Sag mir, wo die Frauen sind - wo sind sie geblieben?
Wo die Frauen sind? Bei FemBio. Hier werden keine Frauen ausgeblendet, weil sie nicht ins Bild passen.
Im Mai feierten wir den 100. Geburtstag zweier großer US-Amerikanerinnen, Katharine Hepburn und Rachel Carson. Im Juni wäre Katharine Graham (“Mrs Watergate”) 90 geworden. Natürlich wurden und werden sie alle auf FemBio ausführlich gewürdigt.
Auch in der Männerpresse erschienen Porträts. Freundinnen haben mir schon des öfteren dieStandard.at, die feministische Ablegerin der österreichischen Tageszeitung Der Standard ans Herz gelegt. Dort fand ich die Porträts, um die es im folgenden geht. Sie waren aus Der Standard übernommen und von Männern geschrieben (Klaus Taschwer über Rachel Carson, Michael Freund über Katharine Graham; bei Hepburn wird als Quelle APA/dpa angegeben). Die Links sind etwas inkonsistent - aber Sie werden die Porträts schon finden, zur Not in der rechten Spalte.
Die Porträts in der Männerpresse unterschieden sich von den FemBiografien in einem entscheidenden Punkt. Die intensiven Beziehungen, die Carson und Hepburn mit Frauen hatten, werden nicht erwähnt. Bei Carson stehen ihre epochalen Leistungen im Vordergrund, menschliche Beziehungen scheint sie keine gehabt zu haben. Bei Hepburn wird außer ihren Leistungen ihre Beziehung zu Spencer Tracy gewürdigt, nicht die zu Laura Harding (“Wieviel Kraft hat sie mir gegeben. Ihr verdanke ich meinen Sinn für Feinheiten. Ich fand sie hinreißend, und sie überzeugte mich, daß ich es sei.”) oder Phyllis Wilbourn, Gefährtin ihrer zweiten Lebenshälfte: “Immer da, vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Für alle Zeiten.” (K. Hepburn)
Auch bei Katharine Graham wird der Mann in ihrem Leben, Philip Graham, mit erwähnt, nicht aber, was er ihr mit seiner Arroganz antat: „Während er mich einerseits stützte und stärkte, machte er mich andererseits nieder … Allmählich hörte ich ganz auf zu sprechen, wenn wir zusammen waren.“ (K. Graham in ihrem Memoiren).
In Pakulas Film über die Watergate-Affäre, Die Unbestechlichen (All the President's Men) (1976), mit Dustin Hoffman und Robert Redford, kommt "Mrs Watergate", die die Aufdeckung erst ermöglichte, nicht vor. Nachdem ich Anfang 2006 Kay Grahams Memoiren gelesen hatte, sah ich mir den Film voll gespannter Vorfreude noch einmal an, um zu sehen, wie ihr Part wohl behandelt würde in dem berühmten Film. Vergebliche Hoffnung, mann fand sie nicht der Rede wert.
Ich gebe seit 20 Jahren den frauenbiografischen Kalender Berühmte Frauen heraus. Auf dem Titel des neuen Kalenders sehen Sie die Schriftstellerin und Kritikerin Susan Sonntag - sie wäre im nächsten Jahr 75 Jahre alt geworden. Ihre langjährige Partnerin, die Fotografin Annie Leibovitz, wird in dem Kalender-Porträt natürlich nicht übergangen.
Manchmal haben auch Männer am Kalender mitgewirkt. Ein auffälliger Unterschied zwischen den Biografien, die Frauen schrieben und denen, die Männer ablieferten, war die ausschließliche Konzentration auf das Werk bei den Männern. Ich bekam den Eindruck, daß männliche Biografen das Standardmodell der Biografie großer Männer auf Frauenbiografien übertragen: Die Frau als Partnerin ist nicht der Rede wert, weder als Partnerin des Mannes noch der Frau.
Hingegen der Mann als Partner einer bedeutenden Frau - seine Erwähnung ist unerläßlich (Tracy, Philip Graham). Und wenn er der Frau geschadet hat, so bleibt das unter dem Teppich.
Das Perfide bei dieser Art Geschichtsschreibung ist, daß frau bereits bescheid wissen muß, um festzustellen, was alles unterschlagen wird. Ich habe die Briefe und Autobiografien von Graham, Hepburn und Carson gelesen und merkte sofort, daß die “Standardbiografien” in typischer, ja vorhersagbarer Weise unvollständig waren: Lesbische Beziehungen und männliche Grausamkeit gibt es nicht; Freundinschaft zwischen Frauen wird kaum je ihrer lebenswichtigen Bedeutung entsprechend gewürdigt.
Künstlich am Leben erhalten wird auf breiter Front, standardmäßig, ein Idealbild des Mannes: Er ist stark und ohne Fehl, und schon deshalb hat die Frau keine Götter neben ihm - von Göttinnen ganz zu schweigen.
Da halten wir Frauen uns doch lieber an den klugen Rat Schleiermachers:
Du sollst nicht falsch Zeugniß ablegen für die Männer; du sollst ihre Barbarey nicht beschönigen mit Worten und Werken.
Zu ergänzen wäre noch:
Du sollst auch den naheliegenden Ausweg aus der Misere nicht verschweigen, den schon viele kluge Frauen gefunden haben.
7 Kommentare
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20.07.2007 um 23:27 Uhr lfp
danke, liebe Undine!
Zu den sexistischen Kinderbüchern ist schon 1983 ein schönes Buch von Astrid Matthiä erschienen - wohl das erste von einer ganzen Reihe von Büchern zu dem leidigen Thema: “Vom pfiffigen Peter und der faden Anna: Zum kleinen Unterschied im Bilderbuch.” Gibt es antiquarisch z.B. bei eurobuch.
Astrid Matthiä hat auch eine eigene Homepage: http://www.schriftsteller-in-sh.de/html/astrid_matthiae.html
Weiter viel Spaß mit FemBio!
lfp
20.07.2007 um 08:38 Uhr Undine
Liebe Luise,
es ist herzerfrischend hier zu lesen. Es ist schön, endlich mal ohne ‘Umschalter’ im Kopf lesen zu können, sich voll und ganz gemeint zu fühlen, ohne ständig diese netten fiesen kleinen Sticheleien ausblenden zu müssen, die frau gemeinhin ‘Sexismus’ zu nennen gelernt hat. Es macht Mut, hier auch von Männern zu lesen, die gegen den Strom schwimmen. Ich halte es für eine gute Idee, auch diese Männer zu ehren und ihr Andenken hochzuhalten.
Seit ich hier lese, schlage ich viele Bücher, vor allem Kinderbücher, viel bewusster auf. Viel deutlicher als früher springt es mir ins Auge, wenn Sachbücher sich explizit nur an Jungen wenden (in Ansprache des Lesers, in den Illustrationen), wenn in Lexika nur große Männer vorkommen die große Dinge erforscht haben und Kolleginnen, mit denen sie intensiv zusammengearbeitet haben, zu ‘Assitentinnen’ gemacht werden, wenn sie nicht ganz und gar verschwiegen werden. Da liegt noch so verdammt viel im Argen, und es sind ausgerechnet Kinderbücher. Wir werden also schon in sehr jungen Jahren darauf geprägt, dass Frauen ‘unsichtbar’ sind. Kein Wunder, dass soviele Frauen wie Männer ganz selbstverständlich bezweifeln, dass auch Frauen Genies, Wahnsinnige und Wissenschaftlerinnen waren - wenn es so wäre, würde es ja wohl in irgendeinem (Kinder)Buch stehen, oder?
Es grüßt
Undine
16.07.2007 um 16:16 Uhr lfp
Danke für alle zustimmenden Kommentare! Tatsächlich habe ich hier meine langjährige Erfahrung als Frauenbiografin mal kurz zusammengefaßt. Frauen finden an Biografien in der Regel ganz andere Dinge wichtig und interessant als Männer. Männer produzieren meistens Heldensagen, wie ich das nenne. Eine der schönsten habe ich hier in meiner Glosse über “Glenn Gould als Jesus Christ Superstar” gewürdigt.
Aber wie das Bsp. Schleiermacher zeigt, gibt es auch tapfere Männer, die gegen den Strom schwimmen, wir wollen sie ehren und ihr Andenken hochhalten. An weiteren Gerechten fallen mir grad ein: Richard Pankhurst (vgl. FemBiographie Emmeline Pankhurst), John Stuart Mill (vgl. FemBiographie Harriet Taylor Mill) und Theodor Gottlieb von Hippel. Über diese und andere leuchtende Beispiele für die bockige Männerwelt werde ich bald mal eine Glosse verfassen.
16.07.2007 um 08:31 Uhr Undine
Liebe Luise,
du meinst also, diese Kritikunfähigkeit vieler Männer ist echt? Und ich dachte immer, es läge an mir und meiner stacheligen Art, dass ihnen meine Kritik so ungelegen kam. Was habe ich nicht nach Wegen gesucht, durch die Blume zu sagen wo mir der Schuh drückt. Und das war alles umsonst? Das ist deprimierend ... gibt es eigentlich überhaupt noch einen Grund, mit solchen Männern zu sprechen, die doch nur Anbetung und Hochachtung ihrer Person hören wollen, sobald jemand mit ihnen spricht?
Ich habe es verstanden, ich werde aufhören ihre Taten zu beschönigen und auf taube Ohren zu predigen. Ich werde mich voll und ganz Orten wie diesem hier zuwenden, wo Schönes tatsächlich schön ist und nicht nur so genannt wird.
Liebe Grüße
von der Undine
15.07.2007 um 23:35 Uhr Barbara J. Speck
Hallo Luise
Sieh mal eine an - gut zu wissen, die Unterschiede zwischen Fembio-Biografien und MANN-Biografien. Entlarvend, ich werde deine Glosse bei Gelegenheit zitieren. Aber eigentlich nicht anders von Mann zu erwarten. Trotzdem danke!
Herzliche Wünsche von Barbara
15.07.2007 um 22:33 Uhr Anne
Ein dankeschön und lob auch an die vielen Fembio-autorinnen. Biografien grosser, grausamer und `schlächter` männer aus allen epochen sind uns lange genug vorgesetzt worden.
Daß bekannte und weniger bekannte frauen sowie ihre schicksale in dieser fülle hier sichtbar gemacht werden, finde ich einmalig.
Ich freue mich auf weitere bios - mit vielen links u. literaturhinweisen - prima gestaltet mit hilfe von Almut Nitzsche.
Der kluge rat bzw. appel von Schleiermacher ist sehr ` wichtig und geradezu zentral` und muss für uns frauen oberstes gebot sein.
Llg von anne
15.07.2007 um 18:48 Uhr Duerr
Oh könnten doch Schleiermachers Worte verbreitet werden wie die Werbung für Fleckenmittel oder Vitamine!!!!
Natürlich darf an Seiner Hoheit dem Herrn Mann keine Kritik geübt werden. Dass er sich über sich selber gar kritische Gedanken machen möchte/würde, steht ausserhalb jeglicher Möglichkeit. Und Er hat es wirklich nötig!!! (würde Er sich sonst noch als lebensberechtigt ansehen können?)
Grüsse
Anita