Von Muttis, Mamas und Muttermilsch
„Mutti ist die Bestie“ ist der wenig originelle Titel eines wenig originellen Buchs, das Tina Mendelsohn am Donnerstag in der „Kulturzeit“ vorstellte. Geschlagene sieben Minuten unterhielt sie sich mit dem 67jährigen Autor „Dr. med. Torsten Milsch“ - so lässt er sich auf dem Cover nennen, damit wir nicht glauben, irgendein Pfuscher hätte da ein paar Ideen zusammengeschmiert. Allerdings hat der Ruf des Doktortitels ja in letzter Zeit stark gelitten, und Mutter-Milsch trägt zur Aufbesserung auch nichts bei. Der Neun-Minuten-Beitrag in der Kulturzeit ist eine überflüssige Aufwertung seiner altväterlichen Thesen. Um nicht denselben Fehler zu begehen, werde ich mich kurz fassen.
Wie wir alle wissen, ist eigentlich Vati die Bestie, besonders in der katholischen Variante, als Missbrauchs-Pater, vom VatiKan (Uta Ranke-Heinemann) zu schweigen. Aber der Pater familias, das männliche Familienoberhaupt, ist auch nicht ohne. Generationen von Forschern und (nazi)vatergeschädigten Autoren orteten ihn als Quelle allen Übels. Und nun soll alles ganz anders sein? Mutti ist die Bestie?
Bekanntlich wird Merkel im Volksmund, durchaus liebevoll, „Mutti“ genannt. Ihre Beliebtheitswerte sind weiterhin Spitze und werden von keinem männlichen Politiker erreicht. Bestie? Das hätten sie wohl gern, aber das Volk sieht das anders. Da kann es im Jahr der Bundestagswahl nicht schaden, ihr auch gleich eins auszuwischen, das gibt der provokanten These „Mutti ist die Bestie“ doch viel mehr Resonanz. Der Autor versichert uns, neben den bestialischen Muttis gebe es ganze Muttisysteme, und Merkel sei im Zentrum eines solchen Muttisystems, das alle anderen abwürgt. In einem Muttisystem gebe es nur zwei Hierarchiestufen: Mutti - und darunter alle anderen. Auf Xing verrät der Autor, dass auch der Feminismus ein Muttisystem ist. Hatten wir uns fast schon gedacht.
Aber nicht alle Muttis sind Bestien, räumt der Autor ein; es gebe auch gute Mütter. Er nennt sie Mamas. Warum, bleibt sein Geheimnis. Und auch Männer könnten zwecks Machterhalt wie Muttis agieren.
Immer mehr stellt sich heraus, es ist wie bei Morgenstern. Warum sitzt das Wiesel auf dem Kiesel inmitten Bachgeriesel? „Das raffinierte Tier tat's um des Reimes willen“, dichtet Morgenstern. Und Dr. med. Torsten Milsch tat’s um des Wortspiels willen, und das ist noch nichtmal ein eigener Einfall, sondern abgeschrieben bei dem Spiegel-Autor Daniel Haas, der seinen Verriß des Films „Das Schwiegermonster“ vor Jahren ironisch mit „Mutti ist die Bestie“ betitelte.
Zwar gibt es neben dem Lobspruch „Mutti ist die Beste“ auch „Vati ist der Beste" - aber aus „Vati ist der Beste“ läßt sich kein zugkräftig-provokanter Titel basteln. „Vati ist der Bestie“ - das läuft im Deutschen nicht.
Eins ist sicher: Ein Buch mit dem Titel „Mutti ist die Bestie“ brauche ich nicht und lese ich nicht. Deshalb konnte ich hier auch nur über Tina Mendelsohns Interview mit dem Autor berichten sowie über einige Infos, die Mutter-Milsch über sich im Internet verbreitet. Dort nennt er sich nach zwei gescheiterten Ehen überraschenderweise „Der Beziehungs-Doc“.
Wenn ich etwas über tyrannische Mütter lernen will, nehme ich Germaine Greers „Der weibliche Eunuch“ von 1970 (!) aus dem Regal und lese nach, was sie über die fehlgeleitete Energie von Frauen zu sagen hat. Wenn ich Psychoanalytiker beim Motherblaming beobachten will, gehe ich „zu den Vätern“ und lese Freud. Einen xten Aufguß dieser ab- und ausgestandenen Ideen von vorgestern brauche ich nicht.
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4 Kommentare
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28.03.2013 um 11:42 Uhr Lena Vandrey
Was die “Mutter-Bestie” betrifft,so wird wohl keine vernünftige Frau dieser Idee zudienen können. Eines aber ist leider wahr, Mütter werden oftmals im sozio-psychologischen Umgang deformiert und terrorisiert. Der Knabe ist das Phallus-Produkt und wird gehätschelt, verzogen und angebetet;das Mädchen wird bestraft, ein Mädchen zu sein.“Du hättest ja ein Junge werden sollen” heißt der Kardinal-Satz…
Eine Anekdote: Ein kleines Mädchen nimmt sich bei der Vermieterin ein paar Porzellan-Tiere.Es weiß nicht, dass das Stehlen heiBt, wird es aber erfahren. Zeter und Mordio im Haus, eine “Diebin” haben wir hier! Die Strafe: die Kleine wird vom Bett der Mutter entfernt, verstoßen und verbannt in das Bett des Erzeugers. Fort vom Mutterkörper und hin zum männlichen, vor dem sie Angst hat. Schlaflose Nacht. Die Mutter handelt auf Befehl des ihr eingebleuten Obrigkeitsdenkens. Sie ist das erste Opfer der Sache und gibt ihr Kind preis, weil es in ihren Augen gar kein Kind ist. “Mädchen sind keine Kinder”, und dann auch noch diebisch, und später lesbisch, welch’ eine Schande!...
Die Mütter lesbischer Töchter sind oftmals ein Problem. “Von mir soll sie das haben?” hieß ein berühmtes Buch.Ja, von “Dir”!
Mutter-Verkennung, Mutter-Verehrung.
Mädchen sind ihrer Mutter ausgeliefert, welche vergessen hat, dass sie selbst einmal ein Mädchen war. Diese patriarchalische Gehirnwäsche ist die Grundsubstanz allen Elends.
Als obskure Militantin gegen den militanten Obskurantismus kläre ich oft die Mädchen-Mütter auf, und hoffe, damit nicht alleine zu sein…
Der Rest ist doch Humbug! Dass solch’ ein übles Gewäsch gedruckt wird, während hervorragende feministische Texte keinen Verlag finden!
Perversitäten verkaufen sich halt…
Vernunft ist unerwünscht.
27.03.2013 um 21:26 Uhr Vera Eich
Danke, Luise! Wieder mal prima!
@ Frau Heike Hartmann: Hä?
27.03.2013 um 10:53 Uhr Jutta
Danke,verehrte Luise Pusch!
Habe mich genauso über diesen 3sat-Beitrag geärgert und fand meinen Ärger bei Ihnen wieder mal aufs Vortrefflichste verbalisiert.
25.03.2013 um 12:27 Uhr hartmann, heike
liebe Autorin, anscheinend sind Sie selbst
eine Mutti_tyrannin wie T.Milsch es sehr preise beschrieben hat; tatsächlich fehlen aber auch Männer oder Väter, die diesen Frauen/Müttern konsequent etwas entgegen halten, statt Ihren Kindern aus Eifersucht /Neid das Leben zu erschweren.
Gruß Heike Hartmann