Mein Feuchtgebieter: Über “Arabella” von Strauss und Hofmannsthal
Als deutsche Bildungsbügerin bin ich immer bestrebt, mich fortzubilden, wo ich gehe und stehe. Oder sitze. Zur Zeit höre ich mich im Badezimmer durch alte Musicassetten. Dabei stieß ich vor kurzem auf Arabella, genauer gesagt auf ein musikalisches Selbstporträt von Lisa della Casa aus dem Jahre 1958. Mitte der 90er Jahre war es mal wieder gesendet worden; aus dieser Zeit stammt meine Aufnahme.
Ich putzte mir versonnen lauschend die Zähne, da hörte ich die della Casa singen:
Du wirst mein Geliebter sein Und ich dir untertan.
Trotz der betörenden Musik war ich not amused und ging der Sache nach Beendigung der Morgentoilette auf den Grund. Die “Arabella” hatte ich vor rund 40 Jahren zuletzt gesehen; sehr präsent war sie mir nicht mehr. Es ist ein operettenhafter Stoff, “letzte reife Frucht” der überaus fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen dem Komponisten Dr. Richard Strauss (so unterschreibt er immer, und so wird er von seinem Librettisten auch angeredet) und dem Dichter Hugo von Hofmannsthal. Und was diese reifen Früchtchen ausgebrütet haben, ist folgende Story: Graf Waldner hat sein Vermögen durchgebracht und kann sich nur retten, wenn er seine schöne, vielumschwärmte Tochter Arabella möglichst reich verheiratet. Er schickt seinem alten Regimentskameraden ein Bild der jungen Schönheit. Der Alte ist allerdings schon verblichen; Erbe seiner weitläufigen Ländereien ist der etwas hinterwäldlerische, aber edle und stattliche Mandryka. Der eilt herbei, bezaubert von dem Bildnis Arabellens und möchte sie vom Fleck weg heiraten. Nach ein paar Verwicklungen klappt das auch, und alle sind happy.
Zuvor aber müssen wir uns folgende Entgleisungen anhören:
ARABELLA (zu ihrer Schwester über einen ihrer Anbeter) Er ist der Richtige nicht für mich! Er ist kein ganzer Mann. Ich könnt mich halt vor ihm nicht fürchten. Wer das nicht ist, der hat bei mir verspielt! […] Ich kann ja nicht dafür, dass ich so bin. Ein Mann wird mir gar schnell recht viel und wieder schnell ist er schon gar nichts mehr für mich! […] Ganz ohne meinen Willen dreht sich dann mein Herz und dreht sich los von ihm. Ich kann ja nichts dafür - aber der Richtige - wenn's einen gibt für mich auf dieser Welt - der wird auf einmal dastehen, da vor mir und wird mich anschaun und ich ihn und keine Zweifel werden sein und keine Fragen und selig werd ich sein und ihm gehorsam wie ein Kind.
Eine Ideologie selig-verblendeter Unterwerfungs-Erotik wird da verbreitet - was sage ich - wird besungen und zelebriert mit den schönsten Eingebungen des alten Strauss, dass sich uns der Magen umdreht. Die Unterwerfungsorgie wurde 1933 in Dresden uraufgeführt: passend zum Führerprinzip die Oper über den edlen starken Mann hinterwäldlerischer Herkunft, der der Richtige ist, weil man bzw. frau sich vor ihm fürchten kann, und von dem sie sich, “gehorsam wie ein Kind”, selig führen lassen kann:
Und du wirst mein Gebieter sein und ich dir untertan dein Haus wird mein Haus sein, in deinem Grab will ich mit dir begraben sein - so gebe ich mich dir auf Zeit und Ewigkeit.
Diese schönen Zeilen - Herzstück der Oper und eine der berühmtesten Strauss-Arien - singt Arabella für ihren Führer, nachdem er ihr folgendes versprochen hat:
Darum kann ich erst leben wenn ich etwas Herrliches erhöhe über mich, und so in dieser Stunde erhöh ich dich, und wähle dich zu meiner Frau und wo ich Herr bin, wirst du Herrin sein und wirst gebieten, wo ich der Gebieter bin!
Unheimlich, diese Parallele zwischen dem führertrunkenen, vom Führer “erhöhten” deutschen Volk, und der unterwerfungssüchtigen Arabella.
Beim Zähneputzen hatte ich die Worte der berühmten Arie nicht richtig verstanden. Arabella singt nicht “Du wirst mein Geliebter sein”, sondern “mein Gebieter”. Nachdem der Führer ihr zuvor die Mitherrschaft über seine Ländereien/Gebiete, über die er gebietet, versprochen hat, “gibt” sie sich ihm “auf Zeit und Ewigkeit”, macht ihn zum Gebieter über ihre Feuchtgebiete, denn andere Gebiete hat sie nicht zu bieten. Das gemeinsame Grab wird auch schon beschworen, ein Feuchtgebiet ganz eigener Art.
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14 Kommentare
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28.03.2010 um 19:17 Uhr Dürr
Judihui, liebe Luise, ist der schööön!! Ja die Gebieter haben es tatsächlich dringend nötig, die Gebieterin über Feuchtgebiete so an sich zu binden, dass diese nicht einfach weg kann! Denn sie sind weder Gebieter über die Frau noch über deren Feuchtgebiete - und sie wissen das. Ein Eingeständnis dessen, was tatsächlich ist, können sie sich auch nicht leisten, es würde ja das “Ebenbild Gottes” zu sehr ankratzen. Leider wurde/wird den Mädchen dieses zu selten klar gemacht.
@Amy: Appenzeller Bürger werden gemäss der Appenzeller Kantonsverfassung definiert als “militärpflichtige Landsleute”, womit Frauen und Kinder unter das Sachenrecht fallen. Dies ist auch der Grund, weshalb Appenzell Innerrhoden noch immer unter der Fuchtel des Bundes steht in Bezug auf das Frauenstimmrecht - und in Bezug auf die Definition des Appenzeller Kantonsbürgerrechts: Die neue Appenzell-Innerrhoder-Verfassung kommt nicht vom Fleck. Die Nennung der FRauen, bzw. das generische Femininum macht Probleme! (Hinweis: Appenzell Innerrhoden ist katholisch.)
lg Dürr
28.03.2010 um 13:23 Uhr Amy
Beim Frauenstimmrecht sah es nicht anders aus. Noch 1990 wird das (Feucht-)Gebiet Appenzell-Innerrhoden durch das Schweizerische Bundesgericht gezwungen, das Frauenwahlrecht einzuführen, entgegen dem Mehrheitsbeschluß durch Feuchtgebieter. Die beiden Alpenländer Schweiz und Liechtenstein sind die einzigen, in denen die Einführung des Frauenwahlrechts von einer männlichen Volksabstimmung abhing, was den Kampf der Frauen mehr als erschwerte.
Überhaupt ein schlechter Tausch, dem Gebieter durch Ehe-Bündnis , Brautschleier und andere Riten die Mitherrschaft über die Feuchtgebiete zu gestatten. Reinste Verschleierungstaktik - das zeigt der bedrohliche Schlachtruf `bis dass der Tod euch scheidet`. Ein früher Lock-Ruf, der Frauen in Sicherheit wiegen soll, aber ebenso an ihre lebenslange Pflichterfüllung ermahnt - für sie bis zum Weg ins Grab eine Menge Zwangerschaftsstreifen vorsah/vorsieht. War doch das Eintauchen ins kühle Grab infolge etlicher, auch ungewollter Zwangerschaften und beständiger sex. Verfügbarkeit u.v.m. häufig der letzte Ausweg, um dem Feuchtgebieter endlich zu entrinnen.
Und immer noch wettert der Heilige Stuhl mit Papst Benedict an der Spitze leidenschaftlich gegen die Ehe ohne Trauschein. Wenn es nach diesem Männerbund ginge, wäre es mit der Selbstbestimmung der Frauen in allen Lebensbereichen vorbei .
27.03.2010 um 22:39 Uhr Anne
ja @ Evelyn die typische rollen-zusammensetzung des paares, damit alles für ihn seine ordnung hat/e -wie es Hugo v. Hofmannsthal beliebte zu leben. auch seine ansichten v.d. ehe eher konservativ, für ihn der `geheiligte ehestand` das symbol der gesellschaftl. ordnung. “die ehe ein erhabenes institut und steht in unseren armseligen existenzen wie eine burg aus einem einzigen felsen”. so ward die dichtergattin sein emotionaler inhalt zwischen küche, kirche und kinderkriegen - die freundschaft zwischen männern aber die reinste und stärkste, was das leben enthält, und aus seinem H.v.H. dasein nicht wegzudenken ..”(lt. wiki) so ist es, frauen und männer passen nun wirklich nicht zusammen!
27.03.2010 um 19:21 Uhr Christine
@ Evelyn
“Frau und Gebieter” galt nicht nur bis in die frühen 60er Jahre! Erst seit 1977 ist die (Ehe-) Frau nicht mehr allein und in erster Linie für den Haushalt zuständig (hat sich das eigentlich schon rumgesprochen?) und erst seit 1997 (!) ist Vergewaltigung in der Ehe strafbar.
27.03.2010 um 16:27 Uhr Evelyn
Wir sollten uns daran erinnern, dass eine solche Haltung - auch ohne, dass SIE zur Mitherrin wird - bis in die späten 50er und frühen 60er Jahre durchaus normal war und gang und gäbe und nicht für die allergeringste Irritation gesorgt hat. Es wäre undenkbar gewesen, dies in Frage zu stellen - zumal ja die Kirche damals auch noch ein starkes Wörtchen mitzureden hatte und das ebenso sah. Die Frau und ihr Gebieter, eine typische Rollen-Zusammensetzung des Paares, damit auch alles seine Ordnung hat(te). Als früh freigeistig denkendes Menschlein wusste ich schon als Kind, dass ich nie heiraten würde - die Bilder von damals waren mir schon als kleines Mädchen höchst suspekt.
27.03.2010 um 14:49 Uhr Anne
wow - s t a r k !
mir ist beim lesen dieses hoffMANNsthal-textes geschlecht geworden. und so etwas wird auch noch vertont und lustvoll besungen? erinnert mich sehr an die S/M-feuchtgebiets-methodik - das strategische(sexuelle) muster von männlicher dominanz und weiblicher unterwerfung, das von vielen nach wie vor als variante des (sexuellen) machtMissbrauchs zelebriert und inzwischen in so mancher community/ porYes-bewegung, porNO-gewerbe für die frau als sexuelle lustvariante angepriesen wird. “Sado-Maso” in übelster form durchzieht diese vom patriarchat und männlichkeitswahn geprägte menschheitsgeschichte. frauen sollten sich endlich davon befreien, auch von der patriarchalen/heteronormierten institution EHE.
unterdrückung, macht, zwang, sadismus, machtMissbrauch scheint für manchen eine `erotische/sexuelle` ausstrahlung zu haben - kann das eine ohne das andere nicht auskommen??
danke, liebe Luise, für deine supra hinweise zum feuchtgebietER , grusel-grusig (*?*)/