The P!nk solution: Mit Ausrufezeichen für gerechte Sprache
Inzwischen sprechen mich die Frauen schon auf der Straße an, was ich denn von diesem Unterstrich hielte, den „neuerdings sogar unsere Frauenbeauftragte favorisiert“. Die Frauen sind sichtlich verärgert, sie wollen nicht, dass der von der Queer Community erfundene Unterstrich das von der Frauenbewegung in Jahrzehnten mühsam erkämpfte und durchgesetzte Binnen-I so mir nichts, dir nichts verdrängt. Den sogenannten Gender-Stern lehnen sie aus demselben Grund ab.
Die US-amerikanische Sängerin und Songschreiberin Pink hat mich auf eine Idee gebracht, wie wir das Problem lösen und einen eleganten Kompromiss finden können. In einem meiner früheren Beiträge zu dem Thema hatte ich vorgeschlagen, statt des großen I ein kleines i zu schreiben und es mit einem Gender-Stern statt mit einem I-Punkt, auch I-Tüpfelchen genannt, zu versehen.
Der Nachteil dieses Vorschlags ist nur, dass er auf unseren gängigen Computertastaturen nicht realisierbar ist. Das Sternchen gelingt nur handschriftlich, wie früher die Herzchen, die wir als Mädchen statt der I-Tüpfelchen in unseren Briefen an die beste Freundin malten.
Die Sängerin Pink schreibt ihren Namen lieber mit einem Ausrufezeichen anstelle des kleinen i: P!nk.
Dieses Ausrufezeichen mitten im Wort sollten wir übernehmen und es wie das Binnen-I verwenden. Dazu erklären wir frischweg:
Das Ausrufezeichen im Wort ist eine Fusion aus großem I und Unterstrich bzw. Genderstern (die ja beide dieselbe Funktion haben, nämlich auch Angehörige der Queer Community sprachlich sichtbar zu machen). Das Ausrufezeichen soll unser gemeinsames Bemühen um Geschlechtergerechtigkeit unterstreichen, es ersichtlich mit einem Ausrufezeichen versehen.
Außerdem setzt es sich aus denselben Elementen wie das kleine i zusammen, das i wurde nur auf den Kopf gestellt. Das Ausrufezeichen ist sozusagen ein kleines i, nur andersrum.
Also, liebe Leser!nnen, nur Mut. W!r kriegen das schon hin, einerseits die feministischen Errungenschaften zu pflegen und andererseits auch neuen Ideen Raum zu geben.
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4 Kommentare
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19.06.2014 um 13:38 Uhr anne
liebe @ Else - das würde mich eigentlich auch interessieren , scheint aber gar nicht so einfach zu sein? versammlung der mitwirkenden? aber seit ich luises tolle glosse zu `mitgliederinnen` gelesen habe, überzeugt mich auch `das mitglied`:) was sollten wir z.b. aus dem wort `gliedmaßen`(arme und beine) machen?
Mitgliederinnen
Vor drei Jahren hörte ich das Wort zum erstenmal - von einem (männlichen) Sprachwissenschaftler. Ich dachte, ich hätte mich verhört. Er aber, aktives Mitglied einer stark profeministischen Berliner Männergruppe, schien nie etwas anderes gehört zu haben als - Mitgliederinnen. Die Berliner Szene! An mein Provinz-Ohr dringen die neusten Creationen eben relativ spät.
Ich redete auf ihn ein, später auch auf die vielen Frauen, die immer wieder von irgendwelchen “Mitgliederinnen” sprachen. “DAS Mitglied”, dozierte ich, “ist doch eine der wenigen nun wirklich geschlechtsneutralen Personenbezeichnungen, die wir haben! Ihr nennt doch Mädchen auch nicht “Kinderinnen” und reserviert Kinder für Jungen!”
Meine Gesprächspartnerinnen waren wenig beeindruckt und sagten weiter Mitgliederinnen. Andere wieder meinten: “Mitgliederinnen? Auch nicht besser als Mitglieder! Wir können es nicht mehr hören, das Wort Glied! Und wieso überhaupt “mit Glied”??! Wir Frauen sind “ohne Glied” und darauf sind wir stolz!”
Mitglied also als Bezeichnung für das männliche Geschlecht, Ohneglied für das weibliche? - Diese Idee hat sich, soweit ich informiert bin, nicht durchsetzen können. Zu negativ das ganze Wort. Sollen wir uns etwa auch noch selbst definieren als diejenigen, denen etwas fehlt? Noch dazu sowas? Nein danke!
Also auf ins Positive! Was hat das weibliche Geschlecht dem “Glied” entgegenzusetzen? - Das Wort war schnell gefunden: Mitklit von Klit wie Klitoris. (Und für den Herrn macht sich dann vielleicht Ohneklit ganz bezaubernd?)
Na schön. Manche mögen’s eben klar und deutlich.
Doch die meisten von uns sind ja mit ihrem weiblichen Schamgefühl geschlagen. Im Büro, in der Schule, im Betrieb, in der Uni will das kühne Wort Mitkloris uns einfach nicht so selbstverständlich von den Lippen. Manche lösen das Problem vielleicht mittels der Kurzform Mitklit, die von “den anderen” garantiert als “Mitglied” gehört wird. Uralte weibliche Taktik: das Kühne so tun, daß es möglichst niemand merkt und wir ungeschoren davonkommen.
Eine Bekannte schrieb mir neulich, sie sage seit einiger Zeit nur Mitfrau: “Der Verein “Frauen und Kultur” hat schon 37 zahlende Mitfrauen.” Auch nicht schlecht!
Ich finde es eindrucksvoll, wie bunt es zur Zeit in der deutschen Sprache zugeht. Wo es früher nur ein einziges Wort gab - Mitglied/er-, hab’ ich jetzt die Auswahl zwischen
Mitglied(er)in / Mitgliederinnen
Mitklit, Mitklitoris
Ohneglied
Mitfrau
Mitglied/er
Und doch finde ich auch etwas Bedenkliches an dieser munteren Wortschöpferei. Ihr Anlaß scheint mir eine übertriebene Konzentration auf das männliche Glied zu sein. Haben wir das nötig, frage ich mich bestürzt? Harmlose Wörter wie Gliederung, Gliedmaßen, gliedern, eingliedern - fällt uns etwa auch dazu nur der Penis ein, so daß weitere sprachliche Säuberungsaktionen angeraten sind? Wir sagen ja den Männern nach, sie dächten immer nur an “das eine”. Weibliche Wortschöpfungen wie Ohneglied und Mitklitoris legen den Verdacht nahe, daß auch Frauen noch entschieden zu oft daran denken.
Oktober 1982 (aus: Luise F. Pusch, “Das Deutsche als Männersprache”, Frankfurt, 1984)
18.06.2014 um 15:14 Uhr Else
Ich f!nde das einen charmanten Vorschlag, auch Amys Leserinnen* mag ich. :)
Hat vielleicht noch eineR einen Vorschlag, wie man den Begriff Mitgliederversammlung gescheiter formulieren kann, wenn Frauen, Männer gemeint sind?
11.06.2014 um 19:14 Uhr Amy
Ja, den Unterstrich (als Lückenbüßerin) und das mittige Sternchen, das irgendwie trennt und in der Luft hängt, finde ich auch sehr anonym; reduziert werden auf irgend welche `stummen` Zeichen? Ich weiß nicht, ob Unterstrich und Sternchen unserer feministischen Idee von gerechter Sprache nutzen werden? Denn sprachlich lässt sich sowohl ein Unterstrich nicht ausdrücken, auch nicht in einer Mundart :)
Das `Ausrufungszeichen` ist in der Tat für das Schriftbild eine geschickte Variante :).
Ich nutze gerne das generische Femininum, weil auch die feministische Linguistik für das Sichtbarmachen lange, lange gekämpft hat. Und warum ist es für etliche so kompliziert, sich in der lange umkämpften feminist. Idee wiederzufinden? Wer auf das Sternchen nicht verzichten kann, könnte dieses auch `andersrum` anbringen, z.B. liebe Leserinnen* . Hier werden alle betont und auch das Schriftbild ist sehr flüssig? Auf mich wirkt es so nicht nach Trennung oder Einschiebung sondern eher wie dazugehörig.
09.06.2014 um 12:47 Uhr Lena Vandrey
Ich dachte immer, es hieße “Ausrufezeichen”, aber jetzt heißt es “Ausrufungszeichen”, was ist eine Rufung? Die Zeichen auf den Kopf zu stellen, dafür gibt es ein gutes Beispiel im Spanischen: Ausrufezeichen und Fragezeichen stehen am Anfang eines Satzes auf dem Kopf. Ich stehe auch Kopf, wenn ich die Bemühungen für die Queer-Leute sehe, und erinnere an Sheila Jeffreys Satz: Keine Zukunft für Lesben in der Queer-Bewegung!
Striche, Hohlräume und sonstwas sind also nur für Transsexuelle gedacht, der feministische Anspruch geht unter. Schließlich müsste es darauf ankommen, WAS ein Text erzählt und WAS einzubeziehen ist oder auch nicht! Warum stellen Queer&Co; sich immer als minderbemittelt dar und fordern eine Sonder-Anerkennung? von Feministinnen und Lesben? gerade von denen? Was haben sie denn getan? Könnte es nicht etwas Ruhe geben? Die Sprache geht weiter, lasst sie doch gehen!
Früher gab es die Ausdrücke “Heteroschnalle” und “Lesben-Schuppen”. Es kam wohl keine auf die Idee, ihnen einen linguistischen Platz vorzubereiten, einzuräumen. Es bleibt die Frage, wie denn diese Striche auszusprechen sind, und wie zu übersetzen?
Meine Fräundin, Hohl/Strich, ist ein kleines i und ich bin ein großes I! Wir können ja auch tauschen, wir geben unser großes I her und werden das kleine. Dann, dann erst, sind wir an dem richtigen, für uns vorgesehenen Platze, dem letzten!