Pfingsten: Ausgießung der heiligen Geistkraft oder Verzückte Zungen
Aus Wir machen uns unsere Sprache selber: Ein Feminar. Zweiunddreißigste Lektion. Text von 2009.
Heute meldete die dpa:
Nur etwas mehr als die Hälfte der Deutschen kennt die Bedeutung des Pfingstfestes. Das ist das Ergebnis einer Umfrage für die «Bild am Sonntag». Demnach wissen 49 Prozent nicht, dass an den beiden Feiertagen der «Ausgießung des Heiligen Geistes» und der Gründung der Kirche gedacht wird.
Was hingegen die dpa und “Bild am Sonntag” nicht wissen: “Der Heilige Geist” ist aus der Mode, heute reden wir stattdessen von der “Heiligen Geistkraft” (Bibel in gerechter Sprache). Andere sagen wohl auch “Heilige Geistin”. Gemeinsam ist den Neufassungen, dass sie die Weiblichkeit des Originals, des hebräischen (ruach) wie des griechischen (sophia), in der deutschen Übersetzung wiedergeben wollen. Schließlich ist eine rein männliche Hl. Dreifaltigkeit nicht mehr zeitgemäß; außerdem wird die Heilige Geistkraft durch eine Taube symbolisiert und nicht durch einen Täuberich!
Das eigentümliche Wort Pfingsten leitet sich von griech. πεντηκοστή [ἡμέρα] (pentekostē [hēmera]) her und bedeutet „der fünfzigste Tag“. Am 50. Tag nach Pessach / Christi Auferstehung waren die Jünger und Jüngerinnen versammelt - und erlebten also die “Ausgießung der heiligen Geistkraft”: Flammen züngelten über ihren Häuptern, und plötzlich konnten sie “in Zungen reden”, so dass auch Anderssprachige sie verstehen konnten. Bei Luther liest sich “das Pfingstwunder” so (Apostelgeschichte 2, 1-6):
Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an "einem" Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.
Frauen gab es damals anscheinend noch nicht. Und das Wunder hielt auch nicht lange an, sonst bräuchten wir nicht so viele Bibelübersetzungen. Auf bibleserver.com gibt es allein acht (!) verschiedene Bibelübersetzungen in deutscher Sprache, 4 in englischer, außerdem Übersetzungen in 30 andere Sprachen.
All diesen Übersetzungen gemeinsam ist das eifrige Bemühen, die Frauen auszumerzen.
Und so fehlt denn auch bei bibleserver.com die schöne neue Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache, in der der obige Passus wie folgt aussieht:
Als der 50. Tag, der Tag des Wochenfestes, gekommen war, waren sie alle beisammen. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Tosen wie von einem Wind, der heftig daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie sich aufhielten. Es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten, und auf jede und jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Da wurden sie alle von heiliger Geistkraft erfüllt und begannen in anderen Sprachen zu reden; wie die Geistkraft es ihnen eingab, redeten sie frei heraus. Unter den Jüdinnen und Juden, die in Jerusalem wohnten, gab es fromme Menschen aus jedem Volk unter dem Himmel. Als nun dieses Geräusch aufkam, lief die Bevölkerung zusammen und geriet in Verwirrung, denn sie alle hörten sie in der eigenen Landessprache reden.
*** Was fällt der frauenbewegten Frau sonst noch zu Pfingsten ein? Das Lesbenpfingsttreffen, eine ehrwürdige Einrichtung, die es schon in den 20er Jahren gab. 1992 wurde sie der nichtchristlichen Mehrheit zuliebe in Lesbenfrühlingstreffen (LFT) umbenannt. Vom Pfingstwunder des Zungenredens können trotzdem die meisten Lesben auch beim LFT schöne gefühlvolle Lieder singen.
13 Kommentare
Nächster Eintrag: Deutsche Meister
Vorheriger Eintrag: Bundespräsident oder Bundespräsent?
31.05.2009 um 15:35 Uhr Anne
“Ausgiessung…” eine merkwürdige formulierung und erinnert mich fast schon an`s blei/giessen. Mit beginn dieser männl. ausgiessung wurde in der über zweitausendjährigen herrkömmlichen und frauenfeindlichen kirchengeschichte den frauen eine enorme last - schwer wie blei - auferlegt.
Frau kann sich nur mit abscheu v.d. frauenfeindl. bibeltexten und zitaten der heute so hochgeschätzten alten kirchenmänner - wie wohl auch M. Luther und apostel Paulus - distanzieren.
Ein geburtstagsfest, auf das ich gut verzichten kann.
Auch in zukunft wird i.d. kath. kirche mit der dreieinigkeit ausschließlich männlich gedacht.
Keine spur von erleuchtung?
Die amerik. feminist. theologin Jane Schabeberg schrieb i.d. 80er jahren: ” ...bis sie schwanger wurde, war Maria jungfrau, ein junges mädchen von viell. 12 jahren, ledig, unfreiwillig schwanger, erniedrigt, viell. sogar vergewaltigt.” Für ihre theorie bekam sie eine menge hassbriefe, und aufgebrachte katholiken setzten damals ihr auto in brand.
Welch schreckliche `verbindung` mit dem alten ehemann Josef .... :-( das scheint mann völlig zu ignorieren ! Bedienten sich die alten herren nicht immer schon gerne junger mädchen ?
“Die weiber sollen i.d. gemeinde schweigen, denn es kann ihnen nicht gestattet werden zu reden, sondern sie haben sich unterzuordnen ...”
Apostel Paulus (1. Korinther 7,1)
“..wer mag alle leichtfertigen und abergläubischen dinge erzählen, welche die weiber treiben ... es ist ihnen von der mutter Eva angeboren, dass sie sich äffen und trügen lassen.”
Martin Luther, frauenkenner
Ein merkwürdiger pfingstbrauch existiert in manchen landesteilen m.d. `bosheitsnacht` - hier können die burschen wieder mal so richtig unfug betreiben - ebenso genutzt von chaoten bis hin zu vandalismus/verwüstungen - auch eine art, mit der gnade des hl. geistes übergossen zu werden.
Llg v. Anne
31.05.2009 um 12:58 Uhr Joey Horsley
Heißt das denn nicht auch, dass die Flammenzungen der Heiligen Geistkraft die Sprachverwirrung des Babelturmes wieder aufheben? Einst waren nämlich alle Menschen vereint und sprachen dieselbe Sprache. Als die Männer dann den phallischen Turm bauten zum Aufzeigen ihrer Macht, wurde die Gottheit zornig und zerstreute die Menschen über die ganze Erde. Sie machte auch ihrer gemeinsamen Sprache ein Ende, damit die Machtgierigen nie wieder eine Chance hätten, sich ihr gegenüber so arrogant zusammenzutun.
Jetzt kommt zu Pfingsten die Heilige Geistkraft und erfüllt die Herzen – sofort verstehen alle die flammenden Zungen, wenn sie auch eine andere Landessprache reden. Schöne Aussicht für die Welt!
Noch was: War die Heilige Geistkraft eine Taube, hätte denn Maria nicht Lesbe sein müssen? Und hätte Jesus nicht 2 X-Chromosomen haben müssen…?
31.05.2009 um 12:10 Uhr Gudrun Nositschka
Die Bibel in gerechter Sprache bringt durch Hinzufügungen z. B. von Frauen Verfälschungen mit sich und verschleiert dadurch, dass monotheistische Religionen nun mal frauennegierend bis - feinlich sind. Da hilft auch keine ruach. Auf der anderen Seite zeigt die Übersetzung aber auch klarer die misogyne Haltung Gottes zu Frauen, wenn er in Genesis 2, 16 zu Eva sagt: ” Ich sorge dafür, dass deine Lasten groß und deine Schwangerschaften häufig sind. Nur unter Mühen wirst du Kinder bekommen. Auf deinen Mann richtet sich dein Verlangen. Doch der wird dich beherrschen.” So klar hatte das Martin Luther nicht sagen wollen, obwohl er nicht dafür bekannt ist, frauenfreundlich gewesen zu sein. Zitat: “Lass sie(die Frauen)sich ruhig zu Tode tragen. Darum sind sie ja da.”
Mir gefällt dennoch die Idee zu Pfingsten, da wir uns gegenseitig Mut machen sollten, Frauen immer wieder anzusprechen und Dinge beim Namen zu nennen. Gudrun Nositschka
30.05.2009 um 22:33 Uhr Alison
Zu Pfingsten faellt mir das Österreichische Frauenforum Feministische Theologie ein, weil sie frueher ihre Jahrestagungen abgehalten haben.
30.05.2009 um 22:09 Uhr Evelyn
Zum Glück gibt es jetzt die “Bibel in gerechter Sprache” - wenn sie auch leider noch nicht als Kulturgut in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Sie wird sicherlich noch lange nicht in den Kirchen vorhanden sein und dort benutzt werden ...
Vor ein paar Jahren kam ich (als typische Nicht-Kirchgängerin) an Pfingsten in einen Gottesdienst der katholischen Kirche. Der Pfarrer sagte sinngemäß: “Es ist gleich, welche Funktion wir im Leben ausüben, es ist allein entscheidend, welch Geistes Kind wir sind, wenn wir die Kirche wieder verlassen!” Für mich heißt das: Der Ausmerzung des weiblichen Geistes und dessen Leistungen in Kultur und Gesellschaft bis zum heutigen Tage entschieden entgegenzutreten, wo immer sie uns auch begegnet und auffällt. Das erfordert Mut, zu diesem kann uns die göttliche Geistkraft verhelfen, wozu sollte sie überhaupt da sein, wenn nicht dazu, Ungerechtigkeiten entgegenzutreten?