My Heart belongs to Addyi
Anfang der Woche hörte ich zum ersten Mal von Addyi, der neuen „Lustpille“ für Frauen, die gerade von der US-amerikanischen Arzneimittelbhörde FDA zugelassen wurde und im Oktober auf den Markt kommen soll. Judy Woodruff von der PBS NewsHour sprach es wie „Addie“ aus.
Frauen im gebärfähigen Alter, die keine Lust auf Sex haben und es pro Monat nur auf 2,7 befriedigende sexuelle Begegnungen bringen, können diese Zahl nun auf 4,4 „steigern“, wenn sie bereit sind, besorgniserregende gesundheitliche Risiken auf sich zu nehmen, keinen Alkohol mehr zu trinken, die Lustpille jeden Tag einzuwerfen und dafür pro Monat 400 Dollar hinzublättern. Ältere, alte und weniger betuchte Frauen werden also leer ausgehen - wahrscheinlich ist das aber nur zu ihrem Besten.
Welche Frau, die noch ihre fünf Sinne beisammen hat, möchte wohl regelmäßig ein solches Monstrum von Pille einnehmen: minimale und nicht gesicherte Wirkung bei hohem Risiko und hohem Preis? Das Preis-Leistungs-Verhältnis scheint auf den Kopf gestellt, und doch verspricht mann sich Riesengewinne. Kaum war die Nachricht von der Zulassung raus, wurde die kleine Herstellerfirma Sprout von der Big-Pharma-Firma Valeant für eine Milliarde Dollar aufgekauft.
Ich hörte neulich, dass der Film „The Devil Inside“, der als der schlechteste Film aller Zeiten gilt, zugleich prozentual den höchsten Gewinn abwarf. Wie das zu erklären ist? Erstklassiges Marketing!
Nach dieser Methode wird wahrscheinlich auch Addyi ihre KäuferInnen finden und Valeant bald ein Vielfaches seinen Einsatzes erwirtschaften.
Noch ein Wort zu dem angeblichen Sieg für die Gleichberechtigung, der durch Addyi errungen wurde. Während die Forschung Männer mit Viagra beglückte, hat sie die Frauen mit ihrer Lustlosigkeit alleingelassen, sollen „Frauenorganisationen“ gemäkelt haben. Die Gruppe „Even the Score“, die am lautesten gebrüllt hatte und jetzt ihre Webseite mit dem Banner „Thank you, FDA“ schmückt, wird u.a. gesponsert von den Firmen Sprout (Herstellerin von Addyi) und Trimel (arbeitet ebenfalls an der chemischen Bearbeitung der weiblichen Lust). Das berichtete am 19. August der englische Guardian. Wie gesagt: Erstklassiges Marketing!
Bleibt uns also nur noch, dem betrüblichen mutmaßlichen Lauf der Dinge kopfschüttelnd zuzuschauen und ein paar Betrachtungen zu Namen und Design von „Addyi“ beizusteuern. Addyi ist rosa und Viagra hellblau - wie sinnig! Zur niedlichen Farbe passt der niedliche Klang: „Addyi“ klinge „cute“, schrieb eine der wenigen Kommentatorinnen, die sich überhaupt mit dem Namen befassten. Die Schreibung mit der Endung „yi“ ist so ungewöhnlich, dass die Firma Aussprachehilfe gibt - das hilft aber vor allem, das Gespräch über „Addyi“ anzukurbeln und den Namen im Gedächtnis zu verankern. Eben „erstklassiges Marketing“.
Was seltsamerweise noch nirgends kommentiert wurde, ist hingegen die auffällige Tatsache, dass „Addyi“ sich auf „Daddy“ reimt. Das wäre doch die einfachste Aussprachehilfe gewesen. Da sie peinlichst gemieden wird, dürfen wir dahinter wohl einen tieferen Grund vermuten. Und ich vermute folgendes:
„Addyi“ wurde nicht für die Frau entwickelt, sondern für den bejahrten Mann, der ihr Daddy sein könnte - das darf aber natürlich nur unbewusst anklingen. Daddy hat sicher genügend Knete, um für ein bisschen mehr Erfolg im Bett eine beträchtliche Summe zu bezahlen. Die Zielgruppe - Frauen im gebärfähigen Alter - ist auch genau diejenige, für die Daddy sich interessert. Ob ältere Frauen Lust haben oder nicht, ist Daddy piepegal. Und um es ihm recht zu machen, werden sich sicher viele Frauen auf diesen Scheiß einlassen, wie auch auf all den übrigen teuren und gesundheitsschädlichen Mist, den sie im Interesse des Herrn auf sich zu nehmen gewohnt sind, von den High Heels, die ihre Füße verkrüppeln, über operative Verengung ihrer Vagina, Brustverkleinerung oder -vergrößerung bis hin zu Fettabsaugung, Bulimie und Anorexie, weil das Gewicht nicht Daddys Vorstellungen von Attraktivität entspricht.
Vor 17 Jahren schrieb ich zur Markteinführung von Viagra:
Viagra reimt sich im Englischen auf Niagara [“Naiägra” mit Betonung auf dem ä]. Nun haben die Niagarafälle zwar naturgemäß und wie der Name schon sagt eine eher fallende als steigende Tendenz, aber zweifellos sind sie ein gewaltiges Naturschauspiel tosender Fluten, es schäumt und spritzt, daß es eine Freude ist. Außerdem sind die Niagarafälle beliebt für Hochzeitsfeiern, Flitterwochen und ähnlich erektionsfreudige Seifenopern. Das ist es wohl, was die Namengeber im Sinn hatten.
Auf den eigentlichen Sinn von Addyi können wir uns noch leichter einen Reim machen:
Addyi ist für Daddy. •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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9 Kommentare
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24.08.2015 um 13:25 Uhr Lena Vandrey
Ein exzellenter Essay mit den richtigen Wörtern an richtiger Stelle! Leider kann ich mir denken, dass Frauen diese Pille auch einnehmen werden, ohne Sex-Grund, einfach um sich smart zu fühlen. Sind die Gesundheits-Risiken auf der Verpackungs-Beilage klar und deutlich angegeben? Beispielsweise wie auf den Zigaretten-Paketen? Haben junge Mädchen Zugang zur Pille? Löst sie sich in Getränken auf und kann also zu Zwangs-Doping verwendet werden? Aber meine Kardinal-Frage lautet: Und die LESBEN? Werden sie diese Pille schlucken wollen wie die Schwulen das Viagra? Zwei Lesben zusammen, um sich high und geil zu fühlen, aus Neugier auch? Der Dummheit und Gemeinheit sind keine Grenzen gesetzt. Kardinal II: In der Vatikan-Apotheke gibt es Viagra. Werden sie Addyi auch führen?? Allerhand alte Lesben mit gehäkelten Pudelmützen sollten in die Apotheken schieben und die Pille verlangen. Und da würde es heißen: Nein, dafür sind Sie zu alt! Ich empfinde mich auch als zu alt für dieses Thema und habe einen Anspruch an Frauen: Selber denken! Zorn und Verweigerung! Nicht alles den Feministinnen überlassen! Es ist doch skandalös auf die Dauer!