Was fehlte beim Festakt und in der Merkelrede zum Nationalfeiertag?
Der Festakt zum Tag der deutschen Einheit fand diesmal in Hannover statt. Im Kuppelsaal der Stadthalle, nicht weit von meiner Wohnung, hatte sich die gesamte deutsche Politprominenz versammelt. Als Hannover-Fan habe ich mir die Sache im TV angeschaut - so hoher Besuch in unserer Stadt kommt ja nicht oft vor.
Die männliche Politprominenz erschien überwiegend komplett mit Gattin: Schröder und Schröder-Köpf, Voßkuhle und Gattin, Bouffier und Gattin, Weil und Kerkow-Weil, Schäuble und Gattin, Genscher und Gattin. Gaucks und Daniela Schadts Händchenhalten begeisterte offenbar die Kameraleute und Bildregie so sehr, dass es uns dauernd in Großaufnahme gezeigt wurde. Inniges Einverständnis zwischen dem Ossi und der Wessi als optische Versinnbildlichung der deutschen Einheit.
Merkel, von der Leyen, Schwesig, Lieberknecht und Süßmuth saßen da ohne Gatten. Wie sollen wir dieses Strukturgesetz - keine der Politikerinnen mit Gatten, die meisten der Politiker mit Gattin - interpretieren? Überließen die ritterlichen Gatten wichtigeren Persönlichkeiten ihre Plätze? Immerhin möchten viele einen Platz in der ersten Reihe, und die Zahl der Plätze ist begrenzt. Oder wollen die eher unwichtigen Gatten prominenter Frauen in der Öffentlichkeit nicht als männliche Anhängsel erkannt werden? Ich vermute Letzteres. Die weiblichen Anhängsel der prominenten Gatten sind hingegen gewohnt, das Bild des Gatten in der Öffentlichkeit zu komplettieren. Einer wie Christian Wulff, dem seine Gattin abhanden kam, gilt doch als eher traurige Figur. In unserer Herrenkultur wird eine Frau "an seiner Seite“ erhöht. Für den Anhängsel-Mann gilt das Gegenteil, er fühlt sich erniedrigt neben seiner ranghöheren Gattin, deshalb macht er sich dünne.
Nicht dass die Gatten der Politikerinnen groß vermisst worden wären. Alles war schön festlich und fröhlich. Wir Deutschen durften mal stolz sein. Eine friedliche Revolution, das ist doch was! Fast so gut wie die Fußballweltmeisterschaft, auf die wir auch verhalten stolz sein dürfen.
Was ist sonst noch zu vermerkeln?
Ach ja, die Rede von Merkel. Sie war 25 Minuten lang und eindeutig das Hauptstück der Veranstaltung. Joey und mir hat sie sehr gut gefallen (Schröder offenbar weniger, er sah mäkelig drein und findet anscheinend noch immer, dass „die das ja gar nicht kann“). Die „mächtigste Frau der Welt“ (Forbes Magazine) war klug, liebenswürdig, bescheiden und überzeugend. Joey, die uns um Merkel beneidet, meinte, im Vergleich mit Obama mache sie eindeutig die bessere Figur. Aber er wird allseits als brillanter Rhetoriker gepriesen.
In einem Punkt aber hat die Kanzlerin uns wieder, wie schon so oft, gründlich enttäuscht. Sie verurteilte mit klaren Worten Extremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, die die Menschen in unserem Land bedrohen. Mit keiner Silbe erwähnte sie die Frauenfeindlichkeit in Deutschland, in Europa und in aller Welt, die um ein Vielfaches bedrohlicher ist als Extremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zusammengenommen. In England sterben täglich drei Frauen durch ihre Partner, in Spanien sollen es täglich sieben sein. In Deutschland waren es im Jahre 2011 drei pro Woche. Quelle: hier.
Der NSU ermordete in 6 Jahren zehn Personen. Deutsche Partnerinnenmörder sind da effektiver; sie schaffen dieselbe Anzahl in 3 Wochen. Trotzdem findet die Kanzlerin dafür nicht ein einziges Wort des Abscheus, der Sorge, des Trostes und der Entschlossenheit, der Dauer-Katastrophe mit allen Mitteln entgegenzutreten.
Von daher vermute ich, dass ihre schöne Rede von einem Mann verfasst wurde. Aber sie hatte ja die Möglichkeit, seinen Entwurf um das Wesentliche zu ergänzen - und hat es nicht getan.
Was haben die Politikerinnengatten und die Partnerinnenmörder miteinander gemeinsam? Ihr eklatantes Fehlen beim Festakt bzw. in der Merkelrede ist kein Thema in den Medien und fällt niemandem auf - außer vielleicht ein paar Feministinnen. Das Fehlen und das Schweigen zeigen, dass das Patriarchat sich keine Sorgen zu machen braucht, seine Gesetze werden befolgt: Die Frau hat an seiner Seite zu sein und nicht umgekehrt. Wird sie berühmt, mag er sich mit dieser Schmach jedenfalls nicht sehen lassen. Gehorcht die Frau nicht, erschlägt er sie schon mal, aber das ist nicht der Rede wert, selbst wenn es massenhaft geschieht. •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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3 Kommentare
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20.10.2014 um 11:08 Uhr Fredericia Stine
(Hatte schon neulich geschrieben, aber es offensichtlich nicht abgeschickt)
Diese Schmach/Anhängsel/erniedrigt-Behauptungen sind in ihrer Verallgemeinerung sehr simpel. Die Männer haben viel öfter als Frauen ihre eigenen Laufbahnen. Ich würde es als Gatte auch vorziehen, so einer Veranstaltung fern zu bleiben
Merkels Redeversäumnissse sind nur ein weiterer Beweis von vielen, daß niemand Deutschland um diese Kanzlerin beneiden sollte. Wer über die Auswirkungen ihrer “christl.-soz.” Politik nicht informiert ist, sollte es nachholen. Als Frau Clinton sich mal über Merkel äußerte, klang es wie Lob, als sie ihre Standhaftigkeit (o.ä.) erwähnte. Damals hoffte ich nur, daß hinter ihren Worten eine versteckte Botschaft steckte, etwa wie bei verschlüsselten Arbeitszeugnissen, und sie es eben nicht bewundernd meinte. Das von vielen behauptete Muttiimage scheint selbst bei einigen Feministinnen anzukommen.
Von Stolz haben schon alte Griechen aus guten Gründen nichts gehalten. Und “stolz” können, wenn überhaupt, die Menschen sein, die diese Wende vorangetrieben haben.
Ich vermute, Ihr “verhaltener Stolz” bezieht sich nicht auf die beiden Fußballweltmeisterschaftssiege der deutschen Frauen? Ich wünsche mir, dieses häufige vereinnahmende WIR würde nicht nur aus deutschen Köpfen verschwinden!
08.10.2014 um 12:20 Uhr Lena Vandrey
Ja, Eure Kanzlerin! um die wir Euch beneiden, denn wir werden es wohl nicht mehr erleben, dass eine FRAU Frankreich regiert…
Den ersten Wahlsieg verdankte sie den Feministinnen - ich denke noch an das schöne Emma-Cover…und als zwei Lesben aus Lübeck uns schrieben: HEUTE ABEND WIRD DAS FERKEL ZUR SAU GEMACHT…da haben wir uns von ihnen getrennt. Der Satz stammte übrigens von ihrem Chef, einem Iraker, der ihnen geraten hatte, ihr Emma-Abo zu kündigen… was sie auch taten!!!
Ab dem 2. Wahlsieg ließ die Kanzlerin durchblicken, dass ab jetzt(?)die Partei allein entscheidend wäre. Also verstehen wir diese Partei NICHT! WO ist deren Moral, deren ethischer Anspruch? Warum wird die Legalisierung der Prostitution nicht aufgehoben? Warum finden Frauen, Kinder und Tiere keine Hilfe? Warum tut Merkel auf “heile Welt”? Kann oder darf sie nichts unternehmen? NUR, weil sie eine Frau ist, sagte der Iraker…
NUR??? Für Politikerinnen gäbe es eine Art Doppelaufgabe: ihren Job UND Feminismus!
Wie sieht es für Frau Merkel aus, wenn sie die Emma liest? Oder wird der Emma alles überlassen an Protest?
Eine gute Regentin, Eure Kanzlerin, aber…
Gerne wüssten wir, wer und was sie hindert?
Schröder nannte die Frauen-Frage GEDÖNS!!!
Das kann Angie doch wohl nicht meinen?
Unser Neid hält sich leider doch in Grenzen…
05.10.2014 um 18:52 Uhr anne
supra, liebe Luise!!
ja, es ist bekannt, wie sich die herren der prominenz zwar gerne mit ihren `jüngeren` begleiterinnen in der öffentlichkeit zur schau stellen.
Merkels ehemann wurde sogar als `phantom der oper` bezeichnet, weil die öffentlichkeit ihn meist nur als opernfan in Bayreuth oder Salzburg an der seite der kanzlerin erlebt/e; scheut auch er sich bei großen anlässen im gepäck von starken frauen am sog. `damenprogramm` teilzunehmen? heute heißt es `partnerprogramm`.
sind männer so scheu, sich mit starken frauen zu zeigen? Bill Clinton hat diese scheu nicht und steht Hillary auch bei ihren wahlkämpfen zur seite.
guter hinweis zu den partnerinnenmördern und der frauenfeindlichkeit - wie wichtig wäre in der Merkelrede u.a. sowohl auf den weltweit grassierenden mädchen-frauenhandel und das ekelhafte, brutale und frauenfeindliche geschäft mit der ware frau, mädchen i.d. prostitution hinzuweisen sowie auf die grassierende rape culture.. der konsument ist der mann und mädchen-frauenhandel, prostitution existiert, weil männer wollen, dass das so bleibt und bereit sind, für den fortbestand zu bezahlen. was wäre das für eine gute aktion, wenn sich die o.a. politikerinnengatten öffentlich dem appel gegen prostitution anschließen könnten:
Prostitution - Frauenkauf geht gar nicht!
aber lieber sitzt mann zuhause auf dem sofa und glänzt durch abwesenheit…
http://www.emma.de/thema/emma-appell-gegen-prostitution-111249