“The kids are all right” - but the film isn’t
Gestern waren wir mit zwei Freundinnen im Kino und haben uns den Film “The Kids are all right” angesehen. Er ist hier in den USA zur Zeit total in und wird heiß diskutiert, hat doch die Regisseurin Lisa Cholodenko erstmals das Tabu “lesbische Mütter mit Kindern von der Spermabank” angepackt. Die gesamte Presse ist des Lobes voll, das Einspielergebnis ist stattlich, mit bisher 1,8 Millionen Dollar rangiert der Film auf Platz 12. Im Februar bekam er bei den Berliner Filmfestspielen den Teddy Award, beim Sundance Film Festival soll er der meistdiskutierte Beitrag gewesen sein.
Alles sehr erfreulich für einen Lesbenfilm, wir können uns nicht erinnern, dergleichen jemals gehört zu haben. Aber: Ist das überhaupt ein Lesbenfilm, fragten wir uns verstört, als wir dem Ausgang zustrebten.
Der Film wird vermarktet als “echter Familienfilm”, aber eben ein moderner, die Familie besteht nicht aus Mom und Dad und zwei Kids sondern, wow, aus zwei Moms mit Kids. Dann stößt auf Wunsch der Kids der bis dahin anonyme Spender-Papa (“Donor-Dad”) hinzu und sorgt für Dramatik und Spannung im Alltagstrott.
Der Film versucht es allen recht zu machen, sogar den Lesben, vor allem aber den Männern, seien sie schwul oder hetero. Der massige Mann, der vor mir saß, kam aus dem Brüllen gar nicht mehr raus! Ist aber auch zum Brüllen, wie sich die beiden lesbischen Moms schwule Pornos ansehen, um sich anzutörnen. Einen rosa Dildo haben sie auch in der Schublade.
Also ich weiß nicht, vielleicht bin ich altmodisch - aber beides würde mich garantiert abtörnen. Wir verbuchten diesen eigenartigen Regieeinfall auf das Konto von Stuart Blumberg, der das Drehbuch zusammen mit Lisa Cholodenko verfasst hat. Frau lernt etwas fürs Leben aus dieser kurzen Szene, und zwar: Lesbischer Sex ist äußerst mühsam. Während sich Jules (Julianne Moore) unsichtbar unter der leicht wogenden Bettdecke an Nic (Annette Bening) abarbeitet, bis sie kurz vor dem Ersticken wieder auftaucht, guckt diese ihren Porno, verzieht aber keine Miene, anscheinend verhilft ihr beides nicht zum Orgasmus.
Dem Publikum wird das anstrengende und peinliche Sexualleben der beiden Frauen nur einmal kurz zugemutet; entschädigt wird es dafür durch reichlichen Heterosex mit dem Samenspender als unerschöpflichem Kraftzentrum. Zuerst treibt er es wild und lange mit einer schönen jungen Äthioperin, dann läßt er sich mit Jules ein, die seinem selbstgebackenen Apfelkuchen nicht widerstehen konnte und sich ihm aufdrängt. Warum die lesbische Mom Jules so versessen auf Sex mit Paul ist, weiß sie selbst nicht (wohl aber die Marketingstrategen). Es tut ihr nach mehrmaligen Leibesübungen dann auch richtig leid. Zuvor aber muß lesbe zusehen, wie sie angesichts seines erigierten Glieds (das wir nicht zu sehen kriegen) vor andächtiger Begeisterung fast in Ohnmacht fällt, während er die hysterische Huldigung milde, fast schüchtern lächelnd entgegennimmt. Die Szene - eine klassische Männerphantasie - verdanken wir vermutlich auch dem Drehbuchautor, der damit sicher entscheidend zum Kassenerfolg beigetragen hat.
Paul, der Samenspender (Mark Ruffalo), ist also ein Sympathikus - er gefiel sogar mir. Während Nic zickig und dominant ist und obendrein trinkt, und Jules vor Gier nach Paul fast außer sich gerät, zeigt er sich in jeder Situation gelassen und liebevoll - der Sympathieträger schlechthin. Nichtmal den Einbruch in die glückliche Lesbenehe kann frau ihm anlasten: wie soll ein normal gebauter Mann auch anders reagieren, wenn eine schöne Frau sich ihm schmachtend an den Hals wirft.
Unseren Heterofreundinnen gefiel der Film nicht: Zu viele Sexszenen mit dem Kerl, unecht, zu viele Klischees, zu viel blödes Männergröhlen im Publikum - das war in etwa ihr Urteil. Sie hatten schließlich mal einen ”anderen” Film sehen wollen und fanden sich stattdessen belästigt mit dem gewöhnlichen Heterosexgestrampel in Großaufnahme. Gar nicht schön!
Joey und ich waren gnädiger. Die schauspielerischen Leistungen sind durchweg exzellent, schon deswegen lohnt sich der Film durchaus. Es gibt viele lustige, bewegende, intelligente Szenen und Momente, die - so hoffen wir - auf das Konto der Regisseurin und Drehbuchautorin gehen.
Aber die Kernbotschaft des Films, dass Lesbensex mühsam ist und Heterosex das Gelbe vom Ei, ist einfach abwegig.
Vielmehr gilt weiterhin die tiefe Erkenntnis Erma Bombecks: “I haven't trusted polls since I read that 62% of women had affairs during their lunch hour. I've never met a woman in my life who would give up lunch for sex.”
Und damit meinte sie nicht Lesbensex.
(Dank an Joey Horsley für das Bombeck-Zitat!)
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10 Kommentare
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24.07.2010 um 15:09 Uhr Amy
Es gibt eine Studie, die besagt, dass Lesben die besseren Eltern sind.
http://www.queer.de/detail.php?article_id=12288
Das wird sicherlich den kath., frauenfeindlichen und homophoben Fundis so gar nicht schmecken. Verbale Attacken gegen lesbisch-schwule Familien leistete sich der inzwischen friedlich verblichene Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba in einer Talk-Show: “Zwei Lesben mit einer Anonympulle Sperma im Tiefkühlfach, das ist doch keine Familie.” Oder der katholische Theologe Dietmar Mieth von der Uni Tübingen ist strikt gegen eine Freigabe der Samenspende für lesbische Paare. Sogar im kath. Polen will die katholische Kirche mit einer Keuschheits-Therapie Lesben und Schwulen von ihrer gegenseitigen Liebe und Sexualität abbringen. Diese gilt unter Geistlichen als sündhafte Krankheit. Das sagen gerade Männer - eingemauert in ihrem Männerbündnis - , die der `Liebe,Sexualität, Familie` abgeschworen haben.
Insbesondere die christl. Fundis in ihrem krankhaften Männlichkeits/Wahn betrachten lesbisch-schwule Familien als einen Angriff auf die herrkömmliche Familie. Dagegen ist erwiesen, dass Kinder von Homo-Paaren nicht nur schlauer sind. Auch gibt es gute Erfahrungen mit homosexuellen Pflegeeltern
- Kinder entwickeln sich bei zwei Müttern oder Vätern genauso gut wie in anderen Familienformen. Es zeigte sich, daß sowohl Eltern als auch Kinder in Regenbogenfamilien ein sehr viel höheres Bildungsniveau haben als die dt. Durchschnittsbevölkerung. (Quelle: Taz v. 24.7.09)
“Die meisten Frauen werden durch Zufall Mutter, manche freiwillig, einige unter gesellschaftlichen Druck und ein paar aus reiner Gewohnheit” . (Erma Bombeck, Mutter von drei Kindern)
Sogar Oscar Wilde hat es auf den Punkt gebracht “Die Ehe ist eine Freiheitsberaubung im beiderseitigen Einvernehmen.”
Und Else Buschheuer/Ruf!Mich!An! hat`s ebenfalls erkannt: “Es ist wirklich schleierhaft, wie frau sich für`s Rammeln begeistern kann.”
Klar doch, dass einer Hetera der Appetit vergeht ..
23.07.2010 um 22:56 Uhr Anne
Ha, das kommt dabei heraus, wenn frau mann am obigen drehbuch mit/beteiligen lässt. unterschwelliges klischeedenken bzw. wunschdenken zeigt sich hier, mann könnte lesben auf die gewünschte `norm` bringen - es muss eben nur der ´richtige` kommen und schon fällt frau/lesbe auf den ollen sympathieträger rein. grusel, ist das durchsichtig. hier fehlt nur noch der `flotte dreier`, das scheint der mitschreibende drehbuchautor vergessen zu haben? so hat der samen-spender sich nur mit einer lesbischen frau vergnügen dürfen.
meine güte und dieses verblödete männergeschrei im publikum rund um den phalluskult etc. pp- wie ich mich kenne - hätte ich meinen ganzen unmut auch über den dicken vordermann lautstark `ausgeschüttet`..
aber so stellt sich halt onkel otto die liebe zwischen zwei frauen vor…eine muss doch der mann sein, zumindest dürfen die herren dildo und porno nicht fehlen, grusel, grusel ...