Unsere Männerfußball-WM: Notizen einer Minifan über das „Rooten“
Ich verstehe nichts von Fußball und meide den Rummel um diesen Sport so gut es eben geht. Ich habe viel Verständnis dafür, dass die Menschen Ablenkung von dem allgegenwärtigen Elend und Entsetzen in der Welt suchen. Nur suche ich die Ablenkung eben woanders. Zur Zeit übe ich wieder mehr Klavier. Aufreibend genug, die eigene Unfähigkeit so direkt zu erleben. Manchmal gibt es auch Trost, wenn nach viel Frust und Stümperei mal etwas gelingt.
Aber wenn die deutsche Mannschaft spielt, schaue ich mir das an, auch ohne Sachverstand, einfach weil es spannend ist. Die meisten meiner Freundinnen interessieren sich für Männerfußball noch weniger als ich und fragen ungläubig: „Was?! Du und Männerfußball? Hätte ich nie gedacht! Und was bitte findest du daran spannend?“
Nun ja, ich bin eben nicht nur Feministin, sondern auch Deutsche. Und als Deutsche finde ich es spannend, ob die deutsche Mannschaft gewinnt oder nicht. Es ist genauso platt wie es klingt. Wenn sie nicht gewinnt, bekümmert mich das nicht weiter. Nur dass es dann eben keine spannende Fortsetzung gibt, ist schade. Aber die Millionen trauernder deutscher Megafans tun mir nicht besonders leid, ihre Gefühlswelt ist mir fremd. Nun gibt es ja am Dienstag eine Fortsetzung der Spannung: Deutschland gegen Brasilien, das wird schon schiefgehen. Aber wenn schon - es gibt dann trotzdem noch ein bisschen Spannung beim Spiel um den dritten Platz. Wenn nicht, gibt es noch einmal Hochspannung im Finale.
„I’m rooting for the German team“, wie es auf Englisch so nett heißt. Warum? Früher habe ich nicht darüber nachgedacht. Von der WM in Bern 1954 habe ich kaum was mitgekriegt, aber an Stockholm 1958, wo erstmals Brasilien auftrumpfte, erinnere ich mich gut. Wir durften am Radio mitfiebern, wenn wir den Hausputz erledigt hatten, und dass wir als deutsche Kinder für die deutsche Mannschaft waren, war ja wohl selbstverständlich. Und dabei ist es geblieben.
Joey ist nicht mit Fußball (soccer) aufgewachsen und interessiert sich deshalb noch weniger als ich dafür. Aber sie schaut getreulich mit mir die Spiele der deutschen Mannschaft. Als in der Vorrunde Deutschland gegen die USA spielte bzw. die USA gegen Deutschland, rootete jede für „ihr“ Team, und am Ende freuten wir uns, dass beide weiterkamen.
Unsere über uns wohnenden FreundInnen Inga und Etienne, sie Deutsche, er mit doppelter Staatsangehörigkeit, hängten eine französische Fahne aus dem Fenster. Im Haus uns gegenüber hing erst eine einsame deutsche Fahne vom Balkon. Dann eine französische vom Balkon darüber. Dann eine zweite deutsche Fahne aus dem Fenster neben dem „deutschen“ Balkon. Joey hat das bunte Treiben für die Familie in Boston fotografisch festgehalten.
Dann sind noch solche Spiele interessant, an denen Mannschaften aus Ländern beteiligt sind, die unseren FreundInnen am Herzen liegen. Unsere Freundin Juanita kommt aus Chile. Ihretwegen schauten wir die zweite Halbzeit des Spiels Brasilien gegen Chile, wo die armen Spieler in der Verlängerung reihenweise Muskelkrämpfe bekamen und sich am Boden wälzten. Und dann noch Elfmeterschießen. Unerträglich spannend. Juanita erzählte hinterher, ja, sie habe geweint.
„Für wen bin ich? Ich bin ein sportlicher Analphabet, aber sentimental. Also für Frankreich, die haben es derzeit schwerer.“ Schreibt Nils Minkmar von der FAZ. Er hat wie Etienne einen deutschen und einen französischen Pass. Dass er für Brasilien oder die Niederlande sein könnte, diese Idee ist wohl so abwegig, dass niemand darauf kommt. Das Rooten bei der Fußball-WM hat eben vor allem mit der Nationalität zu tun. Im Halbfinale stehen zwei südamerikanische zwei europäischen Mannschaften gegenüber. „Roote“ ich aber als Europäerin auch ein wenig für unsere niederländischen Nachbarn? Vorerst eigentlich nicht. Dazu muss Europa wohl noch mehr zusammenwachsen.
Unsere Friseurin kommt aus Kroatien. „Kroatien war doch auch mit bei der WM“, sagte ich zu ihr. „Ja, war“, sagte sie lakonisch. „Und dann auch Bosnien-Herzegowina“, fuhr ich fort. „Ja, war auch“ lachte sie und damit war das Thema für sie erledigt. Aber sie war bestens informiert.
Mein oberflächliches Interesse an diesem Weltereignis hat sicher auch damit zu tun, dass daran nur Männer beteiligt sind. Für die roote ich eigentlich eher selten. Trotzdem gefällt mir die deutsche Mannschaft. Manuel Neuer im Tor ist einfach cool. Hübsch anzuschauen sind auch Özil und Klose, und Müller lustig. Und dass der Kapitän Lahm heißt und noch dazu der Kleinste von allen ist, finde ich, gerade als Deutsche, erfrischend. --------- Nachtrag am 26.6.2015: Die deutschen Fußballerinen sind im Viertelfinale der WM 2015 und spielen heute Abend in Montreal gegen Frankreich. Deutsche Fahnen habe ich während der ganzen WM nirgends raushängen sehen. Französische auch nicht. Sind ja auch nur Frauen. •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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13 Kommentare
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24.07.2014 um 18:59 Uhr anne
@ Felix Sachs - prima, es freut mich, dass ihnen die aktionen von Discover football auch gefallen haben!
etwas zur information , weil ich auch manche abgesänge in der welt der fußball-machos (z.b. dt. bundesliga) nicht spassig finde. wie gehen die `deutschen` als sieger nach der fußball-weltmeisterschaft? natürlich als sieger aufrecht, während der/die verlierer den `gebeugten, demütigenden` gang zugewiesen bekommen? ich habe mir dieses video der sog. `aufrechten` angesehen und bin eigentlich darüber empört, wie viele menschen desensibilisiert sind , verharmlosen oder demütigende gesten einer `sportlichen` nationalmannschaft gegenüber den `sportlichen gegnern` spassig finden und das in einer zeit, in der die fußball-heroen doch öffentlich gegen rassismus, homophobie etc. auftreten… das hält sie aber nicht davor ab, außerhalb der grenzen den gegner öffentlich mit häme zu überhäufen.
gar nicht auszudenken, wäre der Gaucho-tanz einer schwarz-afrikanischen oder israelischen mannschaft gehuldigt, wie wäre wohl die resonanz der vielen aufrechten ausgefallen?
http://www.taz.de/!142661/
12.07.2014 um 15:21 Uhr Felix Sachs
Danke, Anne, Ihr Bericht lässt auch mein Herz höherschlagen. Ich bin zwar Mann und nicht schwul, aber was da im Männerfussball abgeht, beschämt mich zutiefst (da weiss ich mich längst nicht allein). In der öffentlichen Berichterstatung merken wir zwar nicht allzu viel davon, das spielt sich mehr in Internetforen ab - ich denke, das ist der Grund, warum sich die Aufregung darüber in Grenzen hält. Diese Foren interessieren auch mich nicht, weil sie mich anwidern. Ich nutze meine Zeit für Besseres). Es braucht darum möglichst viele Aktionen und Initiativen wie DISCOVER FOOTBALL dagegen.
12.07.2014 um 14:05 Uhr anne
zur info etwas erfräuliches!
“unser vorbild ist nicht der männerfußball” - gute aktion der aktivistinnen von DISCOVER FOOTBALL , denn sie setzen sich für frauenrechte ein - selbstverständlich auch bei der WM in brasilien, wo DF mit einem eigenen, internationalen projekt vor ort ist.
Zitiert (L.Mag/das magazin für lesben)
...die berlinerinnen Sonja Klümper und Lea Gölnitz engagieren sich gemeinsam mit 16 anderen, größtenteils ehrenamtlich engagierten frauen und setzen sich seit einigen jahren im rahmen der kampagne DISCOVER FOOTBALL für die rechte von frauen ein. dabei benutzen die aktivistinnen den fußball gezielt als empowerment-strategie:
alle zwei jahre laden die organisatorinnen zu einem großen internationalen turnier mit teams aus mehreren ländern nach Berlin ein, wobei der männerfußball weder als vorbild dient noch dessen kommerzialisierungsgrad erreicht werden soll.
Lea: `wir organisieren diese turniere in erster linie, um die spielerinnen unterschiedlichster länder miteinander zu vernetzen. denn sobald sie sich austauschen, wird ihnen bewusst, dass die probleme, die sie in ihrem heimatland erfahren, keine einzelfälle sind, sondern strukturelle probleme von frauen weltweit.
der fußball stellt also die gemeinsame, weltweite basis zur förderung der frauenrechte dar, wobei die aktivistinnen prominente politische unterstützung erfahren…
das wohl bekannteste gesicht der kampagne ist eine ex-profifußballerin. die ehemalige nationalspielerin Steffi Jones verhilft dem projekt zu mehr aufmerksamkeit.
`Steffi ist wirklich klasse und unterstützt uns auf vielen ebenen. ihr engagement wirft aber auch eine wichtige frage zur politischen arbeit gegen homophobie auf - hat sich Jones doch anfang des vergangenen jahres öffentlich geoutet.
`in unserer arbeit denken wir homophobie im frauenfußball immer mit, doch es ist nicht immer ganz leicht, politische arbeit dazu zu machen`, so Sonja.
grund dafür sind die länder, mit denen DISCOVER FOOTBALL zusammenarbeitet. `wenn wir spielerinnen aus ländern einladen, in denen homosexualität unter strafe steht, müssen wir besonders vorsichtig sein, dass diese frauen nach ihrer rückreise keine schwierigkeiten in ihren heimatländern bekommen.`
dennoch ist politische arbeit gegen homophobie möglich - mit ein paar tricks. `obwohl homosexualität im frauenfußball ein brisantes thema ist, ist es uns im vergangenen jahr gelungen, eine gemeinsame erklärung gegen homophobie zu verabschieden`.
im dezember brachte DISCOVER FOOTBALL im rahmen eines expertinnen-forums frauenrechtlerinnen aus vielen ländern zusammen. dort verfassten sie eine offizielle deklaration, in der sie unter anderem politik , medien und fußballverbände dazu aufriefen, sich aktiv gegen homophobie einzusetzen.
`die teilnehmerinnen aus afghanistan und dem iran konnten die erklärung zwar nicht unterschreiben, und das haben auch alle verstanden, aber sie konnten aktiv mit am inhalt arbeiten.`”
DISCOVER FOOTBALL steht für diskriminierungsfreien sport von mädchen, frauen weltweit - ein engagement für gleichberechtigung , emanzipation und frauenrechte ...http://www.discoverfootball.de/home/
10.07.2014 um 11:24 Uhr Amy
Die hässliche Seite der Medaille im Männerfußball - vor allem bei Großveranstaltungen - ist, dass viele dieses Sportereignis zum Anlass nehmen, ihren Sexismus und Nationalismus z.B. in Internet sichtbar zu machen , hier anläßlich des Ergebnisses von 7:1 Deutschland - Brasilien.
Ich zitiere: BRAGER - ein Spiel als `Vergewaltigung`, `Blitzkrieg` und `Holocaust` auf Twitter. Auch in den Sozialen Netzwerken war dies zu spüren, allen voran bei Twitter unter BRAGER (die Zusammensetzung aus Brasilien und Germany), das Hashtag, unter dem sich so ziemlich jeder zu Wort meldete. Viele Kommentare waren witzig, andere einfach nur voller Begeisterung. Andere benutzten, um ihrer nationalistischen und sexistischen Gesinnung passend zum Spiel Ausdruck zu verleihen, so oft die Hashtags #Blitzkrieg #Holocaust und #Vergewaltigung, dass diese gemeinsam mit BRAGER die bundesweiten Twittertrends anführten.
Die Deutschen stehen im Finale, die Weltmeisterschaft ist zum Greifen nah und die Brasilianer hatten einfach keine Chance gegen das überlegene Spiel der Deutschen. Nun kann man darüber diskutieren, ob man Fußball in seiner kommerzialisierten, nationalistischen Struktur überhaupt gut finden kann, ob die Welt nicht ohnhein größere Probleme hat wie Syrien oder den neu aufgeflammten Nahost-Konflikt. Besonders abstoßend an den Kommentaren auf Twitter war allerdings, dass viele Nutzer es für lustig hielten, den Angriffssturm der Deutschen sowohl mit dem Hashtag #Brager als auch mit Hashtags wie #Holocaust, #Blitzkrieg oder #Vergewaltigung zu kommentieren, und das in solchem Ausmaß, dass diese Begriffe deutschlandweit trendeten, also so oft vorkamen, dass Twitter sie zu den am häufigsten verwendeten Hashtags in Deutschland zählte. Kommentare dieser Art zeigen, wie eng Fußball mit Nationalismus verbunden ist, wie wenig Sensibilität und Respekt Deutsche im Umgang mit dem Wort Holocaust, immerhin dem Tod von 6 Millionen Deutschen durch Deutsche vor siebzig Jahren, einem der schrecklichsten Ereignisse der Weltgeschichte haben, dessen Verwendung im Zusammenhang mit einem Fußballmatch Antisemitismus pur ist, ebenso wie die Bezeichnung “Blitzkrieg”, der ebenfalls von den Nationalsozialisten erfunden wude. Diese Begriffe zu verwenden, ist nicht nur politisch inkorrekt, die Tatsache, dass sie “trendeten”, zeigt, wie selbstverständlich sie in unserer Gesellschaft immer noch Verwendung finden, dass nicht wenige Twitterer das sogar als lustig und besonders passend empfanden.
Dass der Sieg über eine andere Mannschaft als “Vergewaltigung” gefeiert wird, ist ein weiterer Beleg unserer “Vergewaltigungskultur”. Wer vergewaltigt, hat Macht, ist ein Sieger. Vergewaltiger sind Sieger, keine Täter, das verdeutlicht uns der Trend dieses Hashtags. Ihn zu verwenden ist abstoßend und gegenüber jedem Opfer sexueller Gewalt eine unglaubliche Unverschämtheit und außerdem Sexismus pur.
Die eigene Mannschaft zu bejubeln, gerade bei einem Spiel wie gestern, ist eine Sache. Begriffe wie “Holocaust”, “Vergewaltigung” und “Blitzkrieg” zu benutzen und damit das millionenfache Leid von Opfern für ein Fußball-Halbfinale zu relativieren, ist eine ganz andere, der mit aller Entschiedenheit widersprochen werden muss.
Es zeigt sich, dass im Rahmen von Fußball die Grenzen von Anstand, von Ethik, weit gedehnt werden – “WM-Fieber” nennt sich das dann. Deutschland hat gestern ein historisches Spiel abgeliefert, noch Generationen werden davon sprechen. Auf Twitter hat es sich wieder von seiner hässlichsten, nationalistischen und sexistischen Seite gezeigt. Das schmälert die Lust, sich mit der deutschen Mannschaft zu freuen.
Abstoßend, inakzeptabel und jedem Twitterer, der ein solches Hashtag benutzt, gehört der Account gesperrt. (Zitatende)
Nicht besonders rühmlich, denn ähnliches erleben wir in der Bundesliga. Beim Männerfußball gibt es grölende Fans , Ultras und Hooligans , Krawall, Bier , Männerkult und die dritte Halbzeit. ” Männerfußball ist politisch. Bei der Verunglimpfung des Gegners bedient man sich aller Spielarten der Diskriminierung: Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Sexismus kommen dabei am häufigsten vor.” (Johannes Baldauf)
Ich bin froh, daß im Frauenfußball eine andere Atmosphäre frauscht.
“Warum interessiert sich für Frauenfußball salopp gesagt kein Schwein?” Der Fussball repräsentiert genau die Werte, die von unserer Gesellschaft wertgeschätzt werden: Durchsetzungsvermögen, Härte, Spannung, Männlichkeit. Härte und Dynamik fehlen im Frauenfussball nach wie vor, deshalb wird er weniger ernst genommen.”
Na ja, auch im Frauenfußball geht es ganz schön zur Sache mit der Dynamik, Spannung, Durchsetzungsvermögen, Leidenschaft, Mut und Spaß und vor allem beweisen sie Teamgeist, Fairness und weniger Brutalitäten - Von Frauen lernen wäre vielleicht ganz angebracht für etliche Sportskanonen im Männerfußball. Männerfußball scheint dagegen für die meisten Ersatzreligion zu sein? http://www.migrosmagazin.ch/menschen/interview/artikel/fussball-als-ersatzreligion
09.07.2014 um 10:49 Uhr Lena Vandrey
Gerade kommt unser Maurer ins Haus und sagt: Na, die haben ja tüchtige Prügel bekommen! Wer denn? Na, Brasilien! Und von wem? Na, von den Deutschen!Für einige, die es vielleicht nicht wissen: Autorin Luisa Francia(eigentlich Feministin)hatte vor Jahren schon ein Buch über den Männer-FuBball geschrieben und ihn als die groBe Messe unserer Zeit bezeichnet. Der Konservator des hiesigen Museums für Sakrale Kunst denkt genauso: FuBball und Rock sind die groBen Messen unserer Zeit, und deshalb stellt er einen weiBen FuB-Ball und die Rocker-Jacke von Johnny Halliday aus…
Männer FuBball ist nationalistisch, religiös und sexistisch, in jeder Beziehung das Gegenteil von dem, was Feministinnen anstreben.
Jemand sagte ‘mal: Fuck-Ball!
Sieg und Frieden, Einigkeit und Recht und Freiheit, Friede, Freude, Eierkuchen. Die Hälfte der Welt ist von dem Getaumel ausgeschlossen, aber was macht das?! Der Untermensch Frau muss lernen, dem TV-Tablett noch etwas hinzuzufügen. Für dieses Etwas finde ich leider keinen Namen…
08.07.2014 um 20:55 Uhr lfp
@Alison:
Ich habe in den vergangenen Jahren schon 7 Glossen über Fußball geschrieben, meistens über Frauenfußball. Wenn ich die Zeit finde, werde ich die Links noch unter meine letzte Glosse über das Rooten stellen. Auch bin ich stolz auf unsere FemBiografie über Abby Wambach.
Woher das Wort “to root” (vermutlich) kommt, weiß ich, aber fast interessanter ist hier wohl die volksetymologische Deutung mit “to root = wurzeln”.
Hier schon mal 2 Links zu meinen Fußballglossen:
“Lesben im Fußball und überall” (10.7.2011) http://www.fembio.org/biographie.php/frau/blog/lesben-im-fussball-und-ueberall/
“Mit Kaufland die EM erleben” vom 17.6.2012: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/comments/mit-kaufland-die-em-erleben/
08.07.2014 um 20:11 Uhr fußballfan
Moin Frau Pusch,
ich lese regelmäßig Ihren Blog und habe mich schon heimlich darauf gefreut, von Ihnen etwas zum Thema WM lesen zu dürfen… Ich “roote” ebenfalls für das deutsche Team und verfolge alle Spiele mit deutscher Beteiligung. Es gibt allerdings eine Sache, die mich wahnsinnig an der WM stört: Der inflationäre Gebrauch des Wortes „Mann“ im Live-Kommentar während der Spiele. Meiner Beobachtung nach benutzen die Kommentatoren ständig „Mann“ als Synonym für „Spieler“, ohne dass aus meiner Sicht dafür Notwendigkeit besteht. Mir ist klar, dass durch den Gebrauch von Synonymen die Berichterstattung abwechslungsreicher und ansprechender gestaltet werden soll, aber in diesem speziellen Fall scheint es mir nicht ein Zugewinn an sprachlicher Ausdrucksmöglichkeit zu sein, sondern ein Verlust. Wo die einzelnen Spieler anhand ihrer Positionen oder Funktion für das Spiel (oder ganz gewagt: anhand ihres Namens) präzise benannt werden könnten, sollen sie einfach immer nur „Männer“ sein. Wir haben anscheinend eher „Mittelfeld-Männer“ als „Mittelfeld-Spieler“, und wenn jemand im Ausland spielt, muss er sich damit abfinden „der Mann von Real Madrid“ oder der „Mann aus der Premier League“ zu sein. Besonders auffällig ist die Verwendung von „der neue Mann“, wenn von Einwechselspielern die Rede ist. Mir kommt dann jedes Mal der Ohrwurm „Neue Männer braucht das Land“, aber diese Assoziation ist vermutlich alles andere als intendiert. Einige Formulierungen klingen in meinen Ohren auch überhaupt nicht nach Qualitätsjournalismus; etwa bei „Defensiv-Mann“ statt „Verteidiger“ läuft es mir kalt den Rücken runter, und die „Männer mit der Trage“ hätte ich für Sanitäter gehalten. Für solche Formulierungskünste gäb es doch in jedem Grundschulaufsatz Punktabzug… Aber von all diesen Stilfragen abgesehen finde ich es sehr schräg, wie häufig betont werden muss, dass es sich bei den Spielern um Männern handelt, schließlich spielen ja keine gemischten Teams, sondern ausschließlich Herrenmannschaften, und um die Qualitäten der Spieler als Männer im Sinne von Liebhabern geht es sicherlich genauso wenig wie das Wort „Manndeckung“ schwul klingen soll (was es aber trotzdem irgendwie tut). Nichtsdestotrotz höre ich das Wort „Mann“ ungefähr zwanzig bis dreißig Mal pro Spiel in Situationen, in denen es mir unangemessen vorkommt (grob geschätzt). Bilde ich es mir ein, dass von den Fußballkommentatoren eine merkwürdige Sprache voller Männer gesprochen wird, oder ist da etwas wahres dran?
Viele Grüße von fußballfan
08.07.2014 um 19:56 Uhr Amy
Fußball, der brave Enkel des Krieges
Der Fußball hat als Geschoss der Globalisierung seine Flugbahn verändert. Trotz der Entnationalisierung des Fußballs klammert sich ein medial aufgeputschter Nationalismus an das runde “Leder”. Das Ergebnis auf dem grünen Rasen bestätigt den alten Trieb des Nationalismus. “Wir sind besser als die anderen!”. Eine Reflexion des Publizisten und einstigen ORF-Korrespondenten Dr. Malte Olschewski.
Fußball und Krieg sind enge Verwandte. Fußball ist der brave Enkel des Krieges. Beiden wird oft in hymnisch-religiösen Tönen gehuldigt. Bei Radioübertragungen kommen über zwanzig Prozent der eingesetzten Metaphern aus dem Militärischen. Fußball ist eine Abstraktion des Krieges, daher ist der Kampf um das runde Leder auch zur beliebtesten Sportart der Welt geworden. Fußball ist ein Pseudokrieg, der durch ein relativ einfaches Regelwerk gezähmt und entschärft erscheint. Orgiastische Gesten nach einem Treffer verweisen in noch tiefere Schichten und in Zeiten, da die Beute gejagt und erlegt wurde: Der Jäger, der das Tor oder das Wild mit dem Ball oder mit dem Speer getroffen hat, wird von der Meute gefeiert. Mit den erzielten Treffern ergibt sich bei jeder Meisterschaft unweigerlich eine Rangordnung, wobei sich heute die Gesellschaft fast nur mehr nur in Tabellen und Rankings auszudrücken scheint. Der herrschende Sozial-Darwinismus unterwirft im Ranking alle Produkte und Aspekte dem dominierenden Schema von Auf- und Absteigern. Heute regieren Tabellen oder Rankings das ganze Dasein. Einer muss siegen, der andere muss verlieren. Auf- und Absteiger kollidieren nicht nur auf dem grünen Rasen sondern in allen Ecken und Enden der Gesellschaft.
http://www.spreezeitung.de/15692/fussball-politik-und-krieg/