Warum Frauen keine Leute von Format sind
„[Er war] ein notorischer Frauenheld, in dessen Büro man als Dame besser nicht ohne Begleitung ging“ …
Von wem ist da die Rede? Vielleicht DSK? Aber als „Frauenheld“, wenn auch als „notorischen“, würden wir ja solche miesen Belästiger heute nicht mehr bezeichnen. Auch Absurditäten wie „man als Dame“ unterlaufen heutzutage nicht mehr vielen Schreiberinnen.
Es handelt sich um die 50er Jahre und den RAI-Korrespondenten Sandro Paternostro, erwähnt in dem Erinnerungsbuch „Vom Brahmsee bis Shanghai: Begegnungen mit Leuten von Format“ der Bonner ZDF-Fernsehkorrespondentin und Wirtschaftsexpertin Fides Krause-Brewer (92). In den 60er und 70er Jahren sahen wir sie oft im Fernsehen. Sie war, wie Carola Stern, eine der ganz wenigen Frauen, die damals im TV-Journalismus Karriere machen durften.
Krause-Brewer veröffentlichte das Buch im Jahre 1987; sie hat dafür ihre Tagebuchnotizen ab 1949 ausgewertet, aus 1000 Seiten destillierte sie 250. Das erklärt vielleicht den fremdartigen Stil, wie aus lang vergangenen und überwundenen Zeiten.
Ich las das Buch aus zwei Gründen: Erstens interessieren mich die Erfahrungen einsamer Pionierinnen in Männerdomänen, zweitens besteht das Buch überwiegend aus Porträts, für die ich mich ebenfalls interessiere. Es enthält sogar einige wenige Frauenporträts: Helene Weber, Katharina Focke und Helga Steeg, letztere offenbar eine unendlich einflussreiche Ministerialdirigentin im Wirtschaftsministerium, von der ich jedoch noch nie gehört hatte. Auch bei Wikipedia fahndete ich vergeblich nach ihr.
Die „Leute von Format“, wie Krause-Brewer sie im Untertitel nennt, sind zwar fast ausschließlich Männer, aber auch aus Männerporträts der Vergangenheit kann feministin viel lernen - und sei es nur, mit freudigem Schock: „Damit immerhin hat die Frauenbewegung inzwischen aufgeräumt.“
Krause-Brewers munterer, affirmativer statt kritischer Stil zeigt, wieso sie sich in der Männerdomäne so gut halten konnte: Einige, wenn nicht sogar viele ihrer Werte hatte sie offenbar verinnerlicht:
Krause-Brewer über „die Gattinnen“:
• „Die hübsche und ehrgeizige Frau des F.D.P.-Politikers Erich Mende, Margot“ (S. 11)
•“Die Idylle im Bundeshaus fand ihr Ende durch zwei Umstände: Einmal kamen langsam, aber sicher, die Gattinnen, die teuren, nach Bonn, so dass stundenlange und sehr alkoholische Sitzungen der Männer am Pressetisch zu Hause sehr ungern gesehen wurden.“ (S. 12)
• „Meine Rolle besteht bei solchen Reisen in ferne Länder besonders gegen Ende der Reise in weiblicher Beratung, was denn nun für die teure Gattin und die Kinder eingekauft werden könnte. Das geht von der Plüsch-Mickymaus über Perserteppiche bis zu einem kostbaren antiken Reiher aus chinesischem Cloisonné. Was meinst du, soll ich, soll ich nicht? Würde sich ‚mein Fräulein Gattin‘, wie einer meiner Kollegen seine Ehehälfte gern tituliert, darüber freuen?“ - Ob die Plüsch-Mickymaus für das Fräulein Gattin oder die Kinder gedacht ist, lässt sich kaum ausmachen.
• „Frau von Eckardt - sehr elegant und sehr gepflegt - war eine rechte Augenweide. Sie hatte in Bonn für weißhaarige Damen die lila Tönung gesellschaftsfähig gemacht.“ (S. 38) - Großartige Leistung!
• „[Paul Lücke] bewegte Abend für Abend trotz seiner Beinprothese standfest etliche Damen.“ - Selbst bewegen konnten sie sich wohl nicht?
• „Im Plenum [der Welthandelskonferenz 1979] saß übrigens als Delegierte der Philippinen die Frau des Präsidenten, Imelda Marcos, eine bildschöne Erscheinung in immer wechselnder Aufmachung, etwa in einem Traum von Nationalkostüm aus rosa Organza.“ (S. 155) - Mehr gab es über die korrupte Imelda Marcos nicht zu sagen?
Krause-Brewer spricht über diese „Damen“ genau so herablassend wie sie es von ihren Kollegen und den "Leuten von Format" gelernt hat, vermute ich mal. Sie macht sich über sie lustig, ganz wie die Herren selber, und kann sich so der Zustimmung, ja des Beifalls sicher sein. Deshalb auch wurde sie - fast - als ihresgleichen akzeptiert, genau so, wie sie es über Helga Steeg berichtet: „Helga Steeg ist also mit allen Wassern gewaschen und tanzt auf allen Hochzeiten, auf denen es um Handelsbeziehungen und Wirtschaftspolitik geht. War es schwierig, als Frau in eine solche Position zu gelangen? Diese dumme Frage kennt Frau Steeg zur Genüge: „Ich hatte von vornherein keine Probleme. Nach dem ersten Aha-Erlebnis vergessen die Männer meist schnell, dass man eine Frau ist.“ Aber sie gibt es zu: „Wer hübsch ist, hat’s leichter.“" (S. 183f.)
Den Gipfel der frauenfeindlichen Berichterstattung erreicht Krause-Brewer anlässlich der Weltfrauenkonferenz der UNO 1975: „Das ZDF hatte dieses Ereignis bislang gar nicht als berichtenswert eingeplant“ - aber Familienministerin Katharina Focke will sie dabeihaben. O-Ton Krause-Brewer: „Zeitweilig beherrschten in Haufen aus den nahen USA angereiste Frauenrechtlerinnen die Szene. Sie wurden angeführt von der militanten Betty Friedan, einer ergrauten Mänade mit wirrer Mähne und Hakennase, die in immer neuen Reden Emanzipation, Befreiung von der männlichen Sexualherrschaft und Selbstverwirklichung forderte. Bei vielen Frauen aus den Entwicklungsländern traf sie damit auf völliges Unverständnis. … [Eine von ihnen zeigte] auf die unterhalb des Podiums auf dem Boden lagernde Betty Friedan und die ihren; und dann sagte sie mit der unvergleichlichen Überlegenheit der in Liebesdingen erfahrenen Asiatin: „If you have sexual problems - we have none!“ Sprach’s, warf mit Grandezza das Ende ihres Saris über die Schulter und verschwand.“
Fazit: Bei Krause-Brewer erscheinen die meisten Frauen als lächerliche „Damen“, an denen höchstens ihre Aufmachung bemerkenswert ist. Schwingen Frauen sich aber mal auf zu eigenständigen politischen Kundgebungen - sind sie erst recht lächerlich: „ergraute Mänaden“ mit sexuellen Problemen. Nur diejenigen Frauen, bei denen die Männer - wie bei Krause-Brewer selbst oder Helga Steeg - „schnell vergessen, dass man eine Frau ist“, können „Leute von Format“ werden.
Uff. Was für eine Lektion bekommen wir da verabreicht, anscheinend „in aller Unschuld“! Das war eben früher die prägende Auffassung der „gebildeten, tonangebenden Kreise“. Dass einige kühne Denkerinnen wie Beauvoir, von Roten, Friedan, Daly, Millett, Sander und Schwarzer sich aus diesem tödlichen Korsett herauswinden konnten und uns einen anderen Weg aufgezeigt haben, dafür sei ihnen ewig Dank.
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14 Kommentare
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20.09.2011 um 10:10 Uhr Lena Vandrey
Noch einmal zu der Sache vom “ewigen Dank”:
Betty Friedan lassen wir doch lieber zur Seite und fragen uns, warum nicht eher Ti-Grace Atkinson und ihre Idee der lesbischen Front genannt wird. Der Personenkult ist eine hässliche Sache. Wir sollten uns an die Mühe erinnern, welche die erste europäische FB (Paris 1966!) gehabt hat, um sich von Marx, Freud, und Mao loszulösen und freigeistige Lesben zuzulassen, gegen Links und gegen Rechts und keineswegs in der Mitte. Sander und Daly sind keine Wegweiserinnen, sondern Weggefährtinnen. Da ist nichts zu danken, das ist gegenseitige Anerkennung im Denken. Diese beiden da, tausendmal ja! werden als Ikonen und Idole aus der Sisterhood entfernt und auf Säulen gestellt, von wo frau recht leicht herunterpurzeln kann.
Recht aber hat Joey Horsley:
unsere LFP gehört durchaus dazu, viel begabter und glaubwürdiger als Millett und Schwarzer…
Herzlich,
Lena.
19.09.2011 um 15:13 Uhr Lena Vandrey
Liebe Luise,
Es handelt sich nicht um “Fehltritte” und schon gar nicht um “Unappetitlichkeiten”?! Diese Angaben habe ich aus der EMMA SELBST und darf sie als öffentliches Gut weitergeben.
Was “mich” betrifft, so hätte ich als modeste Militantin sehr gerne sehr viel mehr Kritik, denn nur über Kritik entsteht eine Debatte, eine Aufmerksamkeit. Die “groBen Feministinnen” existieren nur, weil die “kleinen” ihnen zudienen. Das ist die bekannte KGB-Pyramide: ohne die Kleinen gäbe es keine GroBen.
“Sexual Politics” war eine Universitäts-These, wie jede andere auch. Immer schön im Rahmen befangen.
Bei Beauvoir steht immer Schlechtes über Lesben, und ob Schwarzers “Kleiner Unterschied” wirklich politisch war, wage ich zu bezweifeln.
Ich fordere alle Lesben und Feministinnen und Bloggerinnen auf, meine Arbeit in Frage zu stellen. Dazu aber müssten sie mich kennen - und das scheint nicht der Fall zu sein.
Was ich geschrieben habe, ist sehr bescheiden. Es gibt da ganz andere Texte über unsere Kolleginnen, die eine nicht gröBer als die andere. “Unendlich viel”, “ewiger Dank”? Es gibt keine Meetings mehr, keine Dialoge. Und bitte! vergleiche mich nicht mit den “groBen Feministinnen”! Denn ich habe sie besser und näher und länger gekannt als DU und kenne…deren Hühneraugen! Ein Symposium wäre angesagt. Ich würde gerne übersetzen!
Als Radikal-Lesbe, als Rabiat-Feministin, als Amazone ohne Furcht und Tadel mit 70 Jahren ehrlichem Grips!
Die Rufschädigungs-Phobie ist als falscher Fehler zu bekämpfen. Es tut den GroBen nicht weh, wenn die Kleinen ihnen ein Bein stellen wollen, dieser Mückenstich existiert gar nicht, das Leder ist viel zu hart. Deine Zeitschrift muss eine “Streitschrift” sein, sonst ist sie nichts.
Möchtest DU nicht anfangen an der Kritik meines Werkens? Willkommen auf jeden Fall, denn wir langweilen uns!
Herzlich,
Lena.
19.09.2011 um 13:53 Uhr lfp
@Lena: Was Du da an Fehltritten und Unappetitlichkeiten der großen Feministinnen aufzählst, mag alles stimmen - aber was würdest du sagen, wenn andere über dich so aus dem Nähkästchen plaudern würden? Nobody is perfect, oder “Wo viel Licht ist, ist viel Schatten.” Ich finde auch, dass Kate Millett immer abwechselnd ein gutes und ein schlechtes Buch geschrieben hat - das ändert nichts an der Tatsache, dass wir ihr wg. “Sexual Politics” unendlich viel verdanken. Dito Beauvoir und Schwarzer.
19.09.2011 um 13:46 Uhr anne
natürlich, auch luise muss in der aufzählung der kühnen denkerinnen/revolutionärinnen genannt werden. danke für ihr starkes und unermüdliches feministisches engagement. obwohl viel erreicht, die maskulinguistik auf vorderfrau gebracht wurde, bleiben noch arbeiten, bis gerechte sprache selbstverständlich und die frauen ausmerzende maskulinguistik ihre gesamte corsage abgelegt hat.
nur etwas info zu `es war einmal in zeiten großangelegter frauenfeindlichkeit` : “mit allen tricks wehrten sich die männer im bundestag (1953)und in der regierung dagegen, daß im bürgerlichen gesetzbuch, nachvollzogen wurde, was verfassungsgrundsatz war. das gesamte dt. familienrecht war seit 1949 verfassungswidrig - und blieb das fast noch 10 jahre lang. die frist f.d. novellierung war der 31.3.1953. die bundesregierung liess diese frist zum zorn der wenigen politikerinnen einfach tatenlos verstreichen, wie sich hildegard hamm-brücher erinnert…unvergessen ist für hamm-brücher die reaktion der männl. politiker, wenn frauen auf ihre grundgesetzlich verbrieften rechte pochten:
ja, höhnisch nicht. wenn man - wie ich - damals versucht hat, mal eine frau aus der einfachen beamtenlaufbahn in die mittlere, so hieß das damals noch, zu befördern, das scheiterte daran, dass man sagte; ja, das ist ja der titel amtmann und man kann eine frau nicht frau amtmann nennen. es rührt sich einfach nichts.” (zitiert deutschlandfunk/vor 50 jahren, uno-konvention f.d. frauen)
auf die idee, eine amtfrau dem amtmann vorzusetzen, kamen die frauenfeindlichen patriärsche nicht bzw. sie wollten es nicht.
nur nach langem kampf d. `unliebsamen` feministinnen wurde ihnen 1986 die bezeichnung `amtfrau` zugestanden (amtweibling und amtfrau, alle menschen werden schwestern, luise f. pusch)
grüsse v. anne
http://www.fembio.org/biographie.php/frau/comments/mubarak-guy-deutscher-und-die-maskulinguistik-ein-vergleich/
“die mangelnde heranziehung von frauen in öffentl. ämtern und ihre geringe beteiligung in den parlamenten ist doch schlicht verfassungsbruch in permanenz.” elisabeth selbert (1981), eine der vier mütter des grundgesetzes
19.09.2011 um 12:55 Uhr Lena Vandrey
Den letzten Satz über den “aufgezeigten Weg und ewigen Dank” an die genannten Persönlichkeiten muss ich leider kontestieren.
Beauvoir war eine abschreckende Bisexuelle und schrieb an ihren Freund über eine Nacht mit einer Ravensbrück-Überlebenden: “Das war wie Stopfleber, aber von minderer Qualität!”
In einem Interview mit A.Schwarzer ärgert sie sich über uns Lesben, “die sich nur um ihre Klitoris drehen.” In der deutschen Fassung GIBT ES DIESEN SATZ NICHT MEHR!
Den Weg gewiesen, ewiger Dank?
Kate Millett stand nachts auf und betrachtete lustvoll den Penis ihres Hengstes - in der Tat ein Wegweiser - und beschrieb das pulsierende Leben in diesem Organ auf das Genaueste. Ihr Weg durch die Klapsmühlen ist nicht gerade empfehlenswert, zusätzlich Plagiat an Wittigs “Lesbian Body”, und die Vergötterung Alexander Calders, dessen JACKE sie einmal anfassen DURFTE und somit die GRÖSSE berührte.
Und jetzt Alice Schwarzer. Sie hat damals bei uns hospitiert, aber schnell verstanden, dass sie mit der groBen Leitkuh bessere Wege geht. In ihren Emma-Dossiers schreibt sie sich die Gründung der deutschen FB zu und komischerweise des französischen MLF! “Beauvoir und Ich” wurde eines Tages zu “ICH und Beauvoir”!
Fazit: WIR haben ihr den Weg gezeigt und den ewigen Dank schuldet SIE! Zumal die Offenbarungen der letzten Woche an der Lauterkeit ihres Charakters sehr zweifeln lassen, und vieles andere mehr. Ihr Credo hieB: wir machen die Bewegung, damit DU deine Hosen und ich meine Röcke tragen kann! Sehr witzig!
Vor Idolatrie muss ich warnen. Das Pflaster ist gefährlich.
Die Namen und die Macht! Die Machtnamen machen sich selbstständig, wie die Nase bei Gogol.
Rufschädigung ist für diese Hülsen gar nicht nötig: das tun diese Leute selbst am besten!
19.09.2011 um 01:11 Uhr Joey Horsley
Als kühne Denkerin nicht zu vergessen: Luise F. Pusch!