.html
Aufgrund des ´klassischen ` Paarlaufs habe ich früher die üblichen Tanzstunden ausfallen lassen; die Teilnahme daran war fast schon eine Pflichtübung. Und dann die klassische Garderobe ( Abendkleid, Cocktailkleid), in die frau extra dafür schlüpfen sollte. Hammelsprung, Kränzchen, Mittelball, Abschlussball , all das wurde fräudvoll gemieden. Da lese ich tatsächlich, wieso Männer kleine Frauen bevorzugen: weil diese auch während der Schwangerschaften keinen zu hohen Kalorienverbrauch entwickeln.
Auch der Wunsch, gesellschaftlichen Normen zu entsprechen, könnte eine zentrale Rolle spielen, da ein vom gewohnten abweichendes Größenverhältnis viele als `unangenehm` oder `merkwürdig` finden. Und so ist das mit dem sportlichen `Paarlauf` , da darf das herrkömmliche Geschlechterbild die Öffentlichkeit nicht schockieren?
Amy
11.08.2015 um 13:30 Uhr Christoph Päper
Wo steht geschrieben, dass die Dame weiblich und der Herr männlich sein muss – und nach welcher Definition?
Ich halte die strikte Geschlechtertrennung in den meisten Sportarten zwar für überholt, aber aus feministischer Perspektive – weniger aus queerer – durchaus nachvollziehbar, denn im Leistungssport sind die physischen Anforderungen naturgemäß so hoch, dass nur ganz wenige sie erfüllen können und zwar durch geeignete Veranlagung einerseits und hartes Training andererseits (und in manchen Sportarten durch oft teure Ausrüstung). Wo Stärke und Größe (vielleicht auch Ausdauer) gefordert sind, dominieren zwangsweise Männer, denn sie sind im Mittel, im Median und im Maximum kräftiger und höher gewachsen als Frauen. Sogar im Schach oder E-Sport, wo das alles wenig zählt, schaffen es nur sehr wenige Frauen ins Spitzenfeld, aber das mag wie beim Spitzenmanagement entweder soziale Gründe haben oder auf psychischen Geschlechtsunterschieden beruhen.
Wenn man auch Meisterinnen küren möchte, bleiben nur drei Möglichkeiten:
1. Segregation: Alle Sportarten werden nach Geschlechtern getrennt.
2. Spezialisierung: Man erfindet Sportarten, bei denen Fähigkeiten entscheidend sind, die entweder von den besten Frauen besser als von den besten Männern beherrscht werden (z.B. scheinbar Rhythmische Sportgymnastik) oder wo kein Geschlechtsunterschied messbar ist.
3. Kombination: In Paar- und Gruppensportarten wird entweder ein fixes Geschlechterverhältnis bei gleichen Aufgaben festgelegt (z.B. „Mixed“ im Tennis) oder die Anforderungen auf unterschiedlichen Positionen werden auf ein Geschlecht getrimmt (z.B. Paarlauf). Bei (neu zu erfindenden) Einzelsportarten wäre eine geschickte Kombination verschiedener Fähigkeiten notwendig, die über höher, schneller, weiter hinausgehen.
Zwei große Herausforderungen sind dabei, dass der Sport den Ausübenden genug Spaß macht, um ausdauernd für Höchstleistungen zu trainieren, und er attraktiv genug anzuschauen ist (d.h. spannend oder ästhetisch), damit sich ein Publikum (und damit direkt oder mittelbar Finanzierung) dafür findet.
04.08.2015 um 10:44 Uhr Bridge
Für mich war der klassische paarlauf aus den genannten gründen immer langweilig, hab ihn unbewusst für mich abgeschaltet, jetzt weiß ich WARUM: eine demonstration der bis zum überdruss bekannten rollenstereotype, eine plakative vorführung des heterosexuellen komplotts. Gemäß der erhellenden glosse und den anschließenden kommentaren sollte der paarlauf verqueert werden: Paare aller formationen sollen das ganze spectrum der paarung vorführen, da schaue ich mir dann an, wer gewinnt, bestimmt nicht die klassiker! Was für eine schöne vorstellung!
29.07.2015 um 14:00 Uhr Lena Vandrey
@ lfp:
Eine große Dame wirbelt einen kleinen Herrn herum: ein reizendes Bild! Aber damit sind wir bei Komik und Zirkus und lachen über die Verzerrung des klassischen Bildes. Und wenn nun eine große Dame eine ganz kleine auf den Arm nimmt, so ist das nicht nur komisch, die Riesin und die Zwergin erscheinen grotesk. Der Eis-Tanz will sich aber klassisch-ästhetisch sehen und weiterhin dem Tarzan-Jane-Muster huldigen. Also müsste es als Gegenpol einen reinen Frauen-PAAR-Tanz geben mit neuen Motiven, Gesten, Themen. Eine Off-Off-Show von Tänzerinnen neuer Art: da tanzt die Soundso mit der Soundso! Spannung, Erotik, Verführung, Märchen. Schneewittchen erzählt Dornröschen, aber ohne Prinzen, Könige und böse Väter. Und warum nicht ZWEI Frauenpaare, die sich austauschen? Warum nicht den Frauen-Paar-Eislauf zum Theater erheben? Vielleicht kommt es ja so, irgendwann mal…
28.07.2015 um 19:02 Uhr lfp
@mycroft, @Lena Vandrey:
Das sind gute Ideen, die Dreierkiste bzw. das Weglassen der Todesspirale und des Werfens. Frauen-Eislauf gibt es ansonsten ja bereits neben dem Männer-Eislauf.
Andererseits fand ich die Vorstellung, wie eine gewaltige Dame einen kleinen Herrn von sich schmeißt, irgendwie erfrischend. Ähnlich erfrischend wie den Auftritt der Grande Dame in Buster Keatons Film “Three Ages”. Das Klischee des “starken Mannes” und der “zierlichen Frau” wird durch Deinen Vorschlag, Lena, nicht angegriffen.
28.07.2015 um 15:18 Uhr Lena Vandrey
Der Ausdruck “Paar” gilt hauptsächlich für Heteros, sonst ist die Rede von einem “Frauenpaar”. Aber warum es so schwierig machen? Frauen-Eislauf soll es geben, wie es Frauen-Fußball gibt, und Frauen-Tennis usw… Das wäre die Umkrempelung einer ganzen Gesinnung, und das ist der Haken an der Sache. Wenn die Todesspirale und das Werfen weggelassen würden, könnten auch gleichgroße Künstlerinnen miteinander tanzen. DAS wäre endlich einmal KEIN Heterobild!
27.07.2015 um 15:22 Uhr mycroft
Grins! Vollste Zustimmung.
Man sollte auch über Tripellauf nachdenken; drei Eisläufer oder drei Eisläuferinnen bzw. ein Eisläufer und zwei Eisläuferinnen oder zwei Eisläufer und eine Eisläuferin, von denen zwei die dritte Person sich gegenseitig zuwerfen.
Ehrlich, wenn es das mal gibt, werde ich es mir auch mal ansehen.
27.07.2015 um 14:51 Uhr Mazza
Es gibt höherverstellbare Basketballkörbe ; die sind zwar etwas teurer, aber es besteht die Möglichkeit, die Korbhöhe an die jeweilige Körpergröße anzupassen. Im Sportjournalismus wird als Synonym für den Korb häufig das Wort Reuse eingesetzt. Und diese ist sehr beweglich, kann vom Boden und der Tiefe aus in jede x-beliebige Höhe befrachtet werden. Und bekanntlich stehen viele Männer auf `groß-/kurvige´ Frauen mit entsprechender Körbchengröße. Doch nur selten erwünscht, dürfen Frauen sowohl in ihrer Körpergröße Männer überragen?
Toll der Hinweis von Luise zu Buster Keaton; leider ist er in unserer Medienwelt fast untergegangen. Ich mochte ihn mehr als den ollen Chaplin.